Debatte und Kritik / Was nach dem Missbrauch einer Schülerin in der Hesperinger Grundschule passiert ist
Als schreckliche Tat bezeichnet Bürgermeister Marc Lies den Vorfall an der Grundschule in Hesperingen. Eine Schülerin des Zyklus 2 wurde am vergangenen Donnerstag in den Toiletten von einem Mann unsittlich berührt. Zur Debatte steht nun eine mutmaßliche Sicherheitslücke am Schulgebäude. Kritisiert wird unter anderem die Kommunikationsstrategie der Behörden nach der Tat.
In den Toiletten der Grundschule in Hesperingen weint ein Mädchen. Es wird von einem fremden Mann unsittlich berührt. Eine andere Schülerin sieht die Szene, schlägt Alarm und begibt sich zu ihrer Lehrerin. Danach nimmt alles seinen Lauf. Der Tatverdächtige wird noch am selben Tag identifiziert und in Untersuchungshaft gesetzt. Der Vorfall ereignete sich am vergangenen Donnerstag.
Wie konnte der fremde Mann in das Gebäude gelangen? In der Grundschule in Hesperingen fängt der Unterricht um 7.55 Uhr an. Eine Schülerin, in Begleitung des mutmaßlichen Täters, der vermutlich ihr Onkel ist, kam erst nach 8.15 Uhr in die Schule. Es wird vermutet, dass der Mann die Schülerin ins Gebäude begleitete, sich in den Toiletten versteckte und anschließend eine Schülerin dort unsittlich berührte. Im Schulgebäude arbeiten zwei Hausmeister, die am Haupteingang sitzen. In jenem Tag soll laut Tageblatt-Informationen ein Hausmeister abwesend gewesen sein.
In diesem konkreten Fall hatte die betreffende Person einen Grund, um das Kind, zu dem es eine familiäre Bindung hat, in die Schule zu begleiten, weil diese Schülerin in Verspätung warPressesprecherin des Bildungsministeriums
Durfte der mutmaßliche Täter das Schulgebäude denn überhaupt betreten? „Der Zugang zu den Schulgebäuden wird von den Gemeinden festgelegt“, sagt Myriam Bamberg, Pressesprecherin des Bildungsministeriums, auf Tageblatt-Nachfrage. „In diesem konkreten Fall hatte die betreffende Person einen Grund, um das Kind, zu dem es eine familiäre Bindung hat, in die Schule zu begleiten, weil diese Schülerin in Verspätung war.“ Es sei stets ein Abwiegen zwischen dem legitimen Recht eines Erziehungsberechtigten, ein Kind in bestimmten Situationen ins Gebäude zu begleiten, und der Absicherung des Gebäudes, im Interesse aller Schüler und des Personals.
Elektronische Schlösser an Türen der Schule
„Die verdächtige Person war von 8.18 bis 8.25 Uhr im Gebäude“, sagt Bürgermeister Marc Lies (CSV) auf Tageblatt-Nachfrage. Das sei durch die Überwachungskameras zu sehen. Vor einigen Jahren seien sämtliche Schulgebäude der Gemeinde Hesperingen auf programmierbare elektronische Schlösser umgerüstet worden. Diese können so einprogrammiert werden, dass sie zu bestimmten Uhrzeiten öffnen oder schließen. Zudem haben die Lehrkräfte einen Schlüssel, um sie zu entriegeln. „Von diesem Schlüssel muss in Zukunft verstärkt Gebrauch gemacht werden“, so der Bürgermeister.
Am Tag des sexuellen Übergriffs bekamen die Eltern nach Schulschluss einen von Regionaldirektor Jean-Paul Welter unterzeichneten Brief mit nach Hause, der dem Tageblatt vorliegt. Darin schreibt der Direktor, dass er sich in der Pflicht sehe, die Eltern über einen Vorfall zu informieren, der sich in der Hesperinger Grundschule ereignet hat. Die Lehrkräfte hätten sofort die Polizei benachrichtigt, die eine Untersuchung eingeleitet hat. Die Regionaldirektion bleibe im Kontakt mit dem „groupe de support psychologique“, um weiter Maßnahmen zu planen, die im Interesse der Kinder notwendig seien.
Man hat mir nahegelegt, nichts sagen zu dürfenPräsident des Schulkomitees Hesperingen
Laut Tageblatt-Informationen haben sich einige Eltern über diesen Brief beschwert. Das Schreiben habe Ängste bei ihnen geschürt, ohne Konkretes mitzuteilen. Wörter wie „Vorfall“, „Polizei“ und „groupe de support psychologique“ lassen in der Tat nichts Gutes erahnen, klären aber auch nicht auf. Patrick Remakel, Präsident des Schulkomitees in Hesperingen, sagt auf Tageblatt-Nachfrage: „Man hat mir nahegelegt, nichts sagen zu dürfen.“ Remakel ist auch Präsident der Lehrergewerkschaft SNE/CGFP.
Lehrpersonal darf nicht über Vorfall berichten
Auf Tageblatt-Nachfrage schreibt das Bildungsministerium: „Die Kommunikation im ersten Brief wurde zusammen mit der Polizeibehörde abgesprochen.“ Die Polizei habe dabei das Maß an Informationen festgelegt, welches der Brief enthalten darf. „Solche Krisensituationen bedeuten auch immer ein delikates Abwiegen zwischen der Information für die Betroffenen und dem Bestreben, die Ermittlungen nicht zu gefährden.“ Deshalb habe man den Eltern am zweiten Tag einen zweiten Brief mit zusätzlichen Informationen gegeben. Unseren Informationen zufolge sollen zudem Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft dem Lehrpersonal unter Strafandrohung nahegelegt haben, keineswegs über den Vorfall zu berichten.
Der unglücklich formulierte Brief ist wohl nicht unbedingt das Resultat einer gelungenen Kommunikationsstrategie. Deshalb wurde vermutlich einen Tag später ein zweiter Brief, der ebenfalls dem Tageblatt vorliegt, an die Eltern ausgeteilt. Aber auch hier gibt es Kritik. Da der Brief in Papierform und nicht als E-Mail verteilt wurde, haben die Eltern diesen erst am Freitag (Tag nach dem Vorfall) nach Schulschluss, manche sogar erst am Abend, nachdem ihre Kinder in der „Maison relais“ waren, lesen können.
Laut Tageblatt-Informationen habe es eine Sicherheitslücke in der Grundschule gegeben. Das Schulkomitee in Hesperingen soll den Bürgermeister schon seit Jahren per Brief darauf aufmerksam gemacht haben. Nun werden Vorwürfe laut, dass er dies nicht berücksichtigt habe. Auf Tageblatt-Nachfrage sagt Lies: „Es gab Briefe darüber.“ Er weist auf einen Brief vom Schulkomitee Hesperingen hin, den er 2016 bekam. „Da war das neue Gebäude noch nicht fertig.“ Dieses wurde erst 2017 fertiggestellt. Vieles habe sich seitdem verändert, darunter die oben erwähnte Umrüstung auf elektronische Schlösser.
Eltern dürfen nicht mehr in die Schule
Zum Zeitpunkt der Tat waren die Türen allerdings nicht alle geschlossen. „Eltern mit Kindern aus dem ‚Précoce’ dürfen das Gebäude betreten“, sagt Lies. „In der Vergangenheit war dies unsere Hauptsorge“. Nun habe man mit der Regionaldirektion und dem Bildungsministerium den Entschluss gefasst, dass dies in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Der Empfang der Kinder aus dem „Précoce“ muss entweder vom Erzieher oder vom Klassenlehrer übernommen werden, wenn Kinder zu spät kommen. Das Kind muss vor der Eingangstür abgeholt werden. Kommt ein Elternteil mit rein, muss es danach wieder vom Personal zur Tür hinausbegleitet werden. Das Gleiche gilt bei Verspätungen in den anderen Zyklen. Ein Hausmeister wird sich am Haupteingang befinden.
Ich finde, hier soll es nicht um Schuldzuweisungen gehen. Das, was hier passiert ist, ist eine schreckliche Tat. Aber es ergibt keinen Sinn, auf den einen oder anderen zu zeigen. Das ist nicht das Thema.Bürgermeister der Gemeinde Hesperingen
Das Gebäude in Hesperingen scheint demnach sicherheitstechnisch gut ausgestattet zu sein. Lies sagt: „Ich finde, hier soll es nicht um Schuldzuweisungen gehen. Das, was hier passiert ist, ist eine schreckliche Tat.“ Natürlich müsse man Rückschlüsse daraus ziehen, das stehe außer Frage. „Aber es ergibt keinen Sinn, auf den einen oder anderen zu zeigen. Das ist nicht das Thema.“ Am Montag traf sich der Schöffenrat, um über den Vorfall zu diskutieren. Dazu habe man Kontakt mit Lehrkräften, Schulpersonal, den Direktionen und dem Bildungsministerium aufgenommen.
Werden nun an allen Schulgebäuden in Luxemburg die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt? Dazu schreibt Myriam Bamberg: „Jedes Jahr wird ein ‚Circulaire aux admininistrations communales’ verschickt, welches darüber informiert, dass der Zugang zu Schulgebäuden von den Gemeinden definiert werden muss.“ Diese Modalitäten könnten angesichts der lokalen Gegebenheiten der jeweiligen Gebäude unterschiedlich ausfallen. „Dementsprechend wird im Augenblick nicht über eine Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen nachgedacht“, so die Pressesprecherin.
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
An wou bleiwt die Hesper Schoulschöffin a Presidentin vun der Hesper Schoulkommissioun? Guer keng Reaktioun vun hirer Säit fir d’Elteren ze berouhegen an guer keng Präsenz. Ass sie net Politikerin “à plein temps“?