Interview / War die „Fouer“ früher schöner? Véronique Faber forscht zur Kirmes in den Sixties
War die „Fouer“ früher schöner? Véronique Faber ist Doktorandin an der Uni Luxemburg und forscht über die „Schueberfouer“ in den langen 1960er-Jahren. Ihr besonderes Interesse gilt der Vernetzung von „Forains“, Organisatoren und Politik. Am Samstag hält Faber einen Vortrag, mit dem Tageblatt sprach sie bereits im Vorfeld.
Tageblatt: Sie forschen zur „Schueberfouer“ in den langen 1960er-Jahren – war sie damals schöner?
Véronique Faber: Das sagen alle, immer. Das hat Gründe. Geht man als Kind auf die Fouer, ist das besonders beeindruckend, mit den ganzen Geräuschen und Gerüchen, den Lichtern, den vielen Menschen. Danach sucht man dann später, und diese Erwartung kann natürlich nicht erfüllt werden. Die Fouer lebt heute noch, weil sie sich ständig verändert. Die Forains sind sehr flexibel, sie wollen Leute auf der Fouer haben, die das Vergnügen suchen, und das muss man als Geschäftsmann, was Forains sind, an die Zeit anpassen.
Was waren die markantesten Anpassungen?
In den 1960ern gab es viele Schaubuden mit Varietékünstlern, Zauberern, Artisten. Man ging auf die Fouer, um sich Menschen mit Besonderheiten anzusehen – eine sehr schwere Frau zum Beispiel oder kleinwüchsige Menschen.
„Fo’er an de Sixties: Vu Boxeren a Fritten“
Der Vortrag von Véronique Faber findet am heutigen Samstag, dem 9. September, statt. Diskutiert wird über alle Facetten der Fouer in den 1960ern. Dieses „Forum Z“ der Zeithistoriker vom C2DH hat die Doktorarbeit zugrunde liegen, an der Véronique Faber an der Uni.lu arbeitet. Los geht es am Samstagmorgen um 9.30 Uhr im Lokal „An der Flesch“ auf der Fouer.
Das war in den 1970ern noch der Fall?
Ende 60er, Anfang 70er verschwand das langsam. Die Menschen wollten dann lieber auf die „manèges“, die Spiele.
Ist das eine Frage der Empfindlichkeiten der Menschen?
Die Sensibilitäten haben sich sicherlich mit der Zeit verändert. Ähnliches ist im Umgang mit Tieren zu beobachten. Anfang der 1970er-Jahre gingen erstmals Tierschützer auf die Fouer, um nach dem Rechten zu schauen. Besonders die Krokodil-Schau stand damals in der Kritik. Aber es gab auch den Goldfisch in der Plastiktüte, die Ponys, auf denen man im Karussell reiten konnte. Das ist zeitgleich mit den „Menschen-Shows“ ausgeklungen.
Also eigentlich eine Anpassung an den Zeitgeist, oder?
Ja, aber viele haben das auch bemängelt. Die Schaubuden zum Beispiel gaben vor ihren Eingängen häppchenweise Teile ihres Programms kostenlos zum Besten, quasi als Teaser – und viele der von mir Interviewten sagen, dass man damals noch auf die Fouer gehen konnte und etwas geboten bekam, ohne dafür Geld auszugeben. Man sieht das auch auf den Fotos, besonders jenen von Paul Aschmann, dass da immer richtige Menschenmassen vor den Zelten standen, um sich diese „Teaser“ anzuschauen.
Waren die Preise auf der Fouer schon immer ein Thema?
Die Fouer war und bleibt eine Ausgabe für die Leute. Ob teuer oder nicht, ist Sache des persönlichen Empfindens. Darüber gesprochen wurde aber immer. Kommentatoren aus hochkulturellen Bereichen machten sich auch oft lustig darüber, dass die Leute ihren „leschte Sou“ auf der Schobermesse ausgeben für einen Spaß, der so flüchtig, so vergänglich ist, von dem man später nichts mehr hat. Auf der Fouer gebe nur Geld aus, wer nicht verstehe, was Kultur ist. Da die Fouer aber auf dem Limpertsberg ist, wurde sie immer auch stark von eher bourgeoisen Kreisen besucht – die Fouer war nie etwas nur für das „niedere“ Volk, es gab immer die verschiedenen Gesellschaftsschichten, die sich hier trafen. Im Diskurs allerdings gab es diese Trennung zur Hochkultur. Das gibt es so nicht oder kaum mehr. Sagen wir mal so: Niemand schreibt mehr ein Gedicht darüber, dass die Schueberfouer keine Hochkultur ist. Aber über die Preise wird weiter diskutiert.
Was ist sonst noch gleichgeblieben?
Die Gastronomie spielte immer eine große Rolle – auch wenn heute anders konsumiert wird. Die Auswahl ist viel größer geworden. Aber in der Essenz ist es noch dasselbe: Die einen kommen für die Attraktionen, andere um etwas zu essen, heute im Restaurant, früher in den Bretterbuden.
Ist die Fouer noch eine Familientradition?
Es immer noch eine Familientradition, auf die Schueberfouer zu gehen, man geht aber nicht mehr unbedingt den „Fouerfësch“ essen. Heute sieht man an den Orten, wo es etwas ruhiger ist – ironischerweise oft bei den Mülleimern – viele Familien, bei denen alle, wie in einer Art Food Court, etwas anderes essen, das Kind vielleicht die Churros, die Mutter einen Burger und der Vater „Gromperekichelcher“ – sie essen demnach nicht in einem Lokal, sondern holen sich einzeln das, was sie wollen. In den Restaurants sitzen dann eher die Familien, die die Großeltern mitgebracht haben – und essen ihren Fisch. Und trotzdem ist es nicht ganz wie früher, auch beim „Fësch“ nicht. Die Tendenz geht mehr zum Filetstück als zum ganzen Fisch. Nicht mehr jeder weiß, wie man sich eines solchen gebackenen Fisches richtig annimmt, der ja eine beträchtliche Größe hat und an dem Kopf und Flossen noch dran sind.
In Ihrer Doktorarbeit untersuchen Sie auch das Zusammenspiel zwischen den Forains, der Stadt Luxemburg und der Politik. Welche Rolle spielt der „Fouermeeschter“ überhaupt noch?
Die Rolle des „Fouermeeschter“ stach immer heraus. Er ist von der Stadt Luxemburg angestellt, aber auch Sprachrohr der Forains. Er spielt demnach als Vertreter beider Seiten eine Zwischenrolle. Was eine riesige Verantwortung bedeutet, aber auch ganz schön viel Macht verleiht. Doch auch das hat sich an die Zeiten angepasst. Heute stellen Prozeduren und die Transparenz in der Verwaltung einen engeren Rahmen. In den 1950ern und 1960ern war der „Fouermeeschter“ noch seine eigene Institution – und das ist nicht negativ gemeint, das hat funktioniert.
In Luxemburg stehen Wahlen an – das merkt man auch auf der Fouer. War Luxemburgs größte Kirmes immer eine politische Arena?
Das hat sich seit den 1960ern entwickelt. Begonnen hat es 1963 mit der 1.000-Jahr-Feier. Da wurde die Schueberfouer erstmals offiziell eröffnet. Das tuckerte erst ein bisschen, doch unter Bürgermeisterin Colette Flesch (DP) kam diese Dynamik richtig auf. Zehn Jahre lang wurde experimentiert, wie man noch mehr Menschen anlocken kann. Besonders in den 1970ern wurde die Fouer als Plattform benutzt, um für eine neue Luxemburger Identität zu werben, für ein weltoffenes Luxemburg, das eingebettet in und verwachsen mit der Region und ihren Menschen ist.
Klingt nach einem idealen Spielfeld für politische Eigenwerbung.
Eine Plattform für Lokalpolitiker war die Fouer damals schon, aber das hat heute andere Dimensionen angenommen. Das Trikoloreband wird heute von Gemeindepolitikern und nationalen Politikern durchschnitten – vergangenes Jahr war es Premier Xavier Bettel, dieses Jahr Finanzministerin Yuriko Backes. Bis Ende der 1970er taten das immer die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister sowie der „Fouermeeschter“ und Vertreter der Forains. Das ergab natürlich ein anderes Bild hinter dem Trikoloreband – das war eher ein: Wir arbeiten zusammen an der Schueberfouer. Was in der Tat der Fall war. Der „Fouermeeschter“ ist auch heute noch dabei. In der ersten Reihe sind aber nur noch Politiker zu sehen. Die Forains stehen in der letzten Reihe.
Am Samstag halten Sie einen Vortrag über Ihre bisherigen Forschungsergebnisse. Was erwartet die Zuhörer?
Mit der Zeitgeschichte geht auch eine neue Rolle für Historiker einher, indem wir andere Stimmen zulassen. Die Zeitzeugen erzählen nicht nur, sondern reden mit. Der Vortrag findet im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des „Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History“ (C2DH) statt, die „Forum Z“ heißt. Die Zuschauer werden einen kleinen Vortrag von mir hören – aber eben auch all die anderen Personen, die mit mir gearbeitet haben und mir geholfen haben, die Fouer in den langen 1960er-Jahren besser zu verstehen. Wir richten uns an die große Öffentlichkeit. Jeder kann mitdiskutieren, Fragen stellen. Kommt vorbei, es lohnt sich, es gibt sicher Neues zu erfahren!
Zur Person: Véronique Faber
Véronique Faber arbeitet am Zentrum für zeitgenössische und digitale Geschichte (C2DH) der Universität Luxemburg. Sie hat einen Master in Sozialanthropologie und Afrikastudien von der Universität Wien und ein Higher Diploma in Arts Administration vom University College Dublin.
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Die „schwere Frau“ habe ich auch damals gesehen und ich erinnere mich noch sehr gut, wie peinlich mir danach beim Verlassen des Zelts meine Neugier war! In einem anderen Zelt war ein abgehackter Kopf eines Menschen, reingepresst in ein mit irgendeiner Flüssigkeit gefülltem Glas zu betrachten – sehr gruselig. Damals zweifelte ich nicht an der Echtheit desselben, denn aus den Poren sah man Haare sprießen und seine Nase war im zu schmalen Glas platt gedrückt – angeblich der letzte Hingerichtete, wenn ich mich noch gut entsinne. Eine Geisterbahn gab’s u.a. auch, durch die man zu Fuß musste.
Dass das unsägliche Pony-Karrussell und der Stand mit den Kuscheltieren abgeschafft wurde, war damals Lydie Polfer zu verdanken.
Bedauerlich, dass heute kaum mehr interessante Haushaltswaren angeboten werden!
Das „Bréidchen“ mit Sauerkraut und Wurst gibt’s noch immer.Das ist die Hauptsache.
Ja, es war besser.
Damals war’s der einzige Platz, wo man die tätowierte Frau gesehen hat, heute stehen 1500 vor einem an der Theke.😀
Und alle von Dilettanten geinkt.
@Trierweiler
Gudd bemierkt.
Ech hat deemols 6 Joer a sin mat mengem Bop op d’Rieserad gaang. Et war richteg en Erliefnis.
Haut as Ballermann etc ugesot.
Deemols huet een Orchester Danzmusek gespillt.
Och d’Iessen war aanescht… A besser… An erschwenglech!!!!
Virun Allem waren d’Leit mei maneierlech ewei haut.
Ech ginn héchstens an den Tivoli, do ass et wéinstens roueg, keng Musek.