Luxemburg / Warum Verstöße gegen das Tierschutzgesetz jetzt leichter gemeldet werden können
Das Anzeigen von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz soll künftig auch per Mail möglich sein. Trotzdem ist in puncto „Protection de la vie, la sécurité et le bien-être des animaux“ noch einiges im Argen.
Tyson ist sichtlich irritiert. Als eine Gruppe von Menschen den Raum betritt, wird er unruhig. Sein Name deutet auf Boxerqualitäten hin.* Aber Tyson ist ein acht Jahre alter American Staffordshire Terrier, der im Tierasyl der „Association pour la protection des animaux Schifflange“ (APAS) lebt, sehr aktiv ist und Katzen nicht besonders mag und sich je nach Sympathie mit anderen Hunden verträgt. Sein Zimmernachbar Ulisses jedenfalls hat ähnliche Eigenschaften und Vorlieben. Nur ist der knapp dreijährige Espagneul Breton um einiges kleiner. Er hat gerade Ausgang mit einem der Tierpfleger.
Das Umfeld, das sich den animalischen Bewohnern des Schifflinger Asyls bietet, könnte nicht besser sein: Geräumige Zimmer für Hunde und Katzen, genügend Auslauf und für Letztere zahlreiche Gelegenheiten zum Klettern. „Ein modernes Ambiente“, schwärmt APAS-Präsident Sasha André. Davon konnten sich Agrarministerin Martine Hansen (CSV) sowie der CSV-Fraktionschef und Schifflinger Schöffe Marc Spautz überzeugen, als André sie zusammen mit einer Gruppe von Journalisten durch das Tierasyl führt.
Anlass für den gestrigen ministeriellen Besuch bei den Vierbeinern war eine Pressekonferenz, die Hansen im benachbarten Boulodrome gab, um eine neue Kontaktmöglichkeit für all jene Bürger vorzustellen, die einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz melden wollen. Zusätzlich zu der Telefon-Hotline 24 78 25 39 steht fortan die Mailadresse help@deier.lu zur Verfügung, um das Tierleid einem ausgebildeten Personal zu melden. Die Einrichtung dieser Kontaktstelle sei Teil der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Maßnahmen zur Gewährleistung des Tierschutzes, heißt es in einer Pressemitteilung.
Anstieg der gemeldeten Fälle
So viel Aufhebens wegen einer Mailadresse? Dass es neben einer telefonischen Kontaktmöglichkeit, um alle Arten von Tiermisshandlung und Verstößen gegen die artgerechte Haltung von Tieren anzuzeigen, noch eine Alternative gibt, sei „extrem wichtig“, erklärt die Ministerin. „Das Tierwohl liegt uns sehr am Herzen.“ Der Regierung dürfte es darum gehen, in diesem Dossier eine eigene Duftmarke zu setzen, nachdem das Tierschutzgesetz unter der blau-rot-grünen Vorvorgängerregierung bereits 2018 reformiert worden war.
Nach den Worten von Martine Hansen war es vor allem wichtig, die Meldung von Verstößen leichter zugänglich zu machen: „Obwohl es schon immer möglich war, eine Anzeige bei unseren Mitarbeitern von der ,Administration luxembourgeoise vétérinaire et alimentaire‘ (ALVA) zu erstatten, wollten wir eine einfache und leicht zu merkende Adresse einrichten. Dies ist auch eine gute Gelegenheit, daran zu erinnern, dass wir keine Form der Misshandlung oder Vernachlässigung unserer Tiere dulden.“ Es dürfe niemand einem Tier etwas zuleide tun und ungestraft davonkommen.
Die Ministerin wies darauf hin, dass die Zahl der Anzeigen bezüglich der Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in den vergangenen Jahren zugenommen hat: Im Jahr 2023 wurden 143 registriert, im Vergleich zu 92 im Jahr zuvor und 98 im Jahr 2021. Am häufigsten waren Hunde davon betroffen (48 Fälle), gefolgt von Rindern (25), Einhufern (18), Katzen (17) und Schafen (14). Jeder Fall wird von den Veterinärinspektoren der ALVA vor Ort überprüft. Wer eine Anzeige telefonisch oder nun auch per Mail erstattet, muss seine vollständigen Daten und die genaue Beschreibung der Situation nennen. Anonyme Klagen werden nicht angenommen. In Notfällen sollte der Bereitschaftsdienst der Tierärzte (Informationen unter Nummer 112 oder auf www.collegeveterinaire.lu), die Tierrettungsgruppe (Nummer 112) oder die Polizei (113) kontaktiert werden.
Einige Beispiele für gültige Beschwerden sind: dauerhaft angebundene Hunde oder Pferde; in zu kleinen Käfigen gehaltene Hunde; das Fehlen von Nahrung und Wasser; hygienische Probleme. Nicht konforme Situationen für eine Beschwerde: Hunde, die zu viel bellen; Hundekot, der nicht von den Besitzern beseitigt wird; Situationen, die Wildtiere betreffen (sie müssen der Natur- und Forstverwaltung gemeldet werden). Die ALVA arbeitet mit der Polizei sowie mit der Staatsanwaltschaft, den Gemeinden und Tierschutzvereinigungen zusammen. Ministerin Hansen hob bei der Pressekonferenz die Bedeutung und wertvolle Arbeit der ehrenamtlichen Helfer im Tierschutz hervor. „Die Tierasyle spielen eine wichtige Rolle, indem sie den betroffenen Tieren eine Zuflucht bieten und helfen, für sie neue Familien zu finden.“ Verstößt ein Tierhalter gegen das Gesetz, erhält er Auflagen, die er innerhalb einer bestimmten Frist einhalten muss. Wenn er sie dann nicht erfüllt, folgen rechtliche Schritte. Den Delinquenten drohen Bußgelder.
Hansen wies darauf hin, dass die Regierung noch Anpassungen am bestehenden Tierschutzgesetz plane, um etwa nicht zuletzt wirksamere Sanktionen verhängen zu können, warte aber auf eine Direktive der Europäischen Union über das Tierwohl. „Wir hoffen, dass die EU-Richtlinie bis Dezember kommt“, so die Ressortleiterin. Die Wochenzeitung woxx hatte vor den Chamber-Wahlen im Oktober 2023 geschrieben: „Die Tierheime platzen aus allen Nähten, Tierschützer*innen klagen über die hohen Kosten, die sie jährlich für die per Gesetz obligatorische Kastration und Sterilisation abgegebener oder streunender Katzen zahlen müssen. Im Tierschutz liegt einiges im Argen, trotz des 2018 reformierten Tierschutzgesetzes.“
Hinter den Stalltüren
Angesichts der überfüllten Tierasyle schlagen Tierschutzorganisationen wie ALPA, Amiavy, APAS und „Een Herz vir Streuner“ immer mal wieder Alarm. Hansen stellt neben den vier Tierheimen des Landes ein weiteres in Aussicht, etwa im Norden, um die bestehenden Einrichtungen (Düdelingen, Esch, Luxemburg-Gasperich und Schifflingen) zu entlasten. Aber das Projekt sei noch längst nicht spruchreif. Die Probleme reichen noch weiter: von der Käfighaltung bis zum Tiertransport – die Bandbreite, die den Tierschutz betrifft, ist riesig, und ein halbes Dutzend Inspektoren, das sich darum kümmern soll, zu wenig. Unter den genannten 143 Fällen, in denen Anzeige erstattet wurde, betrafen nach offiziellen Angaben 81 Haustiere. Doch wie sieht es hinter den Stalltüren bei den 183.562 Rindern und 65.201 Schweinen (Stand 1. Dezember 2023) hierzulande aus? Werden sie alle wirklich vorschriftsmäßig behandelt?
Zumindest scheint eine gewisse Sensibilisierung in der Luxemburger Bevölkerung für das Wohl der Tiere stattgefunden zu haben. Dies kann Caroline Merten bestätigen, beigeordnete Direktorin der ALVA. „Die Menschen machen sich mehr und mehr Gedanken darüber, was sie essen. Luxemburg liegt prozentual an der Spitze, was den Konsum von Biolebensmitteln angeht“, so Merten, „allerdings hinkt die Bioproduktion hinterher.“
„Gerechtigkeit für Tiere“
Die US-Philosophin Martha Nussbaum hat den Tierschutz zum Thema ihrer wissenschaftlichen Arbeit gemacht. In dem Buch „Gerechtigkeit für Tiere“ fordert sie, dass alle Tiere die Chance haben sollen, ein gutes Leben zu führen und ihre Fähigkeiten voll entfalten zu können. Sie nennt „die barbarischen Grausamkeiten der Fleischindustrie, durch Wilderei und Jagd, durch die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung der Luft und der Meere oder die Vernachlässigung von Haustieren, welche die Menschen angeblich lieben“.
Nussbaum spricht von der kollektiven Verantwortung des Menschen. Dass sich manche dem Tierschutz verschrieben haben, reiche bei weitem nicht aus. Um die Rechte der Tiere besser schützen zu können und um ihnen Rechte zuzuerkennen, müssten sie als eigenständige Rechtssubjekte betrachtet werden. Im Sinne von Aristoteles, der allen Lebewesen ein Streben nach Entfaltung ihrer Potenziale zusprach, argumentiert die Philosophin, dass sich die wahre Natur des Menschen erst in seinem Verhältnis zu den Tieren offenbart. Trotzdem würden die meisten Tiere wie Objekte behandelt – „auch wenn sie bei ihren Haustieren manchmal eine Ausnahme machen“.
In Luxemburg bedeutete 2018 das neue „Loi sur la protection des animaux“, einen großen Fortschritt. Die Reform beruht auf der rechtlichen Anerkennung der Würde eines Tieres. Im neuen Gesetz wurde versucht, der veränderten Beziehung zwischen Mensch und Tier gerecht zu werden. Nach der Reform wird das Tier nicht mehr als Sache, sondern als Lebewesen betrachtet. Tierschutz soll demnach nicht nur bedeuten, dass Tiere besser geschützt, sondern auch ihre Würde und ihr Wohlbefinden garantiert werden. Dem Tier wird außerdem Empfindsamkeit zugesprochen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es Gefühle wie auch Schmerz empfinden kann.
Für die Ausarbeitung des Luxemburger Gesetzestextes von 2018 wurden die Stellungnahmen der Tierschutzorganisationen und der Veterinärverwaltung miteinbezogen. Den Tieren stehen neue Rechte zu, die zu ihren Gunsten eingeklagt werden können. Dies beinhaltet nicht zuletzt strengere Sanktionen, um Vergehen gegen das Gesetz zu bestrafen und etwa einem Betrieb die Zulassung zu entziehen beziehungsweise ihn zu schließen. Doch nun bedarf es weiterer Schritte – um die Tiere zu schützen.
* Siehe die beiden Boxer Mike Tyson und Tyson Fury
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