Queere Themen an Luxemburgs Schulen / Vor öffentlicher Anhörung zu Petitionen: Menschenrechtskommission bezieht Stellung
Am Dienstag stehen die öffentlichen Anhörungen zu den Petitionen über LGBTIQA+-Inhalte an Luxemburgs Schulen an – pünktlich dazu legt die „Commission consultative des droits de l’homme“ (CCDH) jetzt ihre offizielle Stellungnahme vor.
Fordern die Unterzeichnenden der Petition 3198 das Verbot von LGBTIQA+-Sujets im Bildungswesen, verlangen die Befürworter*innen der Gegenpetition 3281 die stärkere Thematisierung queerer Inhalte an den Schulen. Beide Petitionen, die im Sommer 2024 für Aufsehen und Reaktionen aus der Zivilgesellschaft sorgten, erhielten bis heute (Stand: 23. Januar) über 9.000 Stimmen. Wobei sich mehr Menschen für die Gegenpetition aussprachen (10.262; Petition 3198: 9.979).
Auch die Position der CCDH, welche sie am Mittwoch online publizierte, ist nach wenigen Zeilen offensichtlich: LGBTIQA+-Themen und Diversität gehören in die Lehrprogramme. Schon allein „um das Wohlbefinden sowie die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendliche im Allgemeinen sowie von heranwachsenden LGBTIQA+-Personen zu fördern“. Gleichzeitig trage es zur Schaffung einer gerechten und respektvollen Gesellschaft bei. Biologie- und Mathekurse sind laut CCDH dafür unzureichend. Es brauche die Weitervermittlung von Werten und Sozialkompetenzen, und dabei würde die Einbindung von LGBTIQA+-Themen eine Rolle spielen.
Verzweifelte Jugend
Die CCDH verweist in dem Zusammenhang auf die alarmierende Verschlechterung der mentalen Gesundheit unter jungen Menschen, insbesondere wenn sie queer sind. 68 Prozent von ihnen leiden aufgrund ihrer Identität oder/und sexuellen Orientierung unter Mobbing, Drohungen, Spott und Belästigungen an Luxemburgs Schulen (Quelle: Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EU LGBTIQ survey III: LGBTIQ Equality at a Crossroads: Progress and Challenges, 2024). „Die Diskriminierungen und Stigmatisierungen, mit denen diese jungen Menschen konfrontiert sind, können zu Verzweiflung und Isolation führen“, schreibt die CCDH. „Das verstärkt das Risiko für mentale Erkrankungen, Suizidgedanken, Selbstverletzung und Suchtverhalten.“
Für die CCDH sollen Schulen allen Heranwachsenden einen Ort der Entfaltung bieten. „Die Einbindung von LGBTIQA+-Themen sowie vergleichbarer Sujets trägt dazu bei, Diversität als gemeinsame Stärke wahrzunehmen statt als Quelle der Spaltung“, so die CCDH. Schulen, die gegenseitigen Respekt und Diversität großschreiben, würden zum Zufluchtsort für LGBTIQA+-Personen, was zu deren mentaler Gesundheit beitrage.
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Plus für affektive und sexuelle Bildung
Darüber hinaus solle die Schule Kinder und Jugendliche durch affektive und sexuelle Bildung über Konsens, Manipulation, Mobbing und Beziehungsmuster aufklären. Wer keine Informationen von Vertrauenspersonen erhalte, suche diese im Internet – dies berge Gefahren. In der Schule sei hingegen eine altersgerechte Wissensvermittlung durch Bildungspersonal und ein direkter Austausch zu den verschiedenen Themen möglich. „Dies erlaubt es den jungen Menschen, Fragen zu stellen, sich in offene Diskussionen einzubringen und Desinformation anzugehen“, schreibt die CCDH. „Auf diese Weise entwickeln sie einen kritischen Geist gegenüber den Inhalten, auf die sie online stoßen.“
Politischer Aspekt
Vom pädagogischen Mehrwert abgesehen, erinnert die CCDH auch an die Verpflichtungen des Staats: „Laut dem Europäischen Gerichtshof verstößt das Verbot von LGBTIQA+-Themen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und führt zu Stigmatisierung und Vorurteilen.“ Das sei unvereinbar mit den Werten – Gleichheit, Pluralismus und Toleranz – einer demokratischen Gesellschaft.
Neben der Unterstützung von queeren Heranwachsenden durch Schulen, plädiert die CCDH auch für die Einbeziehung von LGBTIQA+ und Diversitätsthemen in die non-formale Bildung, für die Durchführung u.a. des Aktionsplans LGBTI, die Umsetzung der zahlreichen Empfehlungen verschiedenster Akteur*innen einschlägiger Bereiche, die Verbesserung des Zugangs junger Menschen zur Gesundheitsversorgung – einschließlich der psychischen Gesundheitsfürsorge – und die Ausbildung von Fachkräften, die mit Heranwachsenden in Kontakt kommen.
Auf gesetzlicher Ebene besteht nach CCDH ebenfalls Handlungsbedarf: Sie fordert eine 3. Option im Personenstandsregister, das Verbot nicht lebensnotwendiger Eingriffe an Intersex-Kindern – ohne deren Einwilligung – und das Verbot von Konversionstherapien. Eine weitere, wichtige Anmerkung formuliert die CCDH am Ende ihrer Stellungnahme: „Letztendlich ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung für den Abbau von Diskriminierung und die Förderung der Akzeptanz von Vielfalt.“
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