Interview / Wann müssen Kunden und Staat weniger fürs Gas bezahlen?
Seit Mai übernimmt der Staat die Netzkosten, seit Oktober sind die Preise fürs Gas gedeckelt. Dabei sind die Tagespreise für den Energieträger gar nicht mehr so hoch. Wann geben die Versorger die niedrigen Preise weiter? Sudenergie-Direktor Alain Fürpass erklärt, wie die Preise für die Kunden – und damit derzeit auch den Staat – zustande kommen.
Tageblatt: Warum haben Sie im vergangenen Jahr die Preise so drastisch erhöht?
Alain Fürpass: Wir haben unsere Preise zum 1. Januar und zum 1. Februar erhöhen müssen und konnten am 1. März 2022 leicht nach unten korrigieren. Die Krise begann nicht erst mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine, sondern im Spätsommer 2021, bedingt durch das Pokerspiel um die Pipeline Nord Stream 1 und 2 von Russland nach Deutschland sowie dem niedrigen Füllstand der Erdgasspeicher. All das hat sich auf den Handelspreis ausgewirkt.
Was genau waren die Auswirkungen?
Bis Ende August waren die Handelspreise auf 350 Euro pro Megawattstunde hochgeschnellt. Zum Vergleich: Im Sommer des Jahres davor lagen sie bei 25 Euro. Der Kunde hat das alles nicht direkt zu spüren bekommen. Ab 1. Mai 2022 hat der Staat die Netzgebühren beim Gas übernommen. Die Tariferhöhung im Oktober 2022, bei der ein Aufschlag von 120 Prozent kam, wurde vom Gaspreisdeckel abgefangen.
Was bewirkt dieser Deckel konkret?
Es wurde beschlossen, dass der Endkundenpreis im Vergleich zum September 2022 noch 15 Prozent steigen kann – alles, was darüber ist, wird vom Staat übernommen. Das Maximum, das der Haushaltskunde bezahlen muss, sind 83,25 Cent pro Kubikmeter. Ohne Preisdeckel hätten die Kunden ab Oktober 184,35 Euro bezahlen müssen.
Wie sieht das auf der Jahresrechnung aus?
Wir rechnen immer mit einem Musterhaushalt, der 2.700 Kubikmeter Gas im Jahr verbraucht. Dort wären bei den Preisen vom Oktober ohne staatliche Zuschüsse nach einem Jahr insgesamt 5.769 Euro fürs Gas fällig gewesen. Der Gaspreisdeckel und die Übernahme der Netzgebühren reduzieren das in diesem Beispiel um insgesamt 3.020 Euro. Wir haben die Preise aber zum 1. Januar gesenkt, sie betragen ohne Gaspreisdeckel jetzt 165,55 Euro pro Kubikmeter. Die Subventionen lägen in diesem Beispiel dann aufs Jahr gerechnet bei 2.477 Euro.
165,55 Euro sind gerade einmal zehn Prozent. Die Tagespreise an der Gasbörse sind seit Oktober aber wesentlich stärker gefallen. Bereichern sich die Gasversorger etwa an staatlichen Subventionen?
Ich spreche jetzt für Sudenergie – unsere Aktionäre sind bekannterweise 14 Gemeinden, also wenn man es so nimmt, die öffentliche Hand. Unsere Philosophie ist seit jeher, den günstigsten Preis anzubieten, das ändert sich auch nicht mit dem Gaspreisdeckel. Unser Ziel ist weiterhin, möglichst günstig einzukaufen. Natürlich sind die Preise glücklicherweise sehr stark gesunken, aber sie bewegen sich noch immer nicht auf einem Niveau wie vor der Energiekrise. Diese begann wie gesagt im Oktober 2021, nicht erst mit dem Krieg.
Aber wieso geben Sie diese günstigeren Preise denn nicht an die Kunden weiter?
Wir kaufen Gas ja nicht nur nach dem von ihnen genannten Tagespreis ein, sondern auch mittel- und langfristig. Das Ganze ergibt dann einen Verkaufspreis. Ansonsten hätten wir im vergangenen Jahr viel früher und viel drastischer die Preise erhöhen müssen. Wir sind eine Art Puffer zwischen dem Markt und den Endkunden. Dass der Kunde wirklich zu spüren bekommen hat, was an der Gasbörse los war, konnten wir lange abfedern. Aber die Krise hat lange gedauert, und irgendwann mussten wir die Tarife anpassen. Wenn die Preise wieder sinken, geben wir das auch Schritt für Schritt an die Kunden weiter. Im Januar 2023 haben wir bereits die Preise um mehr als zehn Prozent gesenkt und wir planen kurzfristig eine weitere Preissenkung. Aber wir sind immer noch auf einem sehr hohen Niveau, auf dem die staatliche Deckelung greift.
An unserer über Jahrzehnte entstandenen Preispolitik wird sich nichts ändern
Wie funktioniert der Einkauf konkret?
Es gibt sogenannte „Produkte“ –Gas, das für einen gewissen Zeitraum in der Zukunft gekauft wird. Versorger können sich beispielsweise jetzt schon Gas für den kommenden Winter sichern. Dieses „Winterprodukt“ hat ebenfalls einen Preis, der sich täglich ändert. Entsprechend gibt es Produkte für einzelne Monate, Quartale oder Jahre. Alle haben ihren Kurs. Je breiter man sich hinsichtlich dieser Produkte aufstellt, umso weniger ist man sofort den Schwankungen des Marktes ausgesetzt. Umgekehrt schlagen sich günstigere Tagespreise halt nicht sofort auf den Tarif durch. An unserer über Jahrzehnte entstandenen Preispolitik wird sich nichts ändern.
Wieso sind die Tagespreise jetzt so stark gesunken?
Die Temperaturen lagen im Herbst weit über dem Durchschnitt, vor allem im Oktober, im November und im letzten Drittel des Dezembers. An Silvester gab es 15,7 Grad in Luxemburg, fast Frühlingstemperaturen. Und auch im Rest Europas war es warm. Natürlich wurde deshalb weniger Gas verbraucht. Ein weiterer Punkt ist, dass in Europa – sei es von Industrie oder den Haushalten – viel eingespart wurde. Weil viel Wind geweht hat, konnte mit Windkraft viel Strom erzeugt werden und weniger Gas wurde zur Stromherstellung benötigt. All diese Faktoren haben sich positiv auf die großen Gasspeicher ausgewirkt. Ich glaube, europaweit liegen wir bei den Füllständen bei über 80 Prozent. Das bringt einfach Ruhe in den Markt – und in den Preis. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lagen die Füllstände um diese Zeit bei 55 Prozent.
Das heißt, wir haben es überstanden?
Nein, man muss trotzdem vorsichtig sein. Das vergangene Jahr hat uns gezeigt, dass man auf alles gefasst sein muss. Der Markt ist volatil und kann auf alles reagieren, sei es die Sabotage an einer norwegischen Gasleitung, eine Kältewelle oder dass sich der Flüssiggasmarkt wieder in Richtung Asien wendet. Und es kommt auch noch immer Gas aus Russland nach Europa – die Leitungen durch die Ukraine sind noch nicht abgeschaltet.
Wie gut sind wir denn nun fürs kommende Jahr aufgestellt?
Wir stehen viel besser da als vor sechs Monaten. Der Füllstand der Speicher ist sehr hoch, wenn wir mit einem hohen Niveau aus dem Winter rauskämen, würde sich das beruhigend auf den Energiemarkt auswirken. Es wurden auch viele Verträge zur Lieferung von Flüssiggas abgeschlossen und neue Terminals sind betriebsbereit. All das sollte dazu beitragen, dass wir eine gewisse Preis- und Versorgungssicherheit bekommen.
Zur Person
Alain Fürpass (39) ist seit 2016 Direktor von Sudenergie. Bevor er 2013 zu dem Energieunternehmen stieß, arbeitete er in einem Ingenieurbüro in Luxemburg. Fürpass ist Ingenieur und hat an der Uni Luxemburg und an der Technischen Universität Kaiserslautern studiert.
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