Landwirtschaft / Vorschriften-Dschungel, No-Gos und die Frage der Wertschätzung: Ein Jungbauer berichtet
Die Arbeit der Landwirte hat sich in den letzten Jahren verändert. Sie sind nicht nur Lebensmittelproduzenten, sondern mittlerweile ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Klimawandel. Trotzdem fürchtet so manch einer ein „Hofsterben“, weil junge Bauern zu wenig Perspektiven haben. Zu Besuch bei einem Jungbauer.
Christian Zimmer ist 23 Jahre alt und arbeitet seit vier Jahren auf dem Hof seiner Eltern in Tüntingen. Ein anderer Beruf war für ihn schon immer außerhalb jeglicher Diskussion. „Landwirt ist mein Traumberuf“, sagt er. Er wird den Hof mit den 110 Rindern und 80 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche übernehmen.
Den intergenerationellen Übergang bezeichnet er als „fließend“ und trotz zunehmender Hürden bereut er seine Entscheidung nicht. Vor drei Jahren bringt er die Idee ein, auf Bio umzustellen. Da hat er gerade mal ein Jahr das Diplom als „Technicien agricole“ von der Ackerbauschule in Ettelbrück in der Tasche. Der Hof liegt in einem Wasserschutzgebiet. Die Trinkwasserquellen versorgen die Gemeinde und gehen an das „Syndicat des eaux du Sud“ (SES).
Neben dem, was der Natur- und Umweltschutz an Auflagen bringt, bedeutet das zusätzliche Vorschriften. Zimmer hat das Beste daraus gemacht. Die Lage des Hofes war ein Argument für die Umstellung. „Das Bio-Prinzip ist einfacher mit dem Wasserschutz zu vereinbaren“, sagt er. Hinzu kommt ein besserer Preis für das Fleisch, das die Haupteinnahmequelle des Betriebes ist.
Umstellung auf Bio keine Frage
Auf 15 Hektar Ackerfläche baut die Familie Kleegras für die Rinder an. Hinzu kommen Dinkel und Brotweizen, alles in rotierender Fruchtfolge, die verkauft werden. Seit der Umstellung spart Zimmer Kosten für Dünge- und Pflanzenschutzmittel ein. Der Weg Richtung Bio war genauso wenig eine Frage wie die drei Jahre, die die Umstellung gedauert hat.
„Der Staat unterstützt das“, sagt er. 89 Betriebe im Land sind nach Angaben des Landwirtschafts-ministeriums zwischen 2019 und 2023 diesen Weg gegangen. Von den aktuell 210 im Land gemeldeten Biobetrieben sind zurzeit 36 in Umstellung, darunter sieben im Weinbau, 16 im Obst- und Gemüsebau, drei in der Honigproduktion, heißt es auf Anfrage aus dem Ministerium.
Dennoch bleiben die administrativen Hürden, die die Lebensmittelproduktion, das eigentliche Kerngeschäft, begleiten, oft ein schwer durchschaubares Hin und Her zwischen nationalen und europäischen Vorschriften. Das spürt auch der Jungbauer in Tüntingen – vor allem, weil es teilweise zu absurden Situationen führt. Es beginnt beim leidigen Thema Glyphosat.
Unterwegs im Vorschriften-Wirrwarr
In anderen europäischen Ländern ist dessen Einsatz erlaubt, in Luxemburg war dies jedoch bis vor wenigen Monaten nicht der Fall. Deswegen fordert Zimmer, der sich neben seiner täglichen Arbeit auf dem Hof als Präsident der Landjugend- und Jungbauern-Sektion Zenter politisch engagiert, einheitliche Regelungen – und zwar EU-weit. EU-Standards sollen auch für Importe aus Ländern außerhalb der EU gelten. Billigere Eier aus Legebatterien sind für ihn ein No-Go, sie sind aber erlaubt und stehen im Regal.
Es gibt noch andere Ungereimtheiten. Als Biobauer im Wasserschutzgebiet darf er den Teil, wo er Kleegras anbaut, erst nach dem 15. Oktober umgraben. Das ist die nationale Vorgabe. Die europäische besagt, er darf es nur bis zum 15. Oktober. Damit seine Kühe auf einer sieben Hektar großen Fläche, die im Wasserschutzgebiet liegt, weiden können, was die natürlichste Art von Grünlandbewirtschaftung ist, musste er eine Ausnahmegenehmigung beantragen.
„Wegen der Ausscheidungen der Rinder“, sagt er. Organische Düngung, und dazu gehören Gülle und Mist, ist gleichzeitig aber erlaubt. Güllegruben oder Mistplatten müssen im Wasserschutzgebiet extra abgedichtet werden, dafür gibt es laut Zimmer sogar Zuschüsse vom Staat.
Die Frage nach dem Sinn steht auf einem anderen Blatt. „Eine gegossene Betonplatte ist per Definition wasserdicht“, sagt er vor dem Hintergrund, dass das Abdichten schnell ein paar Tausend Euro mehr kostet. Sein Fazit erklärt teilweise den Frust der Branche: „Uns wurden teilweise Sachen präsentiert, die schwer umsetzbar waren, weil die Rücksprache mit dem Berufsverband gefehlt hat“, sagt er.
Stärker im Blick der Konsumenten
Deswegen findet er die unter der neuen Regierung eingesetzte Dialogform, den Bauerntisch, gut. Die Kritik der „Biovereinigung”, dass ihre Mitglieder in der ersten Runde außen vor geblieben sind, teilt er nicht. „Es war ja die Landwirtschaftskammer daran beteiligt, die alle Landwirte vertritt”, sagt er. Deren Arbeit hat sich zwar in den letzten Jahren sehr verändert, aber es ist ein Umdenken spürbar.
Lange arbeiteten die Landwirte in einer Nische, weit weg vom Konsumenten und von ihren Produkten, die im Regal stehen. Heute rücken sie stärker in den Blick des Konsumenten. „Die Menschen interessieren sich mehr und mehr dafür, wo die Produkte herkommen und wie sie hergestellt werden“, bestätigt Zimmer.
Das führt aber noch immer nicht dazu, dass die Verbraucher bereit sind, mehr für Lebensmittel auszugeben. „Wenn die Butter teurer wird, gibt es einen Aufschrei“, sagt Zimmer. „Aber die Preise für einen Urlaub oder ein neues Handy werden bezahlt.“ Das nagt bei den Landwirten nach wie vor am Gefühl, dass ihre Arbeit nicht hoch genug in der Wertschätzung steht. Obwohl sie etwas produzieren, was alle brauchen. „Da muss man sich schon mal Fragen stellen.“
Biobetriebe und Umstellung
210 Biobetriebe gibt es aktuell im Land. Davon sind 24 im Weinbau tätig, 43 arbeiten im Obst- und Gemüsebau, 24 sind Imker. Die meisten davon haben weniger als zehn Hektar. Insgesamt werden rund 8.820 Hektar in Luxemburg biologisch bewirtschaftet. Auf 169 Hektar wird Weinbau betrieben.
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