Villeroy & Boch / Vor 10 Jahren gingen im Rollingergrund die Lichter aus
Es war ein trauriger Tag für Luxemburg. Vor genau zehn Jahren, am 30. Juni 2010, war der letzte Arbeitstag in der Porzellanfabrik von Villeroy & Boch im Rollingergrund. Es war das Ende einer Ära.
Villeroy & Boch war in Luxemburg mehr als nur irgendein Unternehmen. Seit mehr als 240 Jahren produzierte die Firma hierzulande Porzellan. Ganze Generationen sind im Großherzogtum mit Tellern und Tassen der Marke groß geworden. Den Namen des Landes hat die Gesellschaft mit ihrem Muster „Vieux Luxembourg” in die Welt getragen.
Doch „gestern war alles vorbei. Bei Villeroy & Boch wurde die letzte Schicht gefahren“, hieß es am 1. Juli 2010 im Tageblatt. „Das Unternehmen verlagert die Produktion nach Merzig und nach Torgau (Sachsen). Am Tag der letzten Schicht war eine Produktionslinie bereits abgebaut.“ Weiter hieß es: „Ein Stück Geschichte ist verloren, ein Stück Luxemburger Kultur.“
Über die Jahre wurde die Produktion von Villeroy & Boch in Luxemburg immer wieder weiterentwickelt. Es wurde modernisiert und roboterisiert. Trotz seines besonderen Standorts, inmitten der Stadt Luxemburg, konnte das Unternehmen seine Produktion immer wieder an neue Zeiten anpassen. Noch in den 90er Jahren zählte der Keramikhersteller hierzulande rund 1.000 Mitarbeiter. Doch danach ging es bergab. In den Jahren 2001, 2003 und 2006 gab es Stellenabbau und Entlassungen.
Mit der Schließung der Produktion im Jahr 2010 verloren schließlich 230 weitere Menschen ihren Job. Viele von ihnen arbeiteten seit Jahren im Betrieb und hatten ihre Fachkenntnisse dort erworben (Durchschnittsalter: 47 Jahre; durchschnittliche Betriebszugehörigkeit: 22 Jahre). Nur rund 85 Mitarbeiter blieben in Luxemburg übrig.
Mit der Finanzkrise haben sich die Konjunkturaussichten verschlechtert, doch der Wettbewerbsdruck aus Billiglohnländern bleibe, versuchte sich das Unternehmen damals zu erklären. Die Produktion in Luxemburg sei teurer als in vergleichbaren Standorten in der Welt. Umsatz und Gewinn der gesamten Gruppe waren im Vorjahr stark eingebrochen. Weltweit wurden bei Villeroy & Boch damals zehn Prozent aller Jobs gestrichen.
Eine blühende Produktionsstätte werde einer Immobilientransaktion geopfert, argumentierten hingegen die Kritiker. Manche forderten eine Nationalisierung der Produktion. Das Fachwissen müsse gerettet werden.
Wirtschaftsminister Jeannot Krecké war offiziell verärgert. Noch Jahre später, unter Wirtschaftsminister Etienne Schneider, gab es Diskussionen mit dem Wirtschaftsministerium über nicht zurückbezahlte Fördergelder des Unternehmens.
Bis die bereits damals geplanten Immobilienprojekte auf dem Standort des historischen Werks jedoch ins Rollen gerieten, vergingen noch viele Jahre. Erst wurde Ende Dezember 2010 das zum Standort gehörende Schloss Septfontaines unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 2016 war dann zu erfahren, dass die Stadt Luxemburg für (günstige) 14,3 Millionen Euro insgesamt 317 Ares von Villeroy & Boch kaufen würde. 500 bezahlbare Wohnungen seien geplant. Der Rest des vormals 815 Ares großen Geländes wurde von „industrie“ auf „zone mixte” umklassiert. Im Jahr 2020 hat die Gruppe dann einen weiteren Teil des Geländes an Immobilienentwickler verkauft.
Noch rund 60 Mitarbeiter in Luxemburg
Ganz den Rücken gekehrt hat der historische Keramikhersteller dem Land aber nicht. „Villeroy & Boch und Luxemburg verbindet eine lange Historie“, heißt es vom Unternehmen. „Auch heute noch ist das Grundstück mit dem historischen Schloss Septfontaines wichtiger Teil der Unternehmenskultur.“ Das Schloss Septfontaines sowie der südliche Teil des historischen Carré bleiben langfristig Eigentum von Villeroy & Boch s.àr.l. Luxemburg.
Auch beschäftigt Villeroy & Boch weiterhin rund 60 Mitarbeiter am Standort Luxemburg. Diese bekümmern sich um den weltweiten Vertrieb und die Dekorentwicklung für den Bereich Hotel- und Restaurant-Geschirr, den internationalen Vertrieb der Bad-, Wellness- und Tischkultur-Produkte (z.B. Vertriebsdirektion Europa, Vertriebsmitarbeiter BeNeLux, Near Middle East und Indien), das Infocenter Bad und Wellness sowie die Verkaufspunkte House of Villeroy & Boch im Stadtzentrum, im Einkaufszentrum Belle Etoile und im Factory Outlet Center im Rollingergrund.
In dem Pavillon, das Luxemburg für die (verschobene) Weltausstellung 2020 in Dubai geplant hat, gibt es einen anderen Sponsor für das „nationale“ Tafelgeschirr. Es handelt sich um RAK Porcelaine. Der Keramikhersteller aus den Emiraten hat vor einigen Jahren Luxemburg als Standort für seinen Europasitz und für logistische Aktivitäten ausgewählt. Rund 60 Mitarbeiter beschäftigt RAK hierzulande. Dass das Unternehmen Luxemburg ausgewählt hat, ist – zumindest indirekt – auch auf das historisch von Villeroy & Boch geschaffene Umfeld zurückzuführen.
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