Neues Schuljahr / Was die Schüler bei der „Rentrée“ erwartet
Heute fängt ein neues Schuljahr an. Die „Rentrée“ 2020/21 steht im Zeichen des Covid-19-Virus und soll trotzdem, wie es das Bildungsministerium nennt, so normal wie möglich an den Start gehen. Dazu wurden eine ganze Reihe von sanitären Maßnahmen beschlossen, die jedoch nicht jedermanns Geschmack treffen. Wir haben uns mit verschiedenen Akteuren des Bildungs- und Gesundheitswesens unterhalten.
Am heutigen 15. September werden die Grundschulen in ihrer vollen Kapazität das neue Schuljahr angehen. In den Lyzeen gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. In einigen Schulen finden an diesem Tag lediglich Nachexamen statt. An anderen kommen nur die 7e-Klassen zur Schule. Pädagogisch steht das neue Schuljahr im Zeichen der Digitalisierung. Im Zyklus 4 der Grundschule wird das Coding eingeführt.
Alain Massen, Präsident der Nationalen Elternvertretung, sagt gegenüber dem Tageblatt, dass er allgemein zufrieden sei, dass nun ein kohärenter Plan in Form eines Stufenmodells auf dem Tisch liege. Den Vorschlag dazu hatte die Elternvertretung dem Bildungsminister bei einer Unterredung Anfang August gemacht. Letzterer nahm sie in seine Pläne auf. Patrick Arendt, Präsident der Lehrergewerkschaft SEW/OGBL, bemängelt gegenüber dem Tageblatt den Austausch mit Bildungsminister Claude Meisch. Trotz ausreichend großer Räumlichkeiten im Bildungsministerium habe Meisch im Vorfeld der „Rentrée“ darauf bestanden, den Austausch per Videokonferenz zu organisieren. Dies würde den Minister sehr gut arrangieren, da der Austausch im Stream begrenzt sei, sagt Arendt. „In der Videokonferenz spricht immer nur einer und die anderen hören zu.“ Bei einem nicht digitalen Austausch könne auch mal heftig diskutiert werden, was im Sinne der Gewerkschafter sei.
Wenn Kinder den ganzen Tag damit konfrontiert werden, jemandem nicht zu nahezukommen und niemanden anfassen zu dürfen, dann wirkt sich das auf ihre Psyche ausPräsident der Nationalen Elternvertretung
Massen beharrt auf einen Punkt, der ihm sehr wichtig ist: „Kinder und Jugendliche müssen lernen, dass es ein Risiko gibt. Denn totale Kontrolle oder Absicherung gibt es nicht.“ Wenn keine Normalität in die Schulen zurückkehre, werde die soziale Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen immer mehr gefährdet, sagt der Präsident der Elternvertretung, der von Beruf Psychotherapeut ist. „Wenn Kinder den ganzen Tag damit konfrontiert werden, jemandem nicht zu nahezukommen und niemanden anfassen zu dürfen, dann wirkt sich das auf ihre Psyche aus.“
Arendt übt Kritik am Vorhaben der Digitalisierung aus. Es gebe einen Trend, der besagt, dass Digitalisierung toll sei. „Schulen mit Computern auszustatten, besonders auf dem Niveau der Grundschulen, bringt uns nicht direkt weiter“, findet er. Das Coding gehe seiner Meinung nach eher in die Richtung, den Schülern algorithmisches Denken beizubringen. „Das ist komplett überbewertet. Unser Hauptproblem ist das Lesen- und Schreibenlernen. Dagegen ist das Coding wie eine Nebelkerze.“ Dies könne man eventuell im Mathematikunterricht unterbringen. Dieses Jahr wird es allerdings als eigenes Fach angeboten.
Nicht alles wie früher
Arendt stößt sich auch daran, dass gerade in dieser Periode, in dem es einen Lehrkräftemangel gibt, Lehrer aus dem Unterricht abgezogen werden, um als spezialisierte Kräfte bei der Digitalisierung anderen Lehrern beizustehen. Es habe zwar externe Stellenausschreibungen für die 15 gesuchten Spezialisten gegeben, am Ende wurden die Stellen aber praktisch nur intern vergeben. Diese Lehrkräfte würden nun durch nicht-diplomierte in den Schulen ersetzt. Dies sei nicht hinnehmbar.
Zu den wichtigsten Neuerungen gehört in diesem Schuljahr die Aufhebung des Splittings. Klassen werden sowohl in den Grund- als auch in den Sekundarschulen in normaler Größe funktionieren. Auch sind die Schulzeiten und das Lernprogramm wieder so, wie sie es vor dem Lockdown waren. Alles wieder wie früher? Nicht ganz.
Eingezeichnete Laufrichtungen in den Schulgebäuden wurden beibehalten und jeder Schüler bekommt einen Sitzplatz zugeordnet, der nicht gewechselt werden kann. Schüler, die älter als sechs Jahre sind, müssen auf dem Schulweg, auf dem Schulgelände und innerhalb des Gebäudes stets eine Maske tragen. Nur wenn sie im Klassensaal sitzen, dürfen sie diese ausziehen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Lyzeen können ab diesem Schuljahr selber entscheiden, ob es eine Maskenpflicht innerhalb der Klasse gibt oder nicht. In der Grundschule dürfen die Kinder ihre Maske auch während der Pause im Schulhof ausziehen.
Dies ist das sogenannte Stufenmodell, wie es das Bildungsministerium nennt. Verschlimmert sich die Situation innerhalb eines „Lycée“ oder in einer Klasse, können strengere Maßnahmen durch die Direktion beschlossen werden. Letztere können aber auch von Anfang an getroffen werden, wenn die Direktion dies für notwendig hält. Die üblichen Hygienemaßnahmen und das Social Distancing sind außerhalb einer Klasse stets anzuwenden.
Mit Maske schütze ich zuerst die anderen
Der Vorschlag, jeden Tag vor dem Beginn des Unterrichts bei allen Schülern das Fieber zu messen, wurde vom Gesundheitsministerium verworfen. Jean-Claude Schmit, Direktor der „Santé“, sagt gegenüber dem Tageblatt: „Es ist eine Methode, die nicht zuverlässig ist.“ Einerseits könnten Kinder im Winter aus unterschiedlichen Gründen Fieber haben, andererseits könne man Covid-19 haben und kein Fieber feststellen. Dennoch habe mindestens eine private Schule beschlossen, dies einzuführen. „Wir können das nicht verhindern und wir wollen es auch nicht. Wir finden das aber keine sehr gute Idee.“
Lange gab es Unklarheiten zum Schutz durch Masken. Auch haben nicht alle Masken den gleichen Schutzfaktor. Wie aber sieht es mit den Buffs aus, die das Bildungsministerium an die Schüler verteilt? „Heute wissen wir mehr als am Anfang der Pandemie“, sagt Schmit. Er weist darauf hin, dass man eine Maske anziehe, nicht um sich selber, sondern um andere dadurch zu schützen. Dadurch vermeide man, dass beim Husten oder Niesen das Virus ungehindert in die Luft gelange. „Wenn jeder in einer Gruppe eine Maske anhat, schützt einer den anderen.“
Da können wir in puncto Sicherheit eigentlich keine definitive Aussage machen, weil jeder Buff und jede selbst genähte Maske unterschiedlich istDirektor der „Santé“
Schmit bestätigt, dass Masken unterschiedliche Qualitäten haben. Es gebe die Masken, die in den Kliniken benutzt werden, sowie die sogenannten chirurgischen Masken. Beide Varianten haben laut Schmit eine gewisse Effizienz, die auch getestet wurde. Daneben gebe es alle anderen Modelle, die selbst genähten und die Buffs, die in den Schulen verteilt werden. „Da können wir in puncto Sicherheit eigentlich keine definitive Aussage machen, weil jeder Buff und jede selbst genähte Maske unterschiedlich ist“. Die Filterfunktion könne sehr stark variieren. Man könne schließlich nicht alle Buffs und jede selbst genähte Maske testen lassen. Dennoch sei man überzeugt, dass auch diese Modelle eine Wirkung haben. „Wenn man auf Nummer sicher gehen möchte, dann nimmt man ein Produkt, das standardisiert und kontrolliert ist, wie die chirurgische Maske“, so der Direktor der „Santé“. Die Buffs, die das Ministerium in den Schulen verteilt, sind stets die gleichen und unterscheiden sich lediglich durch unterschiedliche Farben. Vermutlich sind sie vom gleichen Hersteller. Hier stellt sich allerdings die Frage, wieso diese nicht getestet wurden, da es sich ja um einheitliche Masken handelt.
Den Nutzen, den wir hätten beitragen können, wäre jener gewesen, wie und ob wir dies in die Praxis umsetzen könnenPräsident der Lehrergewerkschaft SEW/OGBL
Die Pausen sollen versetzt stattfinden. Diese Vorgabe sowie hundert andere Details seien schwierig umzusetzen, sagt Patrick Arendt. „Wir wissen nicht, wie wir es machen sollen.“ Auf Nachfrage beim Ministerium habe man keine Antwort bekommen. „Den Nutzen, den wir hätten beitragen können, wäre jener gewesen, wie und ob wir dies in die Praxis umsetzen können“, sagt Arendt. Die Einführung versetzter Pausen habe im vergangenen Schuljahr geklappt, als alle Schüler stets in ihrer Klasse waren. Doch jetzt, wo die Schüler zum Schwimmunterricht gefahren werden, Sportstunden haben und wieder andere Lehrer in die Klasse kommen, sei dies schlicht nicht umsetzbar.
Schülertransport ist ein Problem
Ab diesem Jahr dürfen außerschulische Aktivitäten, Optionsunterricht sowie pädagogische Ausflüge (nur innerhalb Luxemburgs) wieder stattfinden, sofern ausreichende sanitäre Maßnahmen befolgt werden. Auch Schwimmunterricht sowie Sportstunden, die nach dem Lockdown aussetzen mussten, werden ab heute wieder zum Stundenplan gehören. Bis zu Beginn des jeweiligen Kurses besteht Maskenpflicht. Auch die Schulkantinen, die im vergangenen Jahr schließen mussten, dürfen wieder Essen ausgeben – allerdings nicht mehr in der üblichen Form der Selbstbedienung oder eines Buffets, sondern mit Bedienung am Tisch, wie in einem normalen Restaurant. Bis die Schüler an ihrem Essplatz sitzen, müssen sie den Mundnasenschutz anhaben. Maximal zehn Schüler dürfen hier an einem Tisch sitzen. Vor und nach dem Essen müssen die Hände gewaschen werden. In den Lyzeen wurde parallel zur Schulkantine die Ausgabe einer „Frupstut“ beibehalten. Diese kann im Klassenzimmer verzehrt werden.
Der Schülertransport funktioniert wie vor dem Lockdown. Mit einem Unterschied: Im Bus herrscht Maskenpflicht. Schülerbusse sind meist bis zum Bersten vollgestopft. Distanzierung ist hier somit nicht möglich. Dies ist auch ein Punkt, den Alain Massen kritisiert: „Da wurde bislang keine Lösung gefunden.“ Er zeigt dennoch Verständnis, weil es offenbar einfach keine vertretbare Lösung gibt. Busse könnten eventuell zeitversetzt fahren. Dazu müsste aber wohl der Bestand an Bussen drastisch erhöht werden. Der Präsident der Nationalen Elternvertretung nennt dies einen schwachen Punkt bei den ganzen Maßnahmen.
Lehrer, die zur Risikogruppe gehören, können in Absprache mit der Direktion (Lyzeum) oder dem Regionaldirektor (Grundschule) ihren Unterricht unter einer anderen Form geben. Vulnerable Schüler werden wie bislang über Distanzunterricht beschult. Bei Bedarf kann diesen Schülern informatisches Material zur Verfügung gestellt werden. Die Betreuung von Schülern mit besonderen Bedürfnissen sowie jener in den Kompetenzzentren soll unter den Bedingungen stattfinden, wie sie vor dem Lockdown üblich waren. In den Kompetenzzentren sollen Maßnahmen von Fall zu Fall getroffen werden.
Vulnerable Schüler sollten nicht zu Hause bleiben
Alain Massen sagt, dass es nicht sein kann, dass vulnerable Schüler das ganze Jahr nicht in die Schule gehen können. „Da muss man andere Maßnahmen ausarbeiten, bei denen das Kind trotzdem in die Schule gehen kann und gleichzeitig geschützt ist.“ Vielleicht könne man diesen Kindern Masken mit höherer Sicherheit, beispielsweise FFP2-Masken, zur Verfügung stellen oder sie in einer größeren Distanz zu den anderen Schülern setzen.
Ist ein Schüler oder Lehrer krank, soll er nicht in die Schule gehen. Weist er während des Unterrichts Symptome auf, wird er dazu aufgefordert, die Schule zu verlassen und einen Arzt aufzusuchen. Im Prinzip gilt die Regel, dass ein Schüler nicht in die Schule gehen sollte, wenn er mindestens eines der folgenden schweren Symptome aufweist: Fieber, Husten, Atembeschwerden, Thorax-Schmerzen, Geschmacks- und Geruchsverlust. Oder wenn er mindestens zwei leichtere Symptome aufweist: Muskelschmerzen, Müdigkeit, Nasenschleimhautentzündung, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Durchfall.
Wird ein Schüler oder eine ganze Klasse in Quarantäne gesetzt, wird den Schülern und Lehrern das nötige informatische Material zur Verfügung gestellt, um einen Distanzunterricht zu gewährleisten. Das didaktische Material können sie der Plattform schouldoheem.lu entnehmen.
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