Luxemburg / „Weit weg von normal“ – Kulturinstitutionen kämpfen noch immer mit Folgen des Hochwassers
Der Starkregen, der Mitte Juli über dem Großherzogtum niederging, führte teils zu massiven Überflutungen – auch viele Kulturinstitutionen wurden nicht verschont. Die Folgen der Katastrophe spüren drei Einrichtungen auch einen Monat danach noch deutlich.
Seit dem Jahrhundert-Hochwasser in Luxemburg und der Großregion ist etwas mehr ein Monat vergangen. Vom 14. auf den 15. Juli hatten Starkniederschläge zu teils katastrophalen Überschwemmungen geführt, von ihnen betroffen waren im Großherzogtum auch eine Reihe von Kulturinstitutionen. Die Räumlichkeiten des Nationalmuseums für Naturgeschichte, des Kulturzentrums in der Abtei Neumünster sowie des Merscher Literaturzentrums wurden mit am stärksten in Mitleidenschaft gezogen – ein Ende der Reinigungs- und Reparaturarbeiten ist noch nicht in Sicht.
„Gott sei Dank ist nichts kaputtgegangen“, sagt der Pressesprecher des Museums, das am 20. Juli wieder seine Türen für Besucher öffnete. Die Ausstellungsobjekte seien alle verschont geblieben. Dabei habe das Wasser in der rue Münster zeitweise 1,30 Meter hoch gestanden. „Etwas Ähnliches habe ich noch nie erlebt“, betont Michaely, der seit mittlerweile 27 Jahren im „Naturmusée“ arbeitet. Zwar nehme man als Besucher nichts mehr von dem wahr, was sich vor einem Monat in der Einrichtung zugetragen habe, doch würden sich immer noch neue Folgen der Katastrophe bemerkbar machen. „Vor ein paar Tagen hatten wir zum Beispiel einen Serverausfall“, erzählt Michaely. Solche Spätfolgen würden vermutlich auch weiterhin noch auftreten. Und wie rüste sich das Museum für zukünftige Überschwemmungen? „An den Infrastrukturen kann man nichts verändern“, sagt Michaely. Jedoch wisse man jetzt, wo die Schwachstellen des Gebäudes liegen. Dementspreched könne man, wenn man rechtzeitig gewarnt werde, handeln – zum Beispiel, indem man Sandsäcke hinter die Tür lege. (Lesen Sie auch: Die heftigen Fluten kamen auch in Luxemburg nicht überraschend: Wurde zu spät und verhalten gewarnt?)
„Wir waren an mehreren Punkten vom Hochwasser betroffen“, erzählt Patrick Michaely, Pressesprecher des in Grund gelegenen Museums. Im Hauptgebäude sei das Wasser in zwei Ausstellungssäle eingedrungen. Der Keller im Bildungsgebäude habe fast bis zur Decke unter Wasser gestanden. „Es hat ein paar Tage gedauert, alles zu räumen und zu putzen“, sagt Michaely. Die Wände seien noch immer nass. Den größten Schaden aber habe das Mineralogielabor davongetragen, das Wasser habe Mineralien verschmutzt und die Etiketten seien durcheinandergeraten. Nach dem Rückzug der Wassermassen hätten die Mitarbeiter des Museums eine neue Zuordnung durchführen müssen, nun seien sie dabei, die Mineralien zu putzen. „Das sind Arbeiten, die nach und nach gemacht werden müssen“, erklärt Michaely. Nicht jedes Mineral sei wasserverträglich, da müsse man aufpassen. Auf die Hilfen, die ausländische Museen sofort nach der Katastrophe angeboten hätten, hätte man aber nicht zurückgreifen müssen.
Geschätzter Schaden: über 300.000 Euro
Noch schlimmer als das Museum traf es das benachbarte Kulturzentrum in der Abtei Neumünster. „Eigentlich wollten wir schon am 16. August wieder öffnen, aber das haben wir nicht geschafft“, sagt Direktorin Ainhoa Achutegui. „Wir hoffen, dass wir am 30. August wieder für Besucher offen sind.“ Achutegui erklärt, dass das aber auch vom Wetter abhängig sei – denn auch in den geschichtsträchtigen Räumlichkeiten des alten Gebäudes müssten noch Wände trocknen. „Noch ist es zu feucht drinnen, außerdem bleiben verschiedene Dinge zu reparieren.“ Das Aerowaves Festival würde aber wie geplant stattfinden, versichert die Direktorin des „Neimënster“.
Den materiellen Schaden hatte das Kulturzentrum zunächst auf 250.000 Euro geschätzt. Laut Achutegui sei er aber „noch viel höher als gedacht“ – wahrscheinlich belaufe er sich auf über 300.000 Euro. Dass nämlich verschiedene Maschinen nicht mehr funktionierten, habe man erst im Nachhinein feststellen können. Die endgültige Bilanz würde dann im September oder Oktober gezogen werden. „Die großen Sachen konnte man schon beziffern“, sagt Achutegui. Doch es stehe noch einiges aus.
Mitarbeiter müssen Geduld beweisen
Ebenfalls noch geschlossen hat das Literaturzentrum in Mersch. Die Mitarbeiter hätten ihre Büros in andere Räume verlegen müssen, deswegen seien diese gerade nicht nutzbar für Besucher, erklärt Nicole Sahl, die als „Conservatrice“ in dem staatlichen Kulturinstitut arbeitet. „Wir sind noch weit weg von normal“, sagt Sahl. Der Keller des Servais-Hauses würde zurzeit leer stehen, mithilfe von großen Luftentfeuchtern würde man versuchen, die massiven Sandsteinmauern des Hauses zu trocknen. „Die haben sich mit Wasser vollgesaugt, das dauert seine Zeit“, erklärt Sahl. Danach müssten die Wände neu verputzt werden, Türen müssten ausgetauscht werden und man müsse sehen, ob das Parkett zu retten sei. Außerdem bräuchte das Zentrum sowohl eine neue Telefonzentrale als auch eine neue Heizung. „Das Equipment muss ersetzt werden, doch die Handwerker sind zurzeit ausgelastet.“
Beschädigt wurde auch ein kleiner Teil des Archivs, der im überschwemmten Keller lagerte. Die Dokumente seien laut Sahl sofort eingefroren worden, um das Schimmeln zu verhindern. Bis vor rund einer Woche habe das Archivmaterial in Gefriercontainern in Düdelingen gelegen, nun befinde es sich in der Obhut einer Firma in Leipzig, die sich um die fachgerechte Trocknung der Dokumente kümmere. „Danach werden wir sehen müssen, was überhaupt noch auf dem Papier drauf ist“, sagt Sahl. Denn das Wasser, das in den Keller gelaufen sei, habe sich davor mit Schlamm und Heizöl vermischt. Besonders bedauerlich: Unter dem betroffenen Material seien auch Aquarell-Vorarbeiten des Luxemburger Illustratoren Roger Leiner gewesen. Ob diese zu retten sind, bleibt abzusehen. „Die Firma hat viel zu tun, auch wegen des Hochwassers in Deutschland“, sagt Sahl. Deshalb müssten sie Geduld haben.
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