Affenpocken / Was genau sind eigentlich Pocken? Dermatologe Markus Ollert vom LIH über die Pusteln und Behandlungsmethoden
Mittlerweile gibt es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 200 bestätigte Fälle von Affenpocken außerhalb des üblichen Verbreitungsraumes. Ein typisches Symptom für die Affenpocken sind Pusteln, die am ganzen Körper auftreten können. Das Tageblatt hat mit dem Dermatologen Prof. Dr. Markus Ollert über die Hautveränderungen und mögliche Behandlungen gesprochen. Er ist überzeugt: Auf die Affenpocken ist man gut vorbereitet.
Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen – fast könnte man es mit einer einsetzenden Grippe verwechseln. Wären da nicht die kleinen Pusteln, die den Körper von Kopf bis Fuß bedecken. Die kleinen Läsionen an der Haut sind das typische Zeichen für die Affenpocken. Die Krankheit grassiert seit einigen Wochen auch in mehreren europäischen Ländern.
„Die Affenpocken verhalten sich ähnlich wie andere Pocken, etwa die beim Menschen auftretenden Windpocken“, erklärt der Dermatologe Prof. Dr. Markus Ollert vom Luxembourg Institute of Health (LIH). Es fange mit einem Juckreiz an. Dann würden sich Knötchen unter der Haut bilden. „Als Dermatologe spricht man von Papeln.“ Daraufhin bildeten sich dann kleine Bläschen, sogenannte Vesikel, die mit einer durchsichtigen, serösen Flüssigkeit gefüllt sind. „Wenn Zellen einwandern und es eine Infektion der Haut gibt, kann das Bläschen auch trüb werden“, sagt der Experte.
Diese Flüssigkeit sei auch infektiös und ein Anzeichen für die Immunantwort des Körpers. „Tatsächlich kann man sich an einem solchen Bläschen, wenn man ohne Schutz Kontakt hatte, anstecken“. Die Inkubationszeit betrage in der Regel zwölf bis 14 Tage. „Es gibt aber auch Menschen, bei denen die Krankheit viel früher und später ausbricht.“ Dann würden auch die Pusteln auftreten.
Wie intensiv die Pusteln auftreten, sei von Person zu Person unterschiedlich. „In der Regel sind das schon unzählige, wenn sich das Immunsystem noch nicht mit diesem Virus auseinandergesetzt hat“, sagt Ollert. Es gebe aber auch Menschen, vor allem die, die bereits einmal geimpft worden seien und deren Immunsystem schon auf eine Pockenkrankheit eingestellt sei, bei denen nur sehr wenige Bläschen auftreten würden. „Hier handelt es sich um einen sogenannten subklinischen oder teilklinischen Verlauf“, erklärt der Dermatologe.
Die typischen Symptome seien vor allem in der Diagnose wichtig. Während unspezifische Symptome wie Fieber oder Gelenkschmerzen eine ganze Reihe von Krankheiten vermuten ließen, gebe es nach dem Auftreten von Pusteln nur noch sehr wenige andere Diagnosen. „Im Raum könnten noch die Windpocken oder andere menschliche Pockenkrankheiten stehen“, so Ollert. Ein PCR-Test könne aber nachweisen, um welche Pockenart es sich handelt.
Pusteln und Juckreiz
Den Juckreiz könne man mit geläufigen Methoden behandeln, entweder über oral eingenommene Medikamente oder eine äußerlich aufgetragene Creme. Von einer Behandlung mit Cortison-Creme, die bei einigen Hauterkrankungen verschrieben wird, rät Ollert ab – zumindest im Akutstadium der Krankheit. Denn trage man diese in großem Maße auf, könne es zur Immunzellunterdrückung kommen. „Und ich will ja nicht, dass sich das Virus weiter ausbreiten kann.“ Erst wenn das Virus zum Stillstand gekommen sei und die Läsionen immer noch jucken, könne man eventuell zu dieser Behandlungsmethode greifen.
Helfen würden eher „gewöhnliche“ Hausmittel gegen juckende Haut, die kühlend oder austrocknend wirken, beispielsweise antiseptische Bäder und Lotionen. Das sei bei der Behandlung der Haut wichtig, da man versuche, die Bläschen so rasch wie möglich „trockenzulegen“ und die Krankheit so zu minimieren. Verschwinden die Bläschen, so gehe auch der Juckreiz zurück.
Pockennarben bei schweren Verläufen
Kratzt man die Pusteln auf, bestehe die Gefahr, dass Narben zurückbleiben. Die tiefen Pockennarben, die bei der menschlichen Variante der Pocken bei einigen zurückblieben, seien aber bei den Affenpocken wenig wahrscheinlich. „Bei den klassischen Pocken gab es sehr schwere Verläufe, die dazu führten, dass Teile der Haut abstarben, weil sie die Haut viel tiefer angegriffen haben“, erklärt Ollert. Bei einem normalen Verlauf der Affenpocken dürfte das nicht der Fall sein, „zumindest bei der aktuell zirkulierenden westafrikanischen Variante“.
Bei der zentralafrikanischen Variante gebe es jedoch viel schwerere Verläufe. „Sollte sich diese einmal ausbreiten, dann könnten wir wieder Patienten sehen, bei denen es zu Blutungen und größeren Bläschen kommt, die zusammenfließen. So wie wir es bei den menschlichen Pocken kennen.“ Eine pandemische Ausbreitung dieser Variante gebe es allerdings bisher nicht, „weswegen ich das hier nicht dramatisieren will“, so Ollert.
Narben seien bei einigen Menschen auch von der früheren Pockenimpfung zurückgeblieben. Damals wurde ein kleiner Einschnitt gemacht und das Impfvirus als Lebendimpfstoff eingebracht. Der Schutz sei noch bis heute wirksam – „bis zu 85 Prozent schützt die frühere Impfung vor den Affenpocken“.
Impfung und Medikamente sind verfügbar
Die Pflichtimpfungen gegen Pocken seien mittlerweile passé, „zum Teil auch, weil der damalige Impfstoff starke Nebenwirkungen bei einigen auslöste“. Das sei aber heute anders. Man verfüge über einen anderen Impfstoff. Entwickelt hat diesen die dänische Biotech-Firma „Bavarian Nordic“, die auch teilweise in München forscht. „Das fing Anfang der 2000er Jahre an, als die Gefahr von Bio-Terrorismus stieg.“ Gemeint sind damit terroristische Anschläge, bei denen Krankheitserreger als Waffe eingesetzt werden. „Also dass jemand auf die dumme Idee kommt, die Pocken synthetisch im Labor herzustellen und dann gezielt zu verbreiten.“ Für diesen Fall wollten die Regierungen laut Ollert auf einen Impfstoff zurückgreifen können, der weniger Nebenwirkungen auslöse. „Der wurde auch entwickelt und ist seit zehn Jahren in der EU zugelassen. Er ist viel sicherer und hat im Vergleich zum früheren Impfstoff so gut wie keine Nebenwirkungen.“ Das bewiesen zahlreiche klinische Untersuchungen und Studien, die in den vergangenen Jahren durchgeführt worden seien. „Wenn es also wirklich zu mehr als nur lokalen Epidemien kommen sollte, kann man wieder schnell mit dem Impfen beginnen“, versichert Ollert.
Doch selbst wenn es zu einem schlimmeren Verlauf käme, sei die Medizin gut aufgestellt. „Vor allem Menschen, bei denen das Immunsystem unterdrückt ist – etwa weil sie in Behandlung sind oder Vorerkrankungen vorliegen –, können schwere bis tödliche Verläufe auch bei dieser Variante der Affenpocken erleben.“ Risikogruppen seien auch sehr junge Kinder, schwangere oder stillende Frauen sowie Menschen, bei denen aufgrund der Pockenveränderungen eine schwere bakterielle Infektion zusätzlich ausgelöst werde. „Wir haben mehrere Medikamente, die in diesen Fällen eingesetzt werden können. Beispielsweise gibt es zwei antivirale Substanzen, die auf dem EU-Markt zugelassen sind und auch für die Affenpocken empfohlen werden.“
Kinder mit schwerer atopischer Dermatitis oder Neurodermitis könnten außerdem „Eczema Vaccinatum“ bekommen, eine durch das Impfvirus ausgelöste, über den ganzen Körper streuende, massive Infektion mit dem Impfpockenstamm. Dagegen könne aber ein sogenanntes Hyperimmunglobulin eingesetzt werden.
„Kurzum, wir sind sehr gut vorbereitet, wenn es zu einer Pandemie kommen würde. Impfstoff und Medikamente sind verfügbar“, erklärt Dermatologe Ollert. „Alle Bestandteile, rasch zu reagieren, sind da.“
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Das schöne deutsche Wort ‚pockennarbig‘ spricht für sich.