Deutschland / Welche Chancen hat ein AfD-Verbotsverfahren?
Abgeordnete verschiedener Parteien tun sich aktuell im Bundestag zusammen, um einen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren zu initiieren. Was es damit auf sich hat, welche Chancen es beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hätte und welche Risiken es gibt.
Wie sieht die parlamentarische Initiative aus? Für einen Antrag im Bundestag braucht es fünf Prozent der Abgeordneten. Jetzt haben sich genügend Parlamentarier gefunden: 37 Abgeordnete aus SPD, CDU, Grünen und Linken tun sich zusammen, um ein AfD-Verbot auf die Tagesordnung zu bringen. Der Vorschlag soll in dieser und der kommenden Woche in den Fraktionssitzungen vorgestellt werden. Ziel ist erstens, dass die AfD als verfassungswidrig eingestuft und zweitens von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen wird. Die Initiatoren werfen der AfD Verstöße gegen die Menschenwürdegarantie aus Artikel 1 des Grundgesetzes vor – so etwa die Forderung nach „Remigration“, also die massenhafte Abschiebung von Ausländern, oder Äußerungen gegen Migranten, Muslime und sexuelle Minderheiten.
Wie geht es weiter, falls der Antrag im Bundestag Erfolg hat? Falls eine einfache Mehrheit im Bundestag dafür stimmt, würde beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der AfD beantragt. Ob eine Mehrheit zustande kommt, ist aber äußerst fraglich. Denn es gibt viele kritische Stimmen. Deutliche Ablehnung äußerte die Fraktionsspitze von CDU/CSU. Antragsberechtigt sind neben dem Bundestag auch Bundesrat oder Bundesregierung. Hier zeichnet sich aber keine solche Initiative ab. Beim Bundesverfassungsgericht ist für ein Verbot zudem eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Karlsruher Gerichtssenats nötig.
Sind die Hürden für ein Verbot besonders hoch? Ja. Parteien sind für die politische Willensbildung in der deutschen Demokratie von großer Bedeutung. Sie genießen daher einen besonderen Schutz. Parteien sind dann verfassungswidrig, wenn sie laut Artikel 21 Grundgesetz die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen. Außerdem muss eine Partei nachweislich eine aggressive Haltung an den Tag legen und es darf nicht völlig ausgeschlossen sein, dass sie ihr Ziel auch erreicht. An Letzterem ist ein NPD-Verbot 2017 gescheitert: Sie wurde als zu klein und unbedeutend eingestuft, um ihre Ziele durchzusetzen. Davon kann bei der AfD allerdings nicht die Rede sein.
Was spricht für ein Verbotsverfahren? Die AfD gilt in den Bundesländern Sachsen und Thüringen als „gesichert rechtsextrem“. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat zudem entschieden, dass der Verfassungsschutz die Bundespartei zu Recht als extremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Berliner Politologe Hajo Funke sieht daher „viele Belege dafür, dass die AfD verfassungsfeindlich und verbotsfähig ist“. Er betont mit Blick auf die Rechtsaußenpolitiker der Partei: „Gerade der Machtkern um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und seinem Vertrauten, Verleger Götz Kubitschek, dominiert inzwischen die AfD in allen Entscheidungen.“
AfD-Parteichefin Weidel gibt sich gelassen
Was spricht dagegen? Es gibt mehrere Gegenargumente. Politikwissenschaftler Funke kritisiert etwa den Zeitpunkt und gibt zu bedenken, dass der gesamte Prozess bis zu vier Jahre dauern würde. „Vor der Bundestagswahl 2025 ist ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD nur Ablenkung vom Vertrauensverlust in der Bevölkerung gegenüber den etablierten demokratischen Parteien“, sagt er. Nicht ein Verbotsverfahren solle im Wahlkampf dominant sein, sondern eine glaubwürdige Politik, um die Menschen, die die AfD wählen, wieder zurückzugewinnen. „Das lässt sich nicht an das Bundesverfassungsgericht delegieren.“
Was sagen Skeptiker aus der Politik? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verweist auf das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren und betont, dass ein solches Verfahren sorgfältig vorbereitet werden muss. „Deshalb steht das jetzt nicht auf der Tagesordnung“, sagte er jüngst bei einer Fragerunde mit Bürgern. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies ebenfalls auf die Risiken hin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt, „man muss die AfD wegregieren“ und kündigte an, es werde keinen solchen gemeinsamen Antrag mit Ampel-Politikern geben. CDU-Chef Friedrich Merz stimmte ihm auf Nachfrage zu. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht lehnt eine „Verbotskeule“ ab, die ein „Wahlgeschenk“ an die AfD sei.
Was sagt die AfD? Parteichefin Alice Weidel sagte am Dienstag im Bundestag, der Verbotsantrag spiegele den „undemokratischen Ungeist der Konkurrenzparteien“ wider. Die AfD blicke dem Ganzen gelassen entgegen.
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