Esch / „Was sie erreicht haben, ist eine neue Kirmes“: Vera Spautz zieht Bilanz – mit klaren Worten für Mischo und Co.
Die politische Karriere von Vera Spautz begann im Jahr 2000. Seitdem war sie Mitglied im Escher Gemeinderat, von 2013 bis 2017 gar Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt. Zudem saß Spautz von 2004 bis 2012 im Parlament. Vor einem Monat zog sich die 59-Jährige aus der Politik zurück. Im Tageblatt-Interview zieht sie Bilanz.
Tageblatt: Vera Spautz, Sie haben unlängst aus gesundheitlichen Gründen Ihre politische Laufbahn beendet. Wie geht es Ihnen?
Vera Spautz: Nach einigen Problemen war es schwierig, wieder auf die Beine zu kommen. Ich muss jetzt nach mir und meiner Gesundheit schauen. Jetzt kommen die Budgetdebatten, dann die Gemeindewahlen. Als Fraktionssprecherin muss man sich da voll investieren. Das kann ich momentan nicht.
Wie schwer ist Ihnen der Rücktritt gefallen?
Sehr schwer. Ich bin seit 2000 politisch engagiert, war zuvor Vize-Präsidentin des OGBL. In der Gemeinde bin ich schnell Schöffin geworden und 2004 für Marc Zanussi (der LSAP-Politiker aus Düdelingen war 2004 bei einem Surfunglück ums Leben gekommen, d. Red.) in die Chamber nachgerückt. Ich habe mich sehr gerne um Esch gekümmert und es hat Spaß gemacht, meine Heimatstadt zu gestalten.
Rückblickend, worauf schauen Sie besonders gerne zurück?
In erster Linie auf die Errungenschaften im sozialen Bereich. Wir haben die „Stëmm vun der Strooss“ nach Esch gebracht, die „Fixerstuff“ und das „Abrisud“ gegründet. Leider herrscht in diesem Bereich momentan Stillstand. Um das „Centre d’accueil pour réfugiés“ im Neudorf gab es seinerzeit eine riesige Aufregung, befeuert auch von der CSV. Heute hört man nichts mehr. Ich war seit 2000 auch für die Gemeindewohnungen zuständig, da wurde ein riesiges Renovierungsprogramm gestartet, Wohnungen wurden hinzugekauft. Auch in dieser Hinsicht kommt nichts von der aktuellen Koalition. Im Gegenteil, sie unterstützt Projekte, die die Gentrifizierung Eschs vorantreiben. Auch haben wir den Seniorenkommunalplan umgesetzt, aus dem der „Mosaïque Club“ und das BIBBS hervorgingen. Da wird sich momentan ebenfalls mit fremden Federn geschmückt. Dann fällt mir noch „Transition Minett“ und das (Ökodorf, d. Red.) Benu ein. Aber auch die Umgestaltung der „Déiereparks“ mitsamt der Baumhäuser.
Trotzdem ist die LSAP bei den Gemeindewahlen 2017 abgestraft worden. Das, obwohl Sie persönlich die meisten Einzel-Stimmen erhielten.
Das war kein schöner Tag für uns, weil wir zudem direkt von den Grünen verraten wurden. Ich habe das als persönliche Niederlage empfunden. Aber ich kann in den Spiegel schauen. Wir haben viele Projekte umgesetzt, die heute nicht mehr infrage gestellt werden, obwohl es zu Beginn Widerstand gab. Deshalb glaube ich meinen Teil dazu beigetragen zu haben, Esch lebenswerter zu machen.
Warum aber ist es zur Wahlniederlage gekommen?
Das passiert, wenn man nicht geeint ist. Es gab zu viel Selbstsicherheit bei verschiedenen Leuten.
Sie sprechen da wohl auch Dan Codello an, der zuvor gegen Ihren Widerstand in einer Kampfabstimmung den Schöffenposten für sich beanspruchte und nach der Wahlniederlage aus der Partei austrat?
Ja.
Vergangene Woche stellte die Escher LSAP ihre Kandidatenliste für die Gemeindewahlen im kommenden Jahr vor. Runderneuert ist die Mannschaft, muss aber auch auf viel Erfahrung verzichten. Und ihre 4.300 Stimmen müssen erst einmal kompensiert werden. Was halten Sie von der Liste? Wird die LSAP wieder stärkste Kraft in Esch?
Das hoffe ich sehr. Wir sind in Krisenzeiten, bei den Menschen kommt Unruhe auf. Noch haben wir keine Verhältnisse wie in Österreich, Italien oder Frankreich mit dem Aufschwung der Nationalisten. Aber das kommt, wenn es mit dem Stillstand weitergeht. Daher braucht es eine starke LSAP. Ich denke, die Neuen auf der LSAP-Liste „wäerten hire Match maachen“. Sie haben jetzt noch genügend Zeit, die Bürger von sich zu überzeugen. Aber Wahlkampf ist richtig viel Arbeit, dessen muss sich jeder Kandidat bewusst sein. Sie müssen ihren Weg finden, wobei ich nicht so vermessen bin zu sagen, dass es ohne mich nicht läuft. Man muss Esch gerne haben, um das zu machen. Was aber im Juni 2023 dabei herauskommt, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die aktuelle Koalition so schlecht ist, dass die Opposition gewinnen müsste. Mehr als Projekte weiterführen tut sie nämlich nicht.
Mein Fazit ist: Sie können es einfach nicht und verstecken sich deshalb vor den Bürgern
Sie lassen kein gutes Haar an Ihrem Nachfolger Georges Mischo und seinem Schöffenrat?
Nein, sie haben eine Menge vergessen, was sie angekündigt hatten. Und der Bürgermeister sagt nicht immer die Wahrheit. Alles sollte schneller vorangehen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Im Grunde genommen ist alles, was sie erreicht haben, eine neue Kirmes. Beim Vorzeigeprojekt Arena ist noch immer der erste Spatenstich nicht erfolgt. Das andere Vorzeigeprojekt, der Ausbau der Sporthalle, wird 50 Prozent teurer als geplant und ebenfalls erst nach den Wahlen eingeweiht. Auch die Neugestaltung der Alzettestraße ist erst jetzt in Angriff genommen worden. Stichwort Schulen und „Maison relais“: Da ist Stand jetzt noch keine hinzugekommen. Als ich als Schöffin anfing, gab es in Esch eine „Maison relais“. Als ich als Bürgermeisterin abgelöst wurde, 15. Aus der Waldschule ist die elitärste „Maison relais“ der Stadt geworden. Es ist kein Zufall, dass der „Gemengebuet“ nicht erscheint und auch die Berichte der früheren Sitzungen verschwunden sind. Denn sonst könnte man ja schwarz auf weiß nachlesen, was gesagt wurde und was tatsächlich danach geschehen ist. Mein Fazit ist: Sie können es einfach nicht und verstecken sich deshalb vor den Bürgern.
Momentan ist die Sicherheitsdiskussion wieder aufgeflammt. Was halten Sie vom Vorhaben, verstärkt auf Videoüberwachung zu setzen?
Punktuell kann man Überwachungskameras einsetzen, aber nicht so flächendeckend, wie das geplant ist. Außerdem zeigen die Polizeistatistiken nicht, dass die Kriminalität zugenommen hat. Zugenommen hat aber wohl das Unsicherheitsgefühl. Ich will damit nicht sagen, dass es keine Probleme in Esch gibt, im Gegenteil. Man braucht nur die Drogenkriminalität zu nehmen. Der Kontakt mit der Polizei ist wichtig, aber nicht, um Fahrradfahrer in der Alzettestraße zu protokollieren. Und natürlich die Präventionsarbeit. In den Schulen, aber auch bei der Bevölkerung. Man muss mit den Menschen sprechen. Wir haben damals ein halbes Dutzend öffentliche Sitzungen in den Stadtvierteln zum Thema Sicherheit organisiert. Das war nicht immer einfach, denn es ging mitunter hoch her. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Georges Mischo eine öffentliche Versammlung dazu abgehalten hätte. Aber genau wie 2017 macht die CSV mit dem Thema Sicherheit Wahlkampf.
Wie lautet Ihr Fazit des Kulturjahrs Esch2022?
Wir haben den Zuschlag zum Kulturjahr gegen viele Widerstände bekommen. Doch am Tag der Verkündung hat sich alles geändert. Die Koordinatoren, die mit ihrem Bidbook Esch als europäische Kulturhauptstadt erst ermöglicht hatten, wurden rausgeschmissen. Das war von Premierminister Xavier Bettel und Guy Arendt (damals Staatssekretär für Kultur) orchestriert. Im Anschluss wurde von Bürgermeister Mischo und Kulturschöffe Pim Knaff alles über den Haufen geworfen und viele Escher Kulturschaffende vor den Kopf gestoßen. Das, was in diesem Jahr geboten wurde, hat wenig mit Esch oder dem Süden zu tun. Das Kulturjahr ist verkauft worden. Und es zeigt die Richtung an. Kultur und Kunst wird privatisiert und die neuen Kulturhäuser wie die „Konschthal“ werden wahrscheinlich in Zukunft für „Events“ vermietet. Unter dem Strich bleibt vom Kulturjahr übrig, dass „e puer Leit sech gutt amuséiert hunn“, aber das Ganze ziemlich an der Bevölkerung vorbeigegangen ist.
Welches waren die Erlebnisse in Ihrer Karriere als Lokalpolitikerin, auf die Sie gerne verzichtet hätten?
Als ich angefangen habe, waren es die vielen Brände, bei denen auch Menschen zu Tode gekommen sind. Das verfolgt einen. Oder die Morde 2007. Am Tag, als der Mann im Neudorf erschossen wurde, war eine Bürgerversammlung angesetzt. Ich habe gedacht, ich schaffe den Abend nicht und deshalb versucht, Ruhe hineinzubringen. Ich stand da völlig allein.
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Vera du woars kee Schlecht, och wanns de oft krankheetsbedingt gefehlt hues als Buergermeeschtech. Du scheengs nach emmer net verstaanen ze hun firwaat dass de d‘Walen verluer hoas. Du hoas zwar vill soziales gemaat, mais d‘Escher hoas de vergiess. Elo no sou laangen Joaren nach eng Keier nozetreppellen, ass wei wanns dei Wieler nach eng Keier virun den Kapp geifs hoaen. Leider naischt geleiert.
T’Vera war de leschte gudden Buergermeeschter zu Esch. Riicht eraus, an net ëmmer nëmmen t’Ideologien vun senger Partei an der Kopp. Wann all t’Politiker esou wieren ewéi hatt da géif t’Welt ganz anescht ausgesinn.
@Toni iwwer daat Sozialt Kann een Diskuteieren wann awer Dann Neier Kommen dei Dann Mei Schlemm sin wei dei Aal dann muss een sech awer Froen Stellen
Ech kann d’Vera ganz, ganz gutt gebrauchen. Mais leider goufen och während senger Amtszäit als Buergemeeschtesch vill Projet e net faerdeg gemeet, alleng wat de Patrimoine Industriel ubelaangt ass villes verpasst ginn. An dann elo sech hierginn fir op déi aktuell Gemengepäpp ze klappen, lo wou déi Escher LSAP och hir Kandidaten an d’Rennen geschéckt hunn, ass a mengen Aaë belleg, einfach, a net ubruecht. Och ënnert den « Sozial »isten ass villes zu Esch schief gaangen, déi elo do sinn maachen et net besser, loin de là, mais bon…et si Walen an da gëtt alles ausgepak fir een op deen aneren ze klappen an sech géigensäiteg an den Dreck ze zéien.
Hätte mer den Useldenger erëm! 🙂