Weltwassertag / Wasser – das Gold der nächsten Jahrzehnte
Bei Sätzen wie „jetzt verbrauchen wir mehr Wasser, damit es billiger wird“, stehen Jim Schmitz (73) die Haare zu Berge. Seit fünf Jahrzehnten ist er in verschiedenen Positionen im Naturschutz aktiv. „Wasser ist die Quelle des Lebens“ hält er denjenigen, die das sagen, gerne entgegen. Was für viele scheinbar unerschöpflich aus dem Hahn sprudelt, ist eine endliche Ressource.
Während in anderen Regionen der Welt ein erbitterter Kampf um das kostbare Nass namens Wasser läuft, ist in der „Réserve naturelle Schlammwiss“ bei Mensdorf davon nichts zu spüren. Übermannshohe Schilfgräser wiegen sich im Wind, Vogelgezwitscher überlagert alle anderen Geräusche und in Tümpeln und Teichen gluckert das Wasser vor sich hin.
Das 88 Hektar große Gebiet im Tal der Syr, durch das ein Wasserlehrpfad und ein Spazierweg läuft, ist ein Rast- und Brutplatz vieler Vogelarten. Zwei Eisvogelpaare nisten hier, der in Luxemburg seltene Teichrohrsänger und der Drosselrohrsänger machen in dem Biotop auf dem alljährlichen Flug nach Afrika Rast. In der „Schlammwiss“ brüten etwa ein Viertel aller Brutvögel in Luxemburg.
Das ist nur ein Auszug der Liste, die Jim Schmitz auf Anhieb einfallen. Der ehemalige Staatsbeamte ist überzeugter Naturschützer und kennt die „Schlammwiss“ wie seine Westentasche. Die Bedeutung von Biotopen ist nicht zu unterschätzen. Neben den Funktionen für die Biodiversität sind Biotope große Wasserspeicher und stauen bei Starkregen Wasser zurück.
Kläranlagen klären nicht alles
Die Stiftung „Hëllef fir d’Natur“, deren Vizepräsident Schmitz ist, hat seit ihrer Gründung im Jahre 1982 insgesamt 1.650 Hektar Land aufgekauft. 550 Hektar davon, also ein knappes Drittel, sind Feuchtgebiete. „Der Regenwald ist auch ein Feuchtgebiet und wenn ich sehe, wie die Brasilianer ihn gerade kaputt machen, machen sie die Welt kaputt“, sagt Schmitz. „Dann fehlt Wasser vorne und hinten“, sagt er über die Konsequenzen, die sich im Tal der Syr wunderbar illustrieren lassen.
Der Fluss hat schon jetzt nur dann ausreichend Wasserstand, wenn die Kläranlage neben der „Schlammwiss“ gereinigtes Brauchwasser in sie entlässt. An ihrer Quelle wird Wasser abgezapft, um die Einwohner der Gegend mit Trinkwasser zu versorgen. Der Wert des Wassers wird unterschätzt. Lange gab es entlang der Mosel beispielsweise überhaupt keine Kläranlage. Die interkommunale Anlage im saarländischen Perl (D) ist ein „Jahrhundertprojekt“ mit immensen Kosten.
„Jetzt haben wir Kläranlagen und ein neues Problem“, sagt Schmitz. „Medikamente wie Antibiotika und Antibabypille werden nicht geklärt, wenn nicht eine bestimmte Filterstufe in den Anlagen eingebaut ist.“ Hinzu kommen Mikroplastikteilchen oder Sonnenschutzmittel. „Sonnenöl habe sie schon am Südpol auf Fischen gefunden, die sich durch die Verölung nicht mehr fortpflanzen können“, sagt der Naturschützer.
Außerdem wird die Ressource angesichts einer wachsenden Bevölkerung, die Wasser trinken will, knapp, weshalb ab 2040 Wasser aus der Mosel entnommen werden soll. Es geht um rund 50 Millionen Liter, was 2,8 Prozent des Abflusses der Mosel bei Niedrigwasser entspricht, wie das Umweltministerium auf Anfrage des Tageblatt mitteilt. Die Konsequenzen von Bevölkerungswachstum in Kombination mit dem Klimawandel, zu wenig regelmäßige Niederschläge und sehr heiße Sommer, sind bei den Grundwasserreserven angekommen.
Noch stimmt das Gleichgewicht
„Seit 2005 liegt der Grundwasserspiegel ununterbrochen um den Mittelwert oder leicht darunter“, bestätigen Experten im Umweltministerium. Die ersten Daten stammen aus den fünfziger Jahren. Vorläufig können sie noch beruhigen. Bislang bildet sich jährlich mehr Grundwasser als landesweit entnommen wird, heißt es aus dem Ministerium. Dem stehen starke Eingriffe in den Wasserhaushalt gegenüber.
Kanalisierte Flüsse und Bäche und durch Bebauung zerstörte Feuchtgebiete sind in den Augen von Naturschützern wie Schmitz „Sünden“, die in den letzten 100 Jahren vom Menschen begangen wurden. „Man hat probiert, die Natur zu zähmen und das ist schiefgegangen“, sagt er. Gleichzeitig verweist er auf die zahlreichen Renaturierungsprojekte und Wasserschutzzonen.
Aufgrund der Erfahrungen bei Überschwemmungen wird zurückgebaut, wo es nur geht und die Umgebung von Quellen unterliegen starkem Schutz. Das von „déi gréng“ regierte Umweltministerin stellt dafür einiges bereit. „Es steckt so viel Geld wie nie in den Naturschutz, das muss man anerkennen“, sagt Schmitz. Kein Wunder. Der Schutz von Grund- und Oberflächenwasser ist von der Regierung als „Priorität“ eingestuft. Daran ändert auch ein vorläufiges positives Fazit nichts.
„Trinkwasser ist das bestkontrollierte Lebensmittel und die durchgeführten Analysen sind regelkonform“, sagen die Wasserexperten im Ministerium. Das würde sogar Jim Schmitz unterschreiben. Die Wasserfrage der kommenden Jahrzehnte ist aber vor allem eine Frage der Quantität und nicht der Qualität.
Trinkwasserversorgung in Luxemburg
Das größte zusammenhängende Trinkwasserreservoir ist der Stausee bei Esch-Sauer. Sein Fassungsvermögen beträgt 60 Millionen Kubikmeter Wasser. Das Einzugsgebiet des Stausees beträgt 42.559 Hektar, von denen 64 Prozent auf belgischem und 36 Prozent auf luxemburgischem Staatsgebiet liegen. Er speist sich aus Sauer (oberhalb von Pont Misère), Beiwenerbach, Ningserbach und Dirbach. Diese Angaben stammen vom Umweltministerium und betreffen das Jahr 2020. Jährlich werden 20,7 Milliarden Liter aus dem Stausee entnommen. Sieben Millionen Liter Wasser davon gehen allein in die Versorgung der Stadt Luxemburg, vier weitere Syndikate werden beliefert. Im Bau ist eine neue Trinkwasseraufbereitungsanlage in Eschdorf, die die Kapazitäten erhöhen soll. 110 Millionen Liter soll sie täglich liefern, wenn die zweite Produktionsstraße fertig ist. Das entspricht einer Steigerung um 38 Millionen Liter täglich. Insgesamt gibt es in Luxemburg 249 Quellen und Bohrungen zur Trinkwasserversorgung. Von dort kommen 23,5 Milliarden Liter Trinkwasser. Etwa 100 davon sind aktuell aufgrund von Überschreitungen von Grenzwerten außer Betrieb oder müssen aufwendig aufbereitet werden. Das betrifft die tägliche Versorgung von 96.000 Einwohnern, dem ein errechneter pro-Kopf-Bedarf von 135 Litern/Einwohner/Tag zugrunde gelegt wurde. Der Süden Luxemburgs wird mehrheitlich über Trinkwassersyndikate versorgt, die Mischwasser verteilen. Für Mischwasser wird gereinigtes Wasser aus dem Stausee mit gefördertem Grundwasser gemischt. 53 Gemeinden und fünf Trinkwassersyndikate betreiben Grundwasserfassungen, um Wasser zur Trinkwasserversorgung zu entnehmen. Trotzdem kam es in vergangenen Jahren immer wieder zu Engpässen bei Versorgungsspitzen, bestätigt das Umweltministerium. Es wurden mehrfach „phase de vigilance“ und „phase de sensibilisation“ auf nationaler Ebene entschieden, um den Verbrauch zu senken. Einsparungen beim Verbrauch, Schutz der bestehenden Ressourcen und Erschließung neuer sind die drei Pfeiler des luxemburgischen Wassermanagements. Einsparungen und Schutz fördert der „Fonds pour la gestion de l’eau“ aktuell mit zwei Millionen Euro. Der Betrag soll demnächst zumindest verdoppelt werden.
Wasserschutzzonen in Luxemburg
Für 240 Grundwasserfassungen sind Schutzzonen über 44 großherzogliche Verordnungen geregelt. Rund 40 weitere Schutzzonen sind gegenwärtig in Ausarbeitung, teilweise sind die betreffenden großherzoglichen Verordnungen bereits im Regulierungsverfahren. Das teilt das Umweltministerium mit. Vor allem rund um den Stausee gibt es zahlreiche Bemühungen, mit den Landwirten beim Wasserschutz zusammenzuarbeiten.
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Mir fällt immer wieder auf dass diejenigen die Lösungen bringen sollten (also die Uni-Absolventen), auch nur auf die Probleme hinweisen. So wird’s was mit der Zukunft, ihr seid die besten. Wann kommt denn endlich der Plan ohne Bevölkerungswachstum, oder der Plan für den Urwald?