Erholung in Luxemburg / Wandern ist nicht nur des Müllers Lust
In unserer voll elektronisierten und digitalisierten Welt ist ein Ruhepunkt Sehnsucht vieler Menschen. Einmal weg vom Bildschirm, Tablet oder Smartphone, den Blick weiter schweifen lassen als bis auf die nächste Nachricht, mal nicht ständig erreichbar sein – welch ein Erholungswert. Wandern in der Natur könnte da eine Alternative sein. Dafür interessierte sich auch unsere Korrespondentin Elke Bunge.
Wandern erhält im dritten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts wieder Aufwind. Nach Corona-Lockdown und vielfältigen Beschränkungen, sich in Gesellschaft zu begeben, haben die Menschen wieder die Wälder, Berge und Ebenen für sich entdeckt. Vorteil dieser Freizeitbeschäftigung: Man gönnt sich etwas Gutes für seine Gesundheit, ohne dabei einen großen finanziellen Aufwand treiben oder der neuesten Mode hinterherrennen zu müssen. Denn wir wollen uns mit dem Aufenthalt in der Natur ja entschleunigen und nicht neuem Stress aussetzen. Vernünftig ist, sich für das Wandern gutes Schuhwerk zuzulegen, das unsere Fußgelenke schützt und in dem wir bequem einige Kilometer zurücklegen können. Auch wetterfeste Kleidung ist in unseren Breiten anzuraten. Das wäre es dann auch schon, und so kann’s losgehen.
Luxemburg bietet viele Naturschönheiten, die sich zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad erschließen lassen. Wir haben uns für diesen Beitrag drei repräsentative Routen ausgewählt, in denen wir Naturschönheiten des Nordens, der Mitte und des Südens unseres Landes vorstellen wollen.
Auf alten Fluchtrouten unterwegs
Beginnen wir fast ganz im Norden, in Troisvierges (Ulflingen). Hier führen mehrere Wanderwege grenzüberschreitend nach Belgien. Der Fluchthelferweg, wie die heutige Wanderroute auch genannt wird, ist ein Gedächtnisweg. Er erinnert an das dunkle Kapitel, in der das Großherzogtum von den hitlerdeutschen Truppen besetzt war. Wer politisch auffiel, dem Widerstand angehörte oder sich aus sonst ähnlichen Gründen der Verfolgung von Gestapo und Besatzern entziehen musste, wählte diesen Weg, der südlich von Troisvierges im Dorf Sassel begann, die Stadt umging und schließlich hinter der Eisenbahnlinie in den dichten Biwischer Wäldern den „Kléngelbaach“ nach Belgien überquerte. Wer damals die Maison rouge, das rote Haus, erreichte, war fürs Erste gerettet.
Dieser auch „Sentier des passeurs“ genannte Wanderweg ist in zwei Routen geteilt. Die Südroute, die von Troisvierges über das Kloster Fünfbrunnen (Cinqfontaines) über die Dörfer Sassel und Biwisch zurück in die Stadt führt, ist etwa elf Kilometer lang. Auf der zweiten, nördlich verlaufenden Tour muss man etwa neun Kilometer unter die Füße nehmen. Sie führt über Biwisch, den Grenzbach und die frühere Maison rouge von Norden her nach Troisvierges zurück. Besonderer Höhepunkt ist hier die Aussichtsplattform, von der man einen schönen Ausblick auf die Stadt und Teile des Éislek, des luxemburgischen Teils der Ardennen, hat. Über die Geschichte des Pfades klären sowohl Schautafeln als auch an manchen Punkten Smartphone-Apps auf. Auch können sich Interessierte geführten Wanderungen anschließen. Von Luxemburg-Stadt geht stündlich ein Zug nach Troisvierges, in 70 Minuten hat man das Wanderziel erreicht. Und wer es von hier ganz sportlich haben möchte, kann per Rad die alte Vennbahn-Route befahren, sie führt bis ins 120 Kilometer entlegene Aachen.
Besuch in der Wolfsschlucht
Doch nicht nur im Norden ist unser Land geschichtsträchtig. Mit Echternach finden wir die älteste Luxemburger Stadt. Doch die im Jahr 698 von Willibrord auf dem Grund einer Abtei geschaffene Ansiedlung ist nicht nur die älteste Stadt, sondern auch Mittelpunkt der Luxemburger Kleinen Schweiz. Ähnlich wie in der deutschen Sächsischen Schweiz oder im Böhmischen Paradies finden wir hier bizarre Sandsteingebilde: Hoch aufgetürmte Felsen und steil abfallende Wände. Für Wanderer ebenfalls ein wahres Paradies. Der spektakulärste, wenn auch anspruchsvollste Wanderweg ist der Müllerthal-Trail. Insgesamt ist der Wanderweg über 40 Kilometer lang, man kann ihn aber auch in einzelnen Etappen erwandern und verschiedene Orte wie Berdorf, Echternach oder Müllerthal als Ausgangspunkt nehmen. Und wer sich in Wald und Fels begibt, kann sich in eine Märchenwelt entführt fühlen. Steil geht es zum Beispiel hinunter in die Wollefsschlucht, wo früher Wölfe vor den Jägern Zuflucht suchten. Entlang des Aesbaachs führt der Müllerthal-Trail am Perekop vorbei (ein großer Felsen, der über Leitern zu besteigen ist) bis zur Huel Lee. Aus dieser Höhle wurden früher die Mühlsteine für die Region gebrochen, was noch deutlich an den kreisrunden Ausbuchtungen zu erkennen ist.
Ein anderer Weg führt zum Schéissendëmpel, wo ein Wasserfall in die Tiefe stürzt und ein romantisches Brückchen zum Verweilen einlädt. Fall und Brücke sind auch das Wahrzeichen der Luxemburger Schweiz. Wandert man von Müllerthal in Richtung Consdorf, kann man die faszinierenden Felsformationen Eilebuerg, Goldfralee und Goldkaul bewundern. Hier ist man dann im eigentlichen Tal der Mühlen unterwegs, findet nach den vielen Eindrücken für die Seele in gut ausgestatteten Gasthäusern auch Erfrischung für den Leib. Wer diesen Parcours hinter sich gebracht hat, darf sich jedoch nicht wundern, dass sich neben den Wölfen in der Schlucht abends auch ein anderes „Tierchen“ einstellt, der Muskelkater. Den kann man am besten in einem der familiären Hotels bei echtem Echternacher Bier besänftigen.
Auf den Spuren des Erzes
Bergbau und Hüttenindustrie sind verschwunden, die Natur hat sich die Landschaft wiedergeholt. Südlich unserer Hauptstadt, im Minett-Gebiet um Esch, sind viele einladende Wanderwege entstanden. Der Minetttrail umfasst insgesamt etwa 100 Kilometer, die Wanderungen sind jedoch in leicht zu bewältigende Touren unterteilt. Und neben der Natur gibt es auch vieles über die Luxemburger Industriekultur zu erfahren. So heißt es in Rümelingen: Schutzhelm auf und rein in die Grubenbahn. In 580 Meter Tiefe erklären ehemalige Bergleute, wie hier seit 1870 Eisenerz abgebaut wurde. In 12- bis 14-Stundenschichten mussten Steiger, Bergmänner, Schachtbauer und Schlepper schuften, um das begehrte Erz zu fördern. Zu den Arbeitsbedingungen im Erzbergbau erfährt der Besucher auch Interessantes im Cockerill-Museum in Esch/Alzette.
Wie das Erz weiterverarbeitet wurde, lernt der Besucher im Museum des Industrieparks Belval kennen. Vor mehr als hundert Jahren war Belval mit seinen sechs Hochöfen einer der modernsten Standorte in Europa. Das Minett-Gebiet war auch die Quelle der multikulturellen Gesellschaft des Großherzogtums. Über die industrielle Migration informiert das Dokumentationszentrum in Düdelingen, das dort auf dem früheren Zechengelände untergebracht ist. Und wer von all dieser Information einmal in der Natur verschnaufen möchte, kann dies auf einer Fahrt eines historischen Bergarbeiterzuges im Maschinenpark des Fonds-de-Gras.
Sowohl im Minett als auch bei den anderen Wanderrouten kann man das begehrte Abzeichen und die Urkunde der „Fédération luxembourgeoise de marche populaire“ (FLMP), des Luxemburger Wanderverbandes, erhalten. Und wer sich nicht von selbst auf die Wanderstiefel machen will, die FLMP organisiert auch Gruppenwanderungen. Vom 15. Juli bis 15. August gibt es den „Wander-Summer“ der FLMP, vom 24. bis 28. Juli die „Wanderwoch zu Lëtzebuerg“. Wie auch immer, ob privat oder in der organisierten Gruppe: Wandern verspricht Freude und Erholung.
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