Ukraine-Krieg / Was der Einsatz westlicher Waffen auf russischem Boden bedeuten würde
Schon bald könnten Beschränkungen fallen, sodass die Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland auch Ziele auf russischem Boden mit westlichen Waffen angreifen könnte. Weswegen das wichtig sein könnte und was es bedeuten würde.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es sehr deutlich gemacht: Aus seiner Sicht sollte die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor mit westlichen Waffen auch Ziele auf russischem Boden angreifen dürfen. Aus anderen verbündeten Staaten wie Deutschland und den USA kommen zögerlichere Signale. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Debatte und zu möglichen Konsequenzen.
Warum nimmt die Debatte derzeit so an Fahrt auf? Die Ukraine wünscht sich schon seit geraumer Zeit, dass sie auf russischen Beschuss von russischem Territorium antworten und zurückfeuern darf. Politische Beschränkungen von Ländern wie Deutschland und den USA untersagen es der Ukraine bislang, die von ihnen gelieferten Waffen auf russischem Boden einzusetzen. Experten verwiesen zuletzt allerdings darauf, dass der Charakter des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sich geändert hat. Genannt werden dabei insbesondere die russischen Angriffe auf die ukrainische Großstadt Charkiw, die zuletzt deutlich intensiver wurden. Zudem meldet die Ukraine größere russische Truppenbewegungen in der Grenzregion, man befürchtet eine Offensive auf die Stadt.
Was macht die Situation in Charkiw so besonders? Charkiw liegt nur etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die russischen Streitkräfte können die Stadt von russischem Territorium unter Beschuss nehmen, etwa mit Raketen, weitreichender Artillerie und Kampfflugzeugen. Da die Ukraine sich an die Beschränkungen ihrer Verbündeten hält und westliche Waffen nicht auf russischem Boden einsetzt, kann sie das Feuer nur bedingt bis gar nicht erwidern.
Um welche Waffen ginge es überhaupt? Was deutsche Waffen betrifft, die bereits an die Ukraine geliefert wurden, hätten beispielsweise die Mars-Raketenwerfer, die Panzerhaubitze 2000 oder die Patriot-Flugabwehrsysteme eine ausreichend große Reichweite, um Ziele hinter der russischen Grenze zu treffen. Inwiefern es militärisch sinnvoll wäre, diese Waffen in der Region tatsächlich so einzusetzen, obliegt aus westlicher Sicht allein der Ukraine.
Was sagen Gegner und Befürworter
Welche Positionen vertreten die Befürworter vom Einsatz westlicher Waffen auf russischem Boden? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gehören zu den lautesten Befürwortern eines Kurswechsels. Auch US-Außenminister Antony Blinken deutete zuletzt mehr Flexibilität beim Einsatz von US-Waffen durch die Ukraine an. Zudem zeigte Tschechiens Außenminister Jan Lipavsky sich offen: Sein Land will der Ukraine über eine neue internationale Initiative bis zu 800.000 Artilleriegranaten zur Verfügung stellen.
Was sagen die Gegner eines Einsatzes westlicher Waffen auf russischem Boden? Bislang standen beispielsweise US-Präsident Joe Biden und der deutsche Kanzler Olaf Scholz auf der Bremse in der Frage. Die Befürchtung: Mit dem Einsatz westlicher Waffen auf russischem Boden wäre ein weiterer Schritt getan, mit dem es Russland leichter fiele, die westlichen Verbündeten der Ukraine als unmittelbar kriegsbeteiligt anzusehen und russische Angriffe unterschiedlicher Art auf NATO-Verbündete wahrscheinlicher zu machen.
Hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Linie geändert? Darüber wird derzeit gerätselt. Während man es beispielsweise in der Union so sieht, will SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner in jüngsten Äußerungen des Kanzlers keinen Kurswechsel erkennen. „Ich erkenne da keine andere Position. Der Kanzler hat in der Pressekonferenz mit Emmanuel Macron eher allgemein geantwortet. Das halte ich auch weiterhin in Sache und Ton für richtig“, sagte Stegner. Scholz hatte am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron auf das Völkerrecht verwiesen. Wörtlich sagte Scholz: „Die Ukraine hat völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie tut.“ Vor einem Jahr hatte er noch gesagt, dass klar sei, dass die von Deutschland gelieferten Waffen nur auf ukrainischem Territorium eingesetzt würden.
NATO-Staaten sehen keine Kriegsbeteiligung
Was sagt das Völkerrecht genau? Artikel 51 der UN-Charta erlaubt es einem angegriffenen Staat, sich gegen den Angreifer auch durch Waffengewalt auf dessen Territorium unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu verteidigen. Das ist eindeutig.
Würden die Verbündeten der Ukraine zu Kriegsparteien beim Einsatz ihrer Waffen auf russischem Boden? Weitgehend unstrittig ist, dass allein der Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium gemäß des Völkerrechts die waffenliefernden Verbündeten nicht zu Kriegsparteien machen würde. Inwieweit Waffenlieferungen an die Ukraine, die Ausbildung von ukrainischen Soldaten oder eine Zielidentifikation für die Ukraine einen westlichen Verbündeten zur Kriegspartei machen, ist völkerrechtlich umstritten. Klar zur Kriegspartei würde man, wenn man Soldaten in der Ukraine einsetzt. Die NATO-Verbündeten weisen eine Kriegsbeteiligung zurück, Russland sieht eine Kriegsbeteiligung westlicher Staaten von Anfang an gegeben. In der jüngsten Debatte droht der Kreml nun wieder mit Konsequenzen. „Dies alles wird natürlich unweigerlich seine Folgen haben“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag und warnte vor Eskalationen – auch mit Atomwaffen.
Wie soll es jetzt weitergehen? An diesem Donnerstag und Freitag kommen die NATO-Außenminister bei einem informellen Treffen in Prag zusammen. Dort wird das Thema intensiv beraten.
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