EU-Parlament / Vorschläge für eine reformierte Union
Das Europäische Parlament (EP) hat am Donnerstag seine Vorschläge für neue Reformen im Rahmen der Erweiterung der EU angenommen. Die Abgeordneten fordern demnach unter anderem, dass die Beschlussfassung geändert und in vielen Bereichen das Prinzip der Einstimmigkeit abgeschafft werden muss.
Die Forderung nach Reformen in der EU wird bereits seit Jahren erhoben. Denn, auch wenn mit Großbritannien ein Land die Union verlassen hat, stehen derzeit zehn Staaten auf der Liste der Bewerberländer. Damit die Staatengemeinschaft auch mit weit über 30 Mitgliedern handlungsfähig ist, muss es unter anderem zu institutionellen Anpassungen kommen. Denn bereits jetzt tun sich die 27 immer wieder schwer, mit einer Stimme zu sprechen, was zuletzt bei der Hilfe für die Ukraine deutlich wurde.
Mit vier Kandidatenländern laufen derzeit Verhandlungen. Es sind dies Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Die Verhandlungen mit der Türkei sind bis auf Weiteres auf Eis gelegt worden. Demnächst sollen die Verhandlungen mit der Ukraine sowie mit Moldawien aufgenommen werden. Auch wenn der Verhandlungsprozess noch lang dauern wird, bevor er abgeschlossen wird und die jeweiligen Beitritte erfolgen können, muss sich die EU auf die kommende Erweiterungsrunde vorbereiten.
Viel Gewicht legen die EU-Parlamentarier in ihren Vorschlägen auf die Absicherung der Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien. Nicht nur in den künftigen, sondern auch in den gegenwärtigen EU-Staaten. So warnen sie, dass der Beitrittsprozess auch rückgängig gemacht werden kann und Rückschritte bei den Grundwerten dazu führen können, dass die Beitrittsverhandlungen eingefroren werden. So wie es seit Jahren der Fall mit der Türkei ist. Doch auch im Fall einer Revision der EU-Verträge sollte nach Ansicht der EP-Abgeordneten das in Artikel 7 vorgesehene Verfahren, mit dem einem Mitgliedstaat das Stimmrecht im Ministerrat entzogen werden kann, reformiert werden. Seit einigen Jahren läuft ein derartiges Verfahren gegen Ungarn, da die Regierung von Viktor Orban im Verdacht steht, gegen grundlegende Rechtsprinzipien der EU zu verstoßen. Damit das Verfahren weitergebracht werden kann, bedarf es allerdings eines einstimmigen Beschlusses der EU-Staaten. Die EP-Abgeordneten schlagen nun vor, das Prinzip der Einstimmigkeit abzuschaffen. Doch nicht nur in diesem Punkt.
Weniger Mitglieder in der EU-Kommission
Das Einstimmigkeitsprinzip wird auch in anderen Politikbereichen als hemmend angesehen, vor allem in der gemeinsamen Außenpolitik. So schlagen die EU-Parlamentarier vor, dass künftig in Bereichen wie der Einführung von „Sanktionen und anderen einschlägigen außenpolitischen Beschlüssen, wie dem Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen, der Eröffnung und dem Abschluss einzelner Verhandlungscluster und der Sanktionierung von Rückschritten“, aber auch bei der Festlegung des mehrjährigen EU-Haushaltsplanes mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden soll. In bestimmten Fällen sollten aber Ausnahmen gemacht werden, wie etwa bei „Beschlüssen zur Genehmigung militärischer Missionen oder Einsätzen mit einem Exekutivmandat“.
Ändern wollen die EP-Abgeordneten ebenfalls das derzeit bestehende System der qualifizierten Mehrheit, ohne allerdings anzugeben, auf welche Weise. Sie geben lediglich an, dass „die Berechnung der Schwellen für die qualifizierte Mehrheit überprüft werden sollte“. Derzeit bedarf es der Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, damit eine qualifizierte Mehrheit zustande kommt. Die EU-Parlamentarier fordern in ihren Vorschlägen, dass „eine bessere Balance zwischen größeren und kleineren Staaten“ gefunden und höhere Schwellen für wichtige Beschlüsse festgelegt werden müssten.
Verklausuliert gehen die Volksvertreter an das Problem einer zahlenmäßig zu großen Kommission heran und verweisen auf die im „Vertrag von Lissabon gebotene Flexibilität“. Bereits bei der letzten großen Vertragsänderung wurde vorgesehen, das Kommissionskollegium zu straffen und die Zahl seiner Mitglieder zu begrenzen. Stattdessen sollte ein Rotationsprinzip eingeführt werden, das es jedem EU-Staat erlauben sollte, regelmäßig im Gremium vertreten zu sein. In Irland wurde dieses Prinzip jedoch abgelehnt – auch wenn laut Vertrag die Möglichkeit besteht, dieses anzuwenden – sodass weiterhin jedes EU-Land in der Kommission vertreten ist. Allerdings dürfte es schwierig werden, bei über 30 Mitgliedstaaten genügend Politikbereiche zu finden, mit denen die einzelnen Kommissionsmitglieder beschäftigt werden sollen.
- Nach dem Geschacher um neue EU-Kommissare herrscht Unzufriedenheit - 21. November 2024.
- Scholz-Telefonat mit Putin ist Ausdruck von Hilflosigkeit - 18. November 2024.
- Entwaldungsgesetz verschoben: Europäische Volkspartei EVP setzt auf Hilfe von Rechtsextremen - 14. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos