Digitalisierung / Musik, Bücher, Fotos: Was die Boomer noch in der Hand hatten, ist heute entmaterialisiert
Eine ganze Menge von Dingen, die wir früher als reale Gegenstände in der Hand gehalten haben, existieren heute in digitaler Form. Diese Veränderung betrifft unaufhaltsam einen immer größeren Teil unserer Lebenswelt. Die Entwicklung verlief nicht immer ohne Widerstände, wird aber auch in Zukunft weitergehen.
Es ist noch nicht lange her, da hatten Telefone noch Wählscheiben und Musik war in eine Kunststoffscheibe eingraviert. Gelernt wurde mit Fibel und Tafel und wer eine ganz spezifische Information haben wollte, der musste sich durch dunkle Korridore einer Bibliothek graben.
In den letzten 30 Jahren hat der digitale Wandel Einzug gehalten. Vieles von dem, was früher ein physischer Gegenstand war, ein Ding, ist heute nur noch in digitaler Form vorhanden. Die Dinge wurden entmaterialisiert. Nicht selten sind das Gegenstände, von denen früher nur die wenigsten Menschen sich hätten träumen lassen, dass sie jemals aus den Schubladen verschwinden würden. Und auch in Zukunft wird der technologische Wandel Veränderungen mit sich bringen, an die heute noch keiner denkt. Deshalb kann es interessant sein, sich einige der Veränderungen der letzten Jahre in Erinnerung zu rufen. Eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Telefonbuch: Wer vor nicht allzu langer Zeit eine Telefonnummer finden wollte, nahm früher ein Telefonbuch zur Hand. Die dicken Schmöker gab es regelmäßig in neuer Auflage im Postamt. Mitte der 90er Jahre wurden auch in Europa zum ersten Mal Telefonbücher auf CD-Rom angeboten. 1996 stellte die Deutsche Telekom auf der Computermesse Cebit eine Scheibe mit den Rufnummern von 32 Millionen Telefonkunden zum Preis von 29,50 DM vor. Zuvor war das Verzeichnis nur auf drei CD-Roms zu einem Preis von anfangs knapp 1.000 DM erhältlich, wie die Welt berichtete. Auch erste Bedenken kamen auf. Kritiker sahen in der CD-Rom eine Gefahr für die Privatsphäre. Heute ist die Technik sogar noch einen Schritt weiter. Alle gelisteten Telefonnummern lassen sich ganz einfach und umsonst im Internet finden. Das alte Telefonbuch hat, in vielen Haushalten, ausgedient und wird bestenfalls noch dann vermisst, wenn es darum geht, Herbstlaub zu pressen und zu trocknen.
Bücher: Auch vor Büchern hat die Digitalisierung nicht haltgemacht. Allerdings konnte sie Bücher nicht komplett verschwinden lassen. Viele Menschen ziehen immer noch Bücher aus Papier ihrer digitalen Version vor. Print-Bücher und E-Books existieren heute nebeneinander und haben ihr jeweiliges Zielpublikum. Für Luxemburg war diese Umstellung besonders interessant. Da mit Amazon ein großer Anbieter von E-Books seinen Europasitz hierzulande hat, konnte Luxemburg von der Mehrwertsteuer darauf profitieren. Die damalige Regierung, darunter Finanzminister Luc Frieden, bestand darauf, dass E-Books wie Bücher auch zu einem reduzierten Mehrwertsteuersatz angeboten werden müssen. Der Europäische Gerichtshof entschied 2015 anders. Er verwies auf Gesetzestexte, laut denen nur „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ zum reduzierten Mehrwertsteuersatz angeboten werden dürfen, nicht aber „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“.
Von der illegalen Tauschbörse zum Geschäftsmodell
Musik: Ein ähnliches Schicksal wie Bücher erlebte die Musik. Schallplatten stehen zwar noch bei Musikliebhabern im Regal, Kassetten sind allerdings zur Kuriosität geworden. Unter dem Ach und Weh der Musikverlage fanden Musikstücke ihren Weg vom CD-Album in die illegalen Tauschbörsen im Internet. Die Entscheidung, ob und wann eine Digitalisierung der Branche stattfinden sollte, wurde den Verlagen abgenommen. Während einige Untergangspropheten aus der Branche das Ende der kommerziellen Musik am Horizont sahen, ließen sich einige auf den Trend ein und versuchten, ihn für sich zu nutzen. Darunter auch der 2001 gestartete Musikdienst iTunes vom iPhone-Hersteller Apple, der Musikplattformen populär gemacht hat. Viele Nutzer waren bereit, die Illegalität zu verlassen und ihre Musik bei solchen Plattformen einzukaufen und herunterzuladen. Heute sind vor allem Streaming-Dienste wie Spotify bei Musikliebhabern beliebt, bei denen sie riesige Bibliotheken von Musik durchsuchen und sofort abspielen können.
Wissenschaftliche Publikationen: Mit der Digitalisierung von Büchern sind auch wissenschaftliche Publikationen ins Internet gewandert. Artikel in Fachzeitschriften, sogenannte Papers, sind heute generell im Internet verfügbar. Das spart viel Zeit. Kein lästiger Gang mehr ins Archiv einer Uni-Bibliothek, um dort ein verstaubtes Heft rauszukramen. Keine Bestellungen mehr bei anderen Bibliotheken, nur um herauszufinden, dass der Artikel doch nicht relevant für die eigene Recherche ist. Das Problem: Die Papers sind oft nur gegen einen relativ hohen Preis erhältlich. Aktivisten wie der Chef des Luxemburger „Fonds national de la recherche“ (FNR) Marc Schiltz wehren sich gegen diese Praxis. Ihr Argument: Die Forschung wird oft mit Steuergeldern finanziert und an Universitäten durchgeführt. Bürger und Uni-Bibliotheken sollten freien Zugang zu den Artikeln haben. Stattdessen beanspruchen viele Wissenschaftsverlage die Früchte dieser Arbeit für sich.
Videos: Einen bemerkenswerten Wandel hat die Art und Weise, wie Menschen Filme konsumieren, erlebt. Vor noch nicht allzu langer Zeit waren die einzigen Möglichkeiten, einen Film anzusehen, das Kino und das Fernsehen. Der erste Videorecorder für den Hausgebrauch kam 1963 in Großbritannien auf den Markt. Die Videokassette dominierte die 80er und 90er Jahre und verschwand, um von der DVD abgelöst zu werden. Heute konsumieren die meisten Menschen Filme und Serien aus dem Angebot von Streaming-Diensten wie Netflix. In ihren Online-Videotheken kann unter Tausenden Filmen und Folgen ausgewählt werden. Binnen Sekunden steht das gewünschte Programm zu jeder Zeit bereit. Diese Video-on-Demand-Dienste sind mittlerweile so beliebt, dass sie dem französischen Thinktank „The Shift Project“ zufolge 20,4 Prozent des gesamten globalen Datentransfers ausmachen.
Fotos: Mit ihrem Hit „Du hast den Farbfilm vergessen“ würde Nina Hagen heute wohl weniger Erfolg haben als 1991. Filme, egal ob in Farbe oder Schwarz-Weiß, spielen heute im Alltag der meisten Menschen kaum mehr eine Rolle, auch wenn einige Künstler und Liebhaber darauf schwören. Mit der Digitalkamera gab es plötzlich die Möglichkeit, kostengünstig und ohne Aufwand eine Unmenge an Fotos zu schießen und sie zu betrachten, ohne sie entwickeln zu lassen. Der Boom der Smartphones tat sein Übriges dazu. Heute trägt so gut wie jeder Mensch eine ganz passable Kamera, als Teil seines Handys, in der Hosentasche herum. Bilder können in Sekundenschnelle geändert, gelöscht und geteilt werden. Ein Fotoalbum mit eingeklebten Fotos auf Hochglanzpapier haben heute nur noch die wenigsten jüngeren Semester– und wenn dann in Form eines Fotobuches, das sie aus digitalen Fotos zusammengestellt und im Internet bestellt haben.
Lernen: Seit es das Internet gibt, wird es als Füllhorn an Wissen beworben. Eine glatte Übertreibung, wenn man bedenkt, dass es zum Großteil aus Fernsehserien, Katzenbildern und Pornos besteht. Doch besonders in den letzten Jahren haben sich im Internet einige Dienste entwickelt, mit denen Menschen selbstständig und im eigenen Tempo lernen können – oft ganz ohne Lehrer. Inzwischen lernen Tausende Menschen mit E-Learning-Plattformen eine neue Sprache oder nehmen Kurse in allen möglichen Bereichen von Kochen bis zu Programmieren. Auch die Schulen sind vom digitalen Wandel erfasst. In Luxemburg wurden Tablet-Computer eingeführt; Arbeitsmaterial und Bücher liegen nun teilweise in rein digitaler Form vor.
Diese Entwicklung wird sich in Zukunft fortsetzen. Doch die sachliche Welt macht keine Anstalten, komplett zu verschwinden, wie das Beispiel Bücher deutlich zeigt. Fotofilme erleben gerade ein Revival. Viele Menschen haben die Schnelllebigkeit satt und kaufen wieder analoge Kameras und Filme. Das trifft aber nicht auf alles zu. Dass das Telefonbuch irgendwann sein Comeback feiern wird, wäre dann doch eine Überraschung.
‚Viele Menschen ziehen immer noch Bücher aus Papier ihrer digitalen Version vor.‘
Das sind sie sogenannten ‚alten‘ Menschen. Wir bevorzugen Bücher die in Sekunden auf unserem Kindle sind, wo wir die Schrift und die Schriftgröße einstellen können und die eine Suchfunktion haben und wenn ein Wort unbekannt ist kann man sie im Lexikon, Wörterbuch oder Wikipedia nachschlagen, mit einem einfachen Fingerdruck.
PS.
Außerdem haben da nicht schon fremde Leute drin geblättert und sich womöglich zuerst den Daumen abgeleckt, in Corona-Zeiten ein unschätzbarer Vorteil.
@Joelle: Rezente Studien haben bewiesen, dass Menschen die noch die Handschrift der digitalen Schreibweise bevorzugen , die Bücher noch in der traditionellen Buchweise lesen, die Wörter, Sätze innerlich anders visualisieren und das geschriebene, gelernte Wort , Satz, Sprache sich in unserem Unterbewusstsein festigt, wobei das digital Aufgenommene , schnell verarbeitet wird, sich nach einiger Zeit verflüssigt und nur Bruchteile des Gelesenen , Geschriebenen noch vorhanden sind.Der digitale Fervent lebt in einer Welt , wo alles Mögliche auf eine App reduziert wird, das Wesentliche des Lebens sich auf ein Minimum an menschlicher Intelligenz beschränkt , er sich , sein Denken, seine Handlungsweise von der digitalen Technik diktieren lässt. „ Mat enger App kann een d‘ Bauzen un den Trach féieren. Nemmen net unstrengen an nodenken. »
@J.Scholer
@Joelle: Rezente Studien haben bewiesen, dass Menschen die noch die Handschrift der digitalen Schreibweise bevorzugen , die Bücher noch in der traditionellen Buchweise lesen, die Wörter, Sätze innerlich anders visualisieren …“
Ja, ja wir wissen Bescheid. Leute die Logarithmentafeln auswendig wissen, einen Rechenschieber bedienen können und 20 stellige Ziffern im Kopf dividieren können sind die besseren Menschen.
Alle beide.
@Joelle: Ich stelle mir meine Fragen , wenn ich feststelle, dass viele Abiturienten ohne elektronische Übersetzungs-, Korrekturprogramme keinen Text zustande bringen. Ebenso verhält es sich mit den Rechenkünsten , wobei Prozent- oder Dreierrechnung ein Ding der Unmöglichkeit für den digital verseuchten Auszubildenden sind und funktioniert die digitale Registrierkasse nicht, werden Addition, Subtraktion zur Tortur, zum Glücksspiel für Kassiererin wie Kunden.Natürlich die Regel bestätigt die Ausnahme, aber immer seltener.
@J.Scholer
„@Joelle: Ich stelle mir meine Fragen , wenn ich feststelle, dass viele Abiturienten ohne elektronische Übersetzungs-, Korrekturprogramme keinen Text zustande bringen. “
Die Texte werden dadurch besser als vorher, was ist daran auszusetzen?
Ich nehme an, Sie waren auch besorgt als man anfing in der Schule Schiefertafel und Griffel abzuschaffen und allen Ernstes begonnen hat Taschenrechner zu erlauben.
Jede Generation benutzt die Utensilien die ihr zu Verfügung stehen.
Bloß weil die Jugend von heute nicht imstande ist eine Telefonkabine mit Wählscheibe zu bedienen, geht die Zivilisation nicht unter.
Auch nicht wenn sie keine Schönschrift mir Redisfeder und Tusche aufs Blatt bringen können, einen Rechenschieber bedienen oder Trigonometrie im Kopf ausrechnen können.
Die Dame die die Flugbahn für Mondfahrt auf einem Blatt Papier ausgerechnet hat, Katherine Johnson, ist übrigens mit 101 Jahren vor ein paar Tagen verstorben.
Bei allem Respekt, heute hat man auch dafür andere Methoden.