Weinlese / Warum viele Winzer dieses Jahr von einer „Noternte“ sprechen
Bei dem vielen Sonnenschein im Frühjahr war dieses Jahr eine Rekordernte zu erwarten. Der Regen im Juli und vor allem August haben diese Vorstellung jedoch zunichtegemacht. Winzer wie Henri Ruppert sprechen gar von einer „Noternte“.
Bei Henri Ruppert in Schengen muss es jetzt schnell gehen. 14 Erntehelfer sind in den Weinbergen des „Domaine“ unterwegs und ernten, was geht. Bis Mittwoch reist noch mal ein halbes Dutzend Erntehelfer an, um zu verstärken. Der Regen im August war zu viel. Bis dahin sah es noch nach einer Rekordernte aus, denn die ersten Tropfen vom Himmel kamen nach der Hitze gerade recht.
Aber der nachfolgende und vor allem anhaltende Regen hat Probleme bei den Pinot-Trauben verursacht. „So etwas habe ich in meinem Berufsleben noch nicht gesehen“, sagt der 54-jährige Winzer, der 1990 mit dreieinhalb Hektar angefangen hat. Jetzt sind mehrere von den insgesamt 20 Hektar nicht zu gebrauchen und aus der Lese ist eine „Noternte“ geworden, wie Ruppert sagt.
Viele Pinot-Trauben sind aufgeplatzt und Insekten mit exotischen Namen wie „Drosophila suzukii“ (Kirschessigfliege) und die normale Fruchtfliege freuen sich. Sie sind der Kollateraleffekt. Wenn es zu viel regnet, befallen sie die Trauben und produzieren Essig. Rupperts „Cashcow“ und gleichzeitiges Aushängeschild, der hochpreisige Spätburgunder „Ma tache“, wird seinem Namen gerecht. Ruppert wird ihn dieses Jahr nicht produzieren können.
Ausfälle wegen Fäulnis
Die 0,75-Liter-Flasche kostet knapp 50 Euro. Er ist neben dem im Barrique ausgebauten Pinot blanc, die 0,75-Liter-Flasche kostet knapp 28 Euro, eines seiner Markenzeichen. Die Pinot-gris-Trauben sind ein weiteres Sorgenkind. Er hat schon vergangene Woche die ersten Hektare geerntet und versteht so manches nicht. „Auf manchen Weinbergen riecht es schon nach Essig und ich verstehe nicht, dass einige Kollegen noch mit der Lese warten“, sagt er.
Bei ihm ist das Bild das gleiche und verschiedene Parzellen kann er gar nicht oder nur halb ernten. Der Crémant und die Einstiegsweine sind nach seiner Einschätzung nicht in Gefahr. Zwischen 100.000 und 120.000 Liter produziert er durchschnittlich jährlich. Das wird dieses Jahr schwierig. Auf der 42 Kilometer langen Strecke entlang der Mosel, zwischen Schengen und Wasserbillig, werden nach Angaben des Weinbauministeriums im Zehnjahresdurchschnitt jährlich rund 100.000 Hektoliter produziert.
Dass die Weinlese dieses Jahr schwierig wird, bestätigt wenige Kilometer von Rupperts „Domaine“ die Kooperative „Domaine Vinsmoselle“. „Der Aufwand ist dieses Jahr hoch. Die Winzer haben aufgrund der vermehrten Fäulnis große Sortierarbeit vor sich“, sagt Chefkellermeister Bernd Karl vor dem Hintergrund, dass nur gesunde Trauben in den Keller sollen. Bei „Domaine“ beginnt die Lese am heutigen Dienstag. Durchschnittlich hat die „Vinsmoselle“ in den vergangenen Jahren rund 50.000 Hektoliter Wein produziert.
Vorbild Südtirol
Ruppert sieht aber noch andere Gefahren. Der Weinkonsum in Luxemburg ist seit Jahren rückläufig. „Obwohl wir jedes Jahr im Schnitt 10.000 Neubürger aufnehmen, die durchaus Wein trinken“, sagt Ruppert. „Irgendetwas machen wir wohl falsch im Marketing.“ Das „Irgendetwas“ ist in seinen Augen ein falscher Ansatz. „Wir vergleichen uns immer nur mit der Konkurrenz im Billigsektor und haben es vernachlässigt, unsere Weine im Hochpreissegment zu positionieren“, sagt er.
Als Vorzeigebeispiel nennt er die Winzer in Südtirol, die dort ansässigen zwölf Genossenschaften inbegriffen. Das Weinbaugebiet ist nach Angaben der Interessenvertretung Konsortium Südtirol Wein mit aktuell 5.100 Hektar etwas mehr als viermal so groß wie der luxemburgische Anbau mit seinen 1.250 Hektar, heißt es auf Tageblatt-Anfrage. Als „klein und fein“ wird es in Weinmagazinen beschrieben, die meisten Weine haben Herkunftslabel. Das haben die luxemburgischen Weine auch.
Die Südtiroler bestätigen umgehend auf Anfrage, dass es viele Weine gibt, bei denen die Flasche locker 50 Euro und mehr kostet. In der Genossenschaftskellerei St. Michael in Eppan kostet eine 0,75-Liter-Flasche „Appiu“ zwischen 135,00 und 550,00 Euro. Die Weißwein-Cuvée „LR“ der Genossenschaft Schreckbichl mit rund 300 Weinbauern kostet 126,00 Euro. Wie haben die Marketingstrategen den Ruf und vor allem den Preis sogar für Genossenschaftsweine hinbekommen?
Nachwuchsprobleme
„Die Genossenschaften durchlaufen seit den 80er-Jahren eine strenge Qualitätsoffensive“, heißt es auf Anfrage des Tageblatt aus Südtirol. Im Wesentlichen geht es um das, was sich auch der luxemburgische Weinbau auf die Fahnen geschrieben hat: Erträge massiv reduzieren, nachhaltiges Wirtschaften vorantreiben, limitierte Anzahl, beste Lagen und beste Selektionen. „Durch dieses konsequente Bekenntnis zur Qualität ist es gelungen, dass Südtirol sich zu einem Spitzenweinanbaugebiet hochgearbeitet hat. Geschultert wird alles durch die Handarbeit der Weinbauern“, schreibt Eduard Bernhart, Direktor Konsortium Südtirol Wein auf Tageblatt-Anfrage hin.
Außerdem wurden und werden viele Weine aus Südtirol über Jahrzehnte von nationalen und internationalen Weinführern ausgezeichnet, heißt es vom Konsortium. Ruppert führt noch ein anderes Argument ins Feld: „Die Genossenschaftswinzer dort bekommen mehr Geld für die Trauben, die sie abliefern.“ Überprüfen lässt sich das nicht, denn sowohl das Konsortium in Südtirol als auch die „Vinsmoselle“ und das „Institut vini-viticole“ schweigen sich über einen Durchschnittspreis für die Ware ihrer Lieferanten aus.
Ob noch lange so viele Genossenschaftswinzer abliefern, ist allerdings die Frage. Ruppert sieht Nachwuchsprobleme auf die Branche zukommen. „Die Winzer haben jetzt ein gewisses Alter und vielen fehlt ein Nachfolger“, sagt er. „Das Bild der Mosel wird sich in den nächsten Jahren verändern.“ Nachwuchs ist ein Thema. Das bestreitet weder Chefkellermeister Bernd Karl noch Generaldirektor André Mehlen von der „Vinsmoselle“. Rund 200 Winzer liefern derzeit dort ab. Ob es aber wirklich zur Aufgabe von Weinbauflächen kommt, ist die Frage. Denn bei den Weinbauern zeichnet sich der gleiche Trend wie in der Landwirtschaft ab: Die Anzahl der Betriebe sinkt, dafür steigt die Betriebsgröße. Ob Rupperts Voraussage wahr wird, werden die nächsten Jahre zeigen.
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Jaja.Es ist ein Seiltanz das Winzerleben. Frost,Hagel,Regen,Sonne,Sturm,immer lauert die Gefahr am Horizont. Und am Ende gibt’s staatliche Unterstützung oder,es war dann doch nicht so schlimm wie es in der Zeitung stand. In Südfrankreich hat es seit Juni nicht mehr geregnet und wir hatten Temperaturen von 44 Grad.Die Rosinenernte hat auch früh angefangen und die Quantitäten halten sich in Grenzen.Dann braucht Macron nicht soviel Wein zu vernichten nächstes Jahr um die Preise zu halten. Zeit dass die Grünen Tanson und Turmes das Klima ändern.Weltweit versteht sich.
Unternehmerisches Risiko, liebe Winzer, bleibt mit euren gierigen Händen aus dem Steuersäckel.
Niemand BRAUCHT Wein, es geht problemlos ohne, die Franzosen haben mehrere Züge zum Vernichten gebracht, ist genug da für alle.