Umwelt / Warum eine Begegnung mit dem Wolf ein Naturerlebnis ist – Laurent Schley im Gespräch
Nach langer Abwesenheit fanden in den vergangenen Jahren und Monaten wieder Wölfe ihren Weg nach Luxemburg. Die Sichtung eines Wolfes ist ein ganz besonderes Erlebnis, sagt der beigeordnete Direktor der Naturverwaltung, Dr. Laurent Schley, im Gespräch mit dem Tageblatt.
Einst verteufelt und gejagt, haben Wölfe in den letzten 20 Jahren ihren Weg nach Westeuropa zurückgefunden. Die meisten Menschen sehen ihre Rückkehr gelassen. Die Anwesenheit eines Wolfes in Luxemburg wurde seit 2017 viermal offiziell bestätigt. Zweimal durch genetische Spuren, einmal durch ein sogenanntes Rissgutachten und einmal durch ein Foto, auf dem ein Wolf eindeutig identifiziert werden konnte, erklärt Schley. Seine Behörde sei sehr gründlich und bestätige eine Sichtung nur, wenn es keinen Zweifel gebe.
Oft handele es sich bei Sichtungen nur um Hunde, die für Laien so ähnlich aussehen wie Wölfe. Auch wenn ihm z.B. getötete Rehe oder Schafe gezeigt werden, ist für den geschulten Experten meist schnell klar: Hier war ein Hund am Werk und nicht ein Wolf. Laurent Schley freut sich aber über jeden Hinweis, der seine Behörde erreicht. Besser ein falscher Hinweis als eine verpasste Präsenz, meint er.
Von welcher Population reden wir? In Deutschland gibt es mittlerweile rund 150 Wolfsrudel. In Frankreich sind es rund 100. In Belgien gibt es momentan zwei Rudel. Bei einem davon handelt es sich um ein Pärchen im Hohen Venn, das 2021 erstmals Nachwuchs bekommen hat, erzählt Schley. „Es gibt [in Westeuropa] zwei Populationen. Die eine drückt von Polen und Deutschland her. Die andere aus Frankreich herauf. In Luxemburg haben wir Individuen aus beiden Populationen nachweisen können.“ Tatsächlich wurde zum ersten Mal ein Wolf 2017 im Raum Holzem-Garnich nachgewiesen. Dieser stammte aus einer Population, die in der südfranzösischen Alpenregion beheimatet ist. Der Wolf, der 2020 in Niederanven Schafe gerissen hat, stammte aus der Polnisch-Deutschen Population. In Luxemburg ist jedoch noch kein Rudel ansässig. Bei den Wölfen, die hier nachgewiesen wurden, handelt sich um Einzelgänger, die auf ihren langen Streifzügen durch Europa durch Luxemburg gekommen sind.
Streng geschützt
Wölfe sind sowohl national als auch international streng geschützt. Die Raubtiere übernehmen im Ökosystem eine wichtige Rolle und haben (so Experten) einen positiven Effekt auf die Biodiversität. Die Natur in Luxemburg sei alles andere als natürlich, erklärt Schley. Das Fehlen großer Raubtiere wie den Wölfen sorge dafür, dass Rehe und Wildschweine sich gefahrlos vermehren können, wodurch massive Schäden in unseren Wäldern (durch das Reh) sowie Feldern und Wiesen (durch das Wildschwein) entstünden. Auch eine Bejagung von Reh und Wildschwein könne die natürlichen Beutegreifer nicht wirklich ersetzen. Würden wieder Wölfe in Luxemburg leben, dann würde die Natur eine natürlichere Balance erreichen, erklärt Schley.
Werden die Wölfe Schafe reißen, wenn sie sich hier ansiedeln? Ja, sagt Schley. Die große Masse ihrer Beutetiere bestehe zwar aus Wildtieren, aber: Wölfe sind Raubtiere und wenn sie sich in einer Region ansiedeln, kommt es vor, dass sie auch mal Nutztiere erbeuten. Deshalb müsse den Züchtern mit Kompensationsmaßnahmen und bei der Absicherung ihres Geländes geholfen werden. Manchmal heißt es, Wölfe verfielen in einen Blutrausch und könnten nicht aufhören zu töten, wenn sie einmal damit angefangen haben. Das stimmt so nicht, erklärt Schley. Es käme vor, dass Wölfe mehr töten, als sie fressen. Ein Blutrausch sei dies jedoch nicht, sondern eher der Jagdinstinkt. Wenn es überhaupt Befürchtungen gab, Menschen könnten angegriffen werden, dann haben diese sich nicht bestätigt. Bislang gab es keinen einzigen Zwischenfall in Westeuropa, bei dem ein Wolf einen Menschen verletzt hat.
DNA-Proben
Die Naturverwaltung lässt die DNA-Proben durch das Senckenberg-Institut in Gelnhausen (Deutschland) analysieren. Warum gerade dort? Die Behörde arbeitet – wie viele andere in Europa – schon seit Jahren mit diesem Institut zusammen. Die Tatsache, dass viele Länder in Europa ihre Proben vom Senckenberg-Institut analysieren lassen, bietet den Vorteil, dass immer die gleichen Analysemethoden angewendet werden und die Behörde informiert wird, wenn ein und derselbe Wolf in einem anderen Land nachgewiesen wird. Denn: Eine europaweite Datenbank fehlt noch.
Die überwältigende Mehrheit der Menschen steht einer Rückkehr der Wölfe neutral oder positiv gegenüber, erzählt Schley. Bedenken haben vor allem Züchter. Das sei verständlich, meint Schley. Die Angst von Jägern, die Wölfe würden ihnen ihre Jagdbeute strittig machen, teilt Schley nicht. Schley unterstreicht, dass der luxemburgische Jägerverband FSHCL sich – anders als andere Verbände in Europa – in einem Positionspapier ausdrücklich für die Rückkehr des Wolfes ausgesprochen hat. (Zitat: „Die FSHCL begrüßt diese natürliche Rückkehr des Top-Beutegreifers Wolf grundsätzlich.“)
Bestens vorbereitet
Luxemburg ist bestens auf die Wiederkehr der Wölfe vorbereitet. 2017 wurde in Zusammenarbeit mit allen Akteuren aus den Bereichen Landwirtschaft, Viehzucht, Jagd, etc. ein Wolfmanagementplan (Aktions- und Managementplan für den Umgang mit Wölfen in Luxemburg) ausgearbeitet. Auf der Internetseite des Umweltministeriums finden sich auch zahlreiche Informationen über Wölfe und über ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben. Eine Begegnung mit einem Wolf sei ein „Naturerlebnis“ sagt Schley.
Die Informationsveranstaltungen des Experten sind inzwischen viel gefragt. Nach seinem Vortrag diskutiert er oft noch über Stunden mit den Teilnehmern und stellt dabei immer wieder fest, wie sehr sich die Menschen für das Thema interessieren.
Zu einem solchen Vortrag mit dem Titel „Koexistenz Mensch-Wolf: Realismus oder Utopie?“ laden die Naturverwaltung, das Nationalmuseum für Naturgeschichte und die Gemeindeverwaltung Wintger am 3. März wieder ein. Anlass ist die Wolfssichtung am 11. Januar 2022 in Wintger. Der Vortrag findet online und in luxemburgischer Sprache statt. Einschreiben kann man sich über einen Link auf der Facebookseite der Naturverwaltung („Administration de la nature et des forêts“). Dort finden Sie auch weitere Informationen dazu.
Die gefährlicheren Wölfe in Soutane(Lupus homini) hat Laurent Schley seit Jahren erfolgreich bekämpft. Die vierbeinigen Wölfe (lupus canis)sind sehr viel harmloser und sind ein Segen für die Umwelt. Bravo.
schéin rëm Eppes vun Iech iwwert de Wollef ze liesen
am Moment ass keen an der Geegend ze gesin
eng Frô : liichten dem Wollef seng Aa’ën an der Däichtert?
oder och déi vun de Fiiss?
ëch wär frou dat ze wëssen