Budget 2025 / „Wéi een Apel fir den Duuscht?“ – Fokus auf vier Themenblöcke der Haushaltsdebatte
Die Debatte zum wichtigsten Gesetzesprojekt des Jahres hat wieder zahlreiche Abgeordnete hinter dem Rednerpult versammelt. Das Tageblatt hat bei den Themen Logement, Sozialpolitik, Steuerpolitik und Verteidigung etwas genauer hingehört.
Logement
Ein großer Themenblock, dem in fast allen Reden Rechnung getragen wurde, war der Wohnungsbau. Finanzminister Gilles Roth (CSV) ergriff am Mittwoch erneut das Wort, um sein Budget zu verteidigen. Dabei zählte Roth noch einmal die Maßnahmen auf, die die Regierung ergriffen hatte, um den Wohnungsbau anzukurbeln. „Wir wollen gegen das chronische Defizit gegensteuern“, sagte Roth. Der Verkauf der Wohnungen habe angezogen, die Maßnahmen würden also wirken. „Es reicht jedoch nicht, deswegen werden wir diese verlängern“, sagte Roth. „Wir wollen Kurs Richtung Aufschwung halten.“
Während Gilles Baum die Maßnahmen auch im Logement wenig überraschend für gut befand, erkannte die Fraktionspräsidentin der LSAP, Taina Bofferding, in dem vorgelegten Haushaltsplan „fehlende Ambitionen, die sich keiner mehr leisten kann“. Administrative Vereinfachung sei ja schön und gut, das reiche aber längst nicht mehr. „Die Probleme werden mit der Verlängerung von Baugenehmigungen nicht aus der Welt geschafft“, sagte Bofferding. Den Zeitpunkt der Ankündigung der Verlängerung der steuerlichen Maßnahmen im Logement-Bereich sah Bofferding ebenfalls sehr kritisch. „Das Timing geht nicht auf – vor allem dann nicht, wenn der Finanzminister selbst eingesehen hat, dass die Maßnahmen nicht wirken.“ Das strukturelle Problem des Logement aber werde so nicht angegangen. Im Logement habe die CSV immer wieder kritisiert, dass die Reform der Grund-, Mobilisierungs- und Leerstandssteuer nicht schnell genug komme. „Seit über einem Jahr aber werden weder das Gutachten des Staatsrates, noch die entsprechenden Änderungen in der Chamberkommission diskutiert.“ Alles in allem liefere das Budget keine klaren Antworten auf die vielen Herausforderungen.
Ähnlich sah es auch die Grünen-Abgeordnete Sam Tanson. „Die derzeitige Politik ist nicht faktenbasiert“, sagte Tanson. Es werde in den Raum gestellt, dass die Maßnahmen wirken. „Das Gegenteil war in einem Tageblatt-Artikel Anfang dieser Woche zu lesen.“ Die Abgeordnete vermutete, dass die Regierung die steuerlichen Maßnahmen bis hin zu einer Stabilisierung der Zinslage weiterlaufen lasse, um dann behaupten zu können, dass die Maßnahmen wirken. „Die Regierung ist nicht gewollt, auch Druck auf Bauentwickler zu machen.“ Stattdessen würden mit der derzeitigen Politik die Besitzer mehrerer Wohnungen gestärkt. Wenn es darum gehe, das Anfang des Jahres vorgestellte Maßnahmenpaket umzusetzen, habe bisher nur der Umweltminister geliefert. „Es gibt dringlichere Baustellen, wo bleibt der Rest?“, fragte Tanson. Auch lasse der Finanzminister in vielen Themenbereichen Weitsicht vermissen. Der von Gilles Roth zu Abgeordneten-Zeiten viel zitierte „Apel fir den Duuscht“ vermisste die Grünen-Abgeordnete jedenfalls durchgängig.
Der Linken-Politiker David Wagner meinte, dass die Regierung eigentlich nur etwas unternehme, damit Wohnungsbesitzer weiterhin ihre irrsinnigen Mieten bekämen. Es könne nicht sein, dass das Aufkaufen von VEFA-Projekten die Hauptstrategie im Kampf gegen das Wohnungsproblem sei. „Ohne eine ständige Perfusion von der öffentlichen Hand in den Privatbereich, würde das Logement-Modell in Luxemburg nicht funktionieren“, sagte Wagner. „Verteidiger des freien Marktes sollen mir erklären, dass es auch ohne die Hilfe von Papa Staat geht.“
Der ADR-Abgeordnete Fred Keup sah im „unkontrollierten Wachstum“ und der „unkontrollierten Immigration“ die Hauptgründe für die hohen Preise im Logement.
Steuerpolitik
Das frisch gestimmte „Entlaaschtungs-Pak“ dominierte auch nach seiner Verabschiedung die Chamber. Gleich zum Auftakt des langen Debattentages ratterte Finanzminister Gilles Roth (CSV) durch die konkreten Zahlen und Beispiele der Steuervergünstigungen und Entlastungen für Geringverdiener, Alleinerziehende und Familien. Sozialpolitik als Steuerpolitik. „Diese Koalition liefert“, sagte Roth. Vor Kritik schützte ihn das im Laufe des Tages nicht.
„Mehr Netto vom Brutto“, resümierte auch CSV-Fraktionschef Marc Spautz. Die Grünen-Abgeordnete Sam Tanson sah darin eher einen „Nettoklau“: Die Anpassung der Steuertabelle gehe bei den meisten Menschen für die erhöhten Stromkosten drauf. David Wagner („déi Lénk“) sah gar die Zukunft der Jugend und der arbeitenden Bevölkerung für Steuergeschenke geopfert.
Dazu gehört in den Augen einiger Parlamentarier auch die Senkung der Körperschaftssteuer. Diese werde Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen, sagte DP-Fraktionschef Gilles Baum. Andere waren sich da nicht so sicher. Man erwarte sich Wirtschaftswachstum von der Steuersenkung, doch konkrete Analysen, die diese These stützten, gebe es nicht, sagte der Piraten-Abgeordnete Sven Clement. „Stattdessen wird aufs Bauchgefühl gehört.“ Auch die LSAP-Fraktionsvorsitzende Taina Bofferding kritisierte die Senkung der Körperschaftssteuer als „business first“ und reine wirtschaftsliberale Ideologie.
Die Frage, mit welchen Steuereinnahmen diese Ausgaben bzw. dieser Verzicht gedeckt werden sollen, beschäftigte zahlreiche Debattenbeiträge. Fixpunkt der Diskussion: die hohen Einnahmen durch die Tabaksteuer. „Laut Zentralbank kann die Senkung der Betriebssteuer bis zu 600 Millionen in vier Jahren kosten“, sagte Tanson. Um dieses Loch zu stopfen, müssten knapp drei Milliarden Zigaretten zusätzlich verkauft werden. Die Abhängigkeit des Staatsbudgets vom Tabakkonsum wurde an diesem Tag von verschiedenen Oppositionspolitikern kritisiert. Tanson warf der Regierung Heuchelei vor: Die Tabaksteuer werde gerade so hoch gesetzt, dass die Differenz zu Luxemburgs Nachbarländern noch immer hoch genug sei, um den Tabaktourismus nicht zu gefährden.
Außer Acht blieben in den Augen der Opposition die medizinischen Kosten des Tabakkonsums. Auf die wies Taina Bofferding hin. „Der Kostenpunkt Tabak wird für die Gesellschaft immer höher sein als die Einnahmen durch die Tabaksteuer.“ Tanson machte die Rechnung Pi mal Daumen mithilfe von Daten aus Frankreich: „Das ergibt für Luxemburg einen sozialen Kostenpunkt von mehr als 1,5 Milliarden.“ Die Steuereinnahmen decken also gerade die Kosten des Tabakkonsums.
Was tun? „Fëmmen fir de Budget“, schlug Sven Clement scherzhaft vor. Bofferding und Tanson verwiesen auf einen Vorschlag aus dem Gutachten des Rechnungshofs: neue Steuern (zum Beispiel auf gesundheitsgefährdende Nahrungsmittel), um die Steuereinnahmen zu diversifizieren und Luxemburg weniger abhängig vom Tabak zu machen.
Verteidigung
Dafür, dass die Investitionen in Verteidigung zu den am stärksten wachsenden Posten im Budget der kommenden Jahre zählen, nahm der Verteidigungsetat in der Haushaltsdebatte am Mittwoch nur eine Nebenrolle ein. Man kann das auf zwei unterschiedliche Arten lesen. Entweder herrscht parteiübergreifend Einigkeit, dass Jahr für Jahr mehr Geld (792 Millionen im Jahr 2025, verfünffacht bis 2030) in Armee und Verteidigung gesteckt werden muss, oder es herrscht parteiübergreifend Ideenlosigkeit, wie dieses Geld konkret zu investieren ist bzw. diese Investitionen zu kritisieren sind.
DP-Fraktionspräsident Gilles Baum packte in seine Aussage zum Zwei-Prozent-Ziel mehr Dissens, als es – zumindest für den Beobachter – in der Chamber zu geben scheint: „Ich weiß und ich kann auch verstehen, dass nicht alle hier diese Meinung teilen.“ Baum erinnerte sich an ein Treffen mit der früheren griechischen Außenministerin Theodora Bakogianni und ein Zitat: „The cost of readiness is much lower than the cost of not being prepared.“ Oder anders: Vorsicht ist billiger als Nachsicht. „Freiheit und Demokratie haben ihren Preis“, sagte Baum. Sein Parteikollege André Bauler machte dies noch deutlicher: Die steigenden Verteidigungsausgaben „strapazieren die Staatskasse gewaltig, sie fehlen für andere wichtige Projekte, sei es in der Gesundheit, im öffentlichen Transport oder im Schulwesen“. Dennoch seien diese Investitionen alternativlos.
Echte Widersprüche gab es an diesem Tag nicht – nicht einmal von der Linken. In David Wagners Redebeitrag tauchten die Verteidigungsinvestitionen nur zwischen den Zeilen auf: Resilienz, so der Linken-Abgeordnete, zeige sich nicht nur in Armeen und Panzer, sondern auch im Schutz vor dem Klimawandel. „Denn der kommt bestimmt“, so Wagner.
Eine der wenigen Rednerinnen, die konkret auf das Verteidigungsbudget einging, war die vorige Budgetberichterstatterin Diane Adehm (CSV). Sie erzählte vom Austausch mit einer Delegation von US-Kongressabgeordneten. Deren Hauptforderung: Luxemburg müsse noch eher als 2030 das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. „Die EU kommt nicht umhin, sich Gedanken um die gemeinsame Verteidigung zu machen und auch aufzurüsten“, sagte Adehm. Man müsse in Luxemburg eine „Défense-Industrie“ aufbauen, damit die Millionen und Milliarden zu einem „immer größeren Teil“ der heimischen Wirtschaft zugutekommen könnten, so die CSV-Abgeordnete. Grundlagen gebe es im Großherzogtum schon in der Satellitenkommunikation, der Weltraumtechnologie und der Cyberverteidigung.
Das sah auch ADR-Fraktionspräsident Fred Keup so: „Wenn ihr schon die Ausgaben erhöht, schaut wenigstens, dass das Geld im Land bleibt.“ Für Keup zeigte sich hier auch ein Widerspruch. Auf der einen Seite würde der Staat Waffen kaufen, andererseits dürfe der Pensionsfonds aber wegen ethischen und nachhaltigen ESG-Kriterien nicht in Aktien von Airbus investieren, weil das Unternehmen Triebwerke für Kriegsflugzeuge baue.
Sozialpolitik
Beim Thema Sozialpolitik offenbarten sich die unterschiedlichsten Politikansätze der verschiedenen Parteien. Waren die Regierungsparteien CSV und DP darauf bedacht, vor allem die steuerlichen Entlastungen im kommenden Jahr in die Vitrine zu stellen (siehe Steuerpolitik), meinte die DP mit Gilles Baum, im Logement einen Faktor für die steigende Armut in Luxemburg identifiziert zu haben. Auch verwies Baum, wie später auch die LSAP-Fraktionspräsidentin Taina Bofferding, auf die zahlreichen Errungenschaften der vergangenen zehn Jahre unter der Vorgängerregierung. Die Anhebung des Mindestlohnes lobte die LSAP-Politikerin, wenngleich die geforderte Netto-Erhöhung von 100 Euro seitens der LSAP nicht vollständig umgesetzt worden war. Die Grünen-Abgeordnete Tanson kritisierte den „Trickle-down“-Ansatz der Regierung, der bereits seit Jahren überholt gelte.
Interessanterweise nutzte Marc Spautz (CSV) die Gelegenheit, um auf die Gepflogenheiten des Sozialdialoges in Luxemburg hinzuweisen. „Ein Triple A, um den Triple S zu finanzieren“, meinte Marc Spautz. Damit warb der CSV-Fraktionsvorsitzende in seiner Budgetrede für hohe soziale Standards, die letzten Endes auch ein Faktor seien, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Luxemburg ginge. „Es ist im Rahmen des Sozialdialoges immer miteinander gestritten und geredet worden“, sagte Spautz. „Das ist wichtig, weil es dazu beiträgt, den sozialen Frieden zu erhalten.“ Auch forderte Spautz den Staatsrat auf, endlich die nötigen Gutachten vorzulegen, damit das Gehälterabkommen mit der „Fonction publique“ endlich umgesetzt werden könne. Im Januar startet eine weitere Verhandlungsrunde für ein neues Gehälterabkommen.
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