Editorial / Was der Fall Italien über das Vorgehen des IOC im Fall Russland verrät
Eine Angelegenheit musste Giuseppe Conte noch klären, bevor er beim italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella seinen Rücktritt als Premierminister einreichte. In der letzten Kabinettssitzung am Dienstagvormittag verabschiedete die Regierung noch ein Dekret, das die Unabhängigkeit des italienischen Olympischen Komitees (CONI) gewährleisten beziehungsweise wiederherstellen soll. So soll verhindert werden, dass Italien im Sommer bei den – wenn sie denn stattfinden sollten – Olympischen Spielen in Tokio ohne Fahne und ohne Nationalhymne antreten muss. 2018 hatte die damalige Regierung das Unternehmen „Sport e Salute“ (Sport und Gesundheit) gegründet, welches Aufgaben sowie Personal des CONI übernehmen sollte. Das Internationale Olympische Komitee sah die Autonomie des CONI untergraben. Da die italienische Regierung bis zum Schluss nicht einlenken wollte, drohten Sanktionen von der IOC-Exekutive, die am Mittwoch tagt. Eine Suspendierung des CONI wäre die Folge gewesen und damit hätten Italiens Sportler als unabhängige Athleten bei Olympia auftreten müssen.
Unabhängige Athleten? Da war doch was … Genau, als unabhängige Athleten müssen auch Russlands Sportler an Olympia teilnehmen. Auch hier hatte sich der Staat eingemischt. Er hatte zwar kein Unternehmen gegründet, das dem russischen Olympischen Komitee Konkurrenz machte, sondern hatte durch staatlich orchestriertes Doping dafür gesorgt, dass Russland die Konkurrenz in Schach hält. Nun wurden die Sanktionen gegen Russland zwar vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) ausgesprochen, doch dessen Gründung geht auf das IOC zurück und die Unabhängigkeit des CAS ist ein Thema für sich.
Seit der Aufdeckung des staatlich organisierten Dopings in Russland im Dezember 2014 durch die Dopingredaktion der ARD sind IOC-Präsident Thomas Bach und seine Organisation nicht gerade durch hartes Durchgreifen aufgefallen. An den Sommerspielen in Rio de Janeiro durften russische Athleten unter Auflagen teilnehmen. Als der ohnehin riesige Skandal noch größer wurde, war Russland für die Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang zwar suspendiert, doch die Sportler konnten als neutrale Athleten aus Russland antreten, so wie es jetzt auch für Tokio geplant ist. Im Falle von Italien schien das IOC bereit zu sein, konsequenter aufzutreten. Versucht ein Staat zu betrügen, drückt man schon mal ein Auge zu, vor allem wenn es sich um eine einflussreiche Nation wie Russland handelt. Besteht aber die Gefahr, dass ein Staat versucht, Einfluss auf die Organisation des Sports zu nehmen, dann wird beim IOC scheinbar eine Grenze überschritten.
Sicherlich ist die Untergrabung der Autonomie des Sports bedenklich, wobei man durch die vielen staatlichen Unterstützungen für Olympische Komitees die Grenzen dieser Autonomie infrage stellen kann. Italien hat nun in letzter Sekunde eingelenkt, allerdings sagt die Strafe, die für das CONI im Raum stand, einiges über das Vorgehen des IOC im Fall Russland aus. Ein Vorgehen, das an Hypokrisie kaum zu überbieten ist.
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Dem IOC sind die Finanzen wichtiger als der Sport. Letzterer hat eine Alibi- Funktion und wird missbraucht damit die korrupten Mitglieder des obersten Gremiums sich eine goldene Nase verdienen.
Das ganze Nationengetue und damit die Politik sollten aus Olympia verschwinden. Die Medaillen werden an Sportler nicht an Nationen vergeben. Es ist völlig unwichtig zu wissen, ob die USA, Russland, China oder Jamaika diese oder jene Medaille und wie viele davon errungen haben.
IOC, e Club vun deene räiche Sportsfunktionären, mat Sëtz zu Lausanne. Dat seet genuch.