Frankreich / Was im Fall eines Regierungssturzes passiert
Der französische Premierminister Michel Barnier hat die Verabschiedung des Sozialhaushalts mit dem Überleben seiner Regierung verknüpft. Rechts- und Linkspopulisten geben sich entschlossen, die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Damit droht Frankreich eine neue politische Krise. Ein Überblick:
Warum steht ein Misstrauensvotum bevor?
Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juni hat die Regierung in Paris keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung. Das Parlament ist in drei verfeindete Blöcke gespalten. Um Haushaltsgesetze zu verabschieden, blieb dem Premierminister nur die Möglichkeit, den Verfassungsparagrafen 49.3 anzuwenden. Dieser ermöglicht eine Verabschiedung ohne Abstimmung im Parlament. Dazu muss die Regierung aber ein anschließendes Misstrauensvotum überstehen.
Frankreichs Regierung ist einem Sturz deutlich näher gerückt: Regierungschef Michel Barnier knüpfte am Montag die Verabschiedung des Sozialhaushalts an die Vertrauensfrage. Links- wie Rechtspopulisten kündigten umgehend an, der Regierung dabei das Vertrauen zu verweigern. Barnier griff erstmals auf den Verfassungsartikel 49.3 zurück, der eine Verabschiedung ohne Abstimmung in der Nationalversammlung ermöglicht. Dafür nimmt die Regierung eine Vertrauensfrage in Kauf, die innerhalb von 24 Stunden beantragt werden muss.
„Wir haben nun den entscheidenden Moment erreicht, der jeden vor seine Verantwortung stellt“, sagte Barnier. Es sei an den Abgeordneten, zu entscheiden, ob sie das Land mit „verantwortungsvollen und notwendigen Finanzgesetzen“ ausstatten oder „ob wir in unbekanntes Terrain eintreten“. Über die Misstrauensanträge kann frühestens am Mittwoch oder Donnerstag abgestimmt werden. Die Stimmen der Rechts- und Linkspopulisten reichen aus, um Barniers Regierung zu stürzen.
Welche Rolle spielen die Rechtspopulisten?
Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National hatte zunächst angekündigt, einen Misstrauensantrag der linken Opposition nicht zu unterstützen. In den vergangenen Wochen änderte sie ihre Haltung – obwohl das RN einige Zugeständnisse der Regierung erreichte. Sie willigte ein, die Stromsteuer nicht zu erhöhen, auf höhere Zuzahlungen für Medikamente zu verzichten und die medizinische Versorgung von Migranten zu verringern.
Dennoch kündigte der RN am Montag an, nicht nur einen Misstrauensantrag der Linken zu unterstützen, sondern auch einen eigenen Misstrauensantrag einzubringen.
Was passiert anschließend?
Falls die Regierung das Misstrauensvotum verliert, ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Präsident Emmanuel Macron muss dann einen neuen Premierminister ernennen. Dafür gibt es jedoch kein Datum. Nach der Auflösung des Parlaments im Juni hatte Macron sich bis September Zeit gelassen. Macron kann theoretisch Regierungschef Barnier erneut ernennen und nur die Ministerriege neu zusammenstellen.
Im Gespräch ist auch die Ernennung eines linken Regierungschefs, etwa Ex-Innenminister Bernard Cazeneuve. Dies würde dem Ergebnis der Neuwahl im vergangenen Juli Rechnung tragen. Allerdings hätte auch ein linker Premierminister keine Mehrheit im Parlament. Denkbar wäre auch eine Expertenregierung. Eine Neuwahl des Parlaments ist frühestens im Juli 2025 möglich.
Was ist mit den Haushaltsgesetzen?
Eigentlich müsste die Regierung bis Jahresende drei Haushaltsgesetze durch das Parlament bringen. Der Sozialhaushalt war das erste davon. Es gilt als unwahrscheinlich, dass eine neue Regierung die Verabschiedung der drei Gesetze noch im Dezember durchsetzen könnte.
Sie könnte aber ein Sondergesetz auf den Weg bringen, dass es ermöglicht, auf der Basis des Haushalts von 2024 weiterzumachen. Sollte sich dafür keine Mehrheit finden, kann Macron nach Artikel 16 der Verfassung Notmaßnahmen ergreifen. Damit würde der demokratische Normalbetrieb vorübergehend außer Kraft gesetzt.
Wer wird nächster Präsident oder nächste Präsidentin?
Die nächste Präsidentschaftswahl steht eigentlich erst 2027 an. Mittlerweile gibt es aber erste Stimmen im Regierungslager, die den Rücktritt des Präsidenten und eine vorgezogene Wahl ins Spiel bringen. Das hat Macron bislang ausgeschlossen.
Macron kann nach zwei Mandaten nicht wieder antreten. Le Pen möchte gerne Präsidentin werden, könnte aber im März in einem Rechtsverfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern dazu verurteilt werden, nicht kandidieren zu dürfen. Ob der 29-jährige RN-Parteichef Jordan Bardella dann kandidieren würde, ist offen.
Im Regierungslager laufen sich unter anderen die Ex-Premierminister Edouard Philippe und Gabriel Attal für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur warm. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon dürfte auch wieder antreten wollen. Vielleicht versucht es auch der sozialistische Ex-Präsident François Hollande noch einmal.
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