Pandemie / Wand statt Welle: Was Omikron für Luxemburg bedeuten könnte
Welche Fallzahlen würde die Omikron-Variante Luxemburg bescheren? Das hängt unter anderem von unserem Verhalten an den Feiertagen ab, sagt der Biophysiker Alexander Skupin. Er und seine Forscherkollegen von der Covid-19-Taskforce gehen aber mindestens von einer Verdoppelung der Fallzahlen im Januar aus. Worst Case: bis zu 6.000 Neuinfektionen täglich.
Die neuesten Projektionen der Covid-19-Taskforce könnten einen eigentlich hoffnungsvoll stimmen. „Die Entwicklung dieser Woche weist eine Entspannung bei der exponentiellen Dynamik der Pandemie auf“, schreiben die Forscher in ihrem Report für die Regierung, der am Freitagnachmittag veröffentlicht wurde. „Es gibt Hinweise auf einen Wechsel in ein lineares Regime.“ Der Reproduktionsfaktor ist endlich wieder unter 1 gefallen. Zum ersten Mal seit mehr als zwei Monaten gab es in dieser Woche weniger Fälle als in der Woche davor. „Das stellt die mittelfristigen Projektionen positiv dar“, sagt Taskforce-Forscher Alexander Skupin am Freitag im Gespräch mit dem Tageblatt.
In dem Report, der in englischer Sprache verfasst ist, gibt es aber ein großes „However“: das Auftauchen der neuen Omikron-Variante in Luxemburg. „Die gute Nachricht ist, dass wir nicht mehr als einen Fall in Luxemburg haben“, sagt Skupin. „Ich denke, wir sind noch nicht in der Omikron-Welle drin, sonst hätten wir mehr Fälle sehen müssen.“ Der Anstieg der vergangenen Wochen, die exponentielle Dynamik – das sei alles „Delta-getrieben“ gewesen. „Basierend auf den vergangenen Wochen hätten wir die Hoffnung haben können, dass wir die Welle gebrochen haben, wir hätten allen Grund, uns zu freuen“, sagt Skupin. „Aber mit Omikron wissen wir auch, dass es wieder losgehen wird – und wesentlich schneller losgehen wird als das, was wir in den vergangenen Monaten gesehen haben.“
Pandemietreiber Omikron
Mit den Daten aus Großbritannien, Südafrika und Dänemark sei Omikron „definitiv“ ein Pandemietreiber. Die genaue Abschätzung, was die viel diskutierte Verdopplungszeit angeht, sei noch mit Vorsicht zu genießen, sagt Skupin. „Aber es wird vermutlich mehr um einen Faktor von 3 oder 4 gehen.“ Und das könne „mindestens“ eine Verdopplung der täglichen Fallzahlen in Luxemburg bedeuten. „Wenn nicht mehr.“ Es gebe eine Studie aus Südafrika, die eine Verdopplungszeit von 2,5 bis 2,7 Tagen annimmt. Eine Studie aus Großbritannien sehe sie bei zwischen zwei und drei Tagen. Deutschland habe eine Abschätzung von „unter drei Tagen“ gemacht. Zum Vergleich: Die Verdopplungszeit von Delta liegt bei 10 bis 14 Tagen, sagt Skupin.
Das hört sich dramatisch an. „Es ist dramatisch“, bekräftigt der Forscher. „Die Alpha-Variante war ungefähr 40 Prozent, also 1,4-mal, infektiöser als der Wildtyp.“ Delta sei dann nochmal 40 Prozent infektiöser als die Alpha-Variante gewesen. „Verglichen mit den 220 Prozent der Omikron-Variante ist das eben vergleichsweise gering.“ Wobei man die kleine Hoffnung haben könne, dass am Anfang der Anstieg bei der Alpha-Variante auch mit 70 Prozent gemessen worden sei. Dass das im Laufe der Zeit etwas gesunken sei, könne laut Skupin daran gelegen haben, dass sich am Anfang vor allem die sozial aktiven Menschen angesteckt haben. Das Bild, dass die Omikron-Welle mehr eine Wand als eine Welle sei, sei jedoch „keine Panikmache“, sagt Skupin. „Das, was wir in Dänemark und Großbritannien sehen, sieht eher nach einer Wand als nach einer Welle aus. Das explodiert schnell.“ Vermutlich treffe das Bild vom Tsunami ganz gut.
Was bedeutet das für Luxemburg? „Wir werden einen signifikanten Anstieg in den Fallzahlen sehen, wenn sich nichts am Verhalten ändert und wir mit dem Boostern nicht so schnell hinterherkommen“, sagt Skupin. Von einer Verdopplung der Fallzahlen im Januar müsse man „in jedem Fall“ ausgehen. Wann die Welle genau in Luxemburg ankommen würde, sei wegen der kommenden Feiertage schwierig zu sagen. „Es ist schwer einzuschätzen, ob sich die Menschen an Social Distancing halten und Weihnachten im kleinen Kreis feiern. Wir hoffen, dass sich zwischen Weihnachten und Neujahr die sozialen Interaktionen nicht verstärken, sondern abschwächen.“ Damit würde die Omikron-Dynamik langsamer vonstattengehen. Erst Ende Januar, Anfang Februar würde Omikron dann zur dominanten Variante werden, spätestens im März, sagt Skupin. Wenn keine weitere neue Variante hinzukomme.
Wie groß wird die Amplitude?
Und wenn sich das Verhalten nicht ändert? „Wenn man annimmt, dass unsere Interaktionen so bleiben, wie sie sind, und flächendeckend diese höhere Infektiösität einkalkulieren, dann können wir 6.000 Fälle erreichen.“ Damit laufe alles über, weil die Kontaktverfolgung nicht mehr möglich sein werde. „Das ist im Prinzip dann ein freier Fall, der wirklich dazu führen wird, dass der Stress in den Krankenhäusern groß wird und der dann vermutlich ein absoluter Emergency State wäre.“
Das wäre das Worst-Case-Szenario, das sich aber abdämpfen lasse. „Die Frage ist, wie hoch die Amplitude sein wird“, sagt Skupin. „Und das wird stark davon abhängen, wie wir uns als Gesellschaft verhalten.“ In gewisser Weise hätte Luxemburg den Vorteil, jetzt zu sehen, was anderswo passiert. „Was wir daran ändern können, ist, dass wir noch mehr auf soziale Distanzierung setzten und versuchen, über das Boostern eine größere Immunität in der Bevölkerung herzustellen.“ Ein Versuch, die Welle zu brechen – „oder zumindest die Amplitude kleiner zu halten“.
„Wir sind nicht wieder ganz bei null“, sagt Skupin. „Wir wissen, was wir tun können, wir haben die Infrastruktur für Impfungen und Schnelltests und können das Infektionsgeschehen beeinflussen.“ Zudem würden die Impfstoffe für Omikron adaptiert – und das dauere hoffentlich nur ein paar Monate. Die Frage sei, wie die Bevölkerung reagieren werde. Werden die Menschen vorsichtiger sein? Werden Hygienemaßnahmen eher berücksichtigt, wenn man sich bewusst ist, dass Omikron da ist?
Skupins Ratschläge für die Weihnachtszeit lauten: „Möglichst kleine Gruppen – und testen, testen, testen.“ Gerade, wenn man mit vulnerablen Menschen Weihnachten feiern wolle, sei Testen unerlässlich. „Und überall da, wo man große Gruppen vermeiden kann, ist das sicherlich ein Vorteil.“
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