Und wer denkt an die Kinder? / Welche Rolle Luxemburgs Schulen in der Epidemie spielen
Schulen spielen in der Exit-Strategie aus den Corona-Maßnahmen eine wichtige Rolle. Der Schulbetrieb ist in der Gesellschaft von so wichtiger Bedeutung, dass Schulen nicht über längere Zeit geschlossen werden können. Außerdem ist bekannt, dass eine Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen nur in den seltensten Fällen zu einer schweren Covid-19-Erkrankung und noch seltener zum Tode führt. Wissenschaftler versuchen nun zu klären, ob Kinder und Jugendliche die Viren trotzdem im selben Maße wie Ältere verbreiten.
Nach acht Wochen Ausnahmezustand ist am Montag ein Stück Alltag nach Luxemburg zurückgekehrt. Nach acht Wochen kehrten die Schüler der Abschlussklassen wieder in die Schulgebäude zurück. Unterricht findet wieder unter dem Dach des Schulgebäudes und der Obhut der Lehrkräfte statt.
Die Schulen sind, nach den Baustellen, eine der ersten Institutionen in Luxemburg, in denen wieder so etwas wie Normalität einkehrt. Dass ausgerechnet Schüler als Erste wieder in den Alltag entlassen werden, ist gewiss kein Zufall. Schulen sind ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt im Leben der meisten Menschen. Ein kleiner Rückstand kann sich schnell zu einem großen Problem für die Schüler auftürmen.
Und natürlich ist die Regierung daran interessiert, die Schulen wieder zu öffnen. Denn in ihr wird nicht nur Schulwissen wie Lesen und Schreiben vermittelt. Schule ist für eine Gesellschaft auch ein Mittel, um ihre Normen und Werte weiterzugeben. Laut dem deutschen Soziologen Niklas Luhmann finden in den Schulen Selektionsprozesse statt – sei es für weiterführende Erziehung oder für Berufe im Wirtschaftssystem. Soziologe Helmut Schelsky ging so weit, Schulen als eine „bürokratische Zuteilungsapparatur von Lebenschancen“ zu nennen. Daneben trägt Schule, insbesondere bei jüngeren Kindern, zu einer Entlastung der Eltern bei und sorgt dafür, dass sie wieder am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen können.
Raus aus dem Lockdown
Die Devise der Luxemburger Politik lautet momentan: Luxemburg will raus aus dem Lockdown – aber langsam. Und sie wagt sich nicht völlig sorglos an die Öffnung der Schulen. Das zeigt sich u.a. in einer Aussage von Bildungsminister Claude Meisch, dass Kinder in der Regel symptomfrei seien, auch wenn sie das Virus hätten. Gleichzeitig unterstreicht er aber, dass sie das Virus dennoch übertragen können. Dementsprechend versucht man in den Schulen Vorsichtsmaßnahmen zu implementieren.
Die Studierenden-Organisation UNEL und die Gewerkschaft OGBL forderten nach der Öffnung der Schulen für die Abschlussjahrgänge, die Anwesenheitspflicht für Schüler aufzuheben. Die UNEL hat deswegen die Schüler dazu aufgerufen, der Anwesenheitspflicht nicht nachzukommen, und die Gewerkschaft appellierte an die Lehrkräfte, die Schüler dafür nicht zu bestrafen.
Wissenschaftler versuchen derzeit zu klären, welche Rolle Kinder und Jugendliche bei der Verbreitung des Virus spielen. Eine einfache Antwort scheint es (noch) nicht zu geben. Zum einen ist quasi seit Beginn der Epidemie bekannt, dass eine Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen nur in den seltensten Fällen zu einer schweren Covid-19-Erkrankung und noch seltener zum Tode führt. Andererseits ist aber auch bekannt, und daran hat Claude Meisch erinnert, dass auch Personen, bei denen keine Symptome auftreten, ansteckend sein können.
Kinder werden seltener schwer krank
Diese Einschätzung teilt „Santé“-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit. Er ist einer der Mediziner, die der Regierung beratend zur Seite stehen. Mittlerweile sei klar, dass Kinder seltener schwer an Covid-19 erkranken und dass bei ihnen nur selten Komplikationen auftreten. In welchem Maße Kinder das Virus übertragen (und aus der Schule mit nach Hause bringen können) sei noch nicht restlos geklärt: „Die Beweislage ist nicht ganz klar“, so Schmit gegenüber dem Tageblatt.
Forschende aus Deutschland und England – darunter der bekannte deutsche Virologe Christian Drosten – haben die Viruslast von Personen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, untersucht und dabei keinen Unterschied zwischen den Altersgruppen feststellen können.
Der Begriff Viruslast sagt aus, wie viele Viren sich im Blutserum oder Blutplasma einer Person befinden. Sie wird in Viren pro Milliliter Blutplasma angegeben. Sie ist ein Merkmal, anhand dessen das medizinische Personal feststellen kann, wie infektiös eine Person ist.
„Genau so infektiös wie Erwachsene“
In ihrer neuen Arbeit schreiben die Forschenden: „Die Analyse der Varianz der Viruslast bei Patienten verschiedener Alterskategorien ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen irgendeinem Paar von Alterskategorien, einschließlich Kindern. Insbesondere deuten diese Daten darauf hin, dass sich die Viruslast bei den sehr jungen Patienten nicht signifikant von derjenigen der Erwachsenen unterscheidet.“ Die Forschenden warnen deshalb „vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten in der gegenwärtigen Situation“ – „Kinder können genauso infektiös sein wie Erwachsene“.
Einen weiteren Mosaikstein, um zu verstehen, wie Schulöffnungen den Verlauf der Pandemie beeinflussen könnten, bildet eine neue Studie aus China. Die chinesischen Forschenden haben zahlreiche offizielle Daten zusammengetragen und ausgewertet. Die Studie liefert zwei wichtige Resultate. Das erste ist nicht überraschend. Nachdem in den untersuchten Städten Wuhan und Schanghai Maßnahmen zur sozialen Distanzierung getroffen worden sind, ist die Anzahl von sozialen Kontakten extrem zurückgegangen. Besonders die sozialen Kontakte von Kindern mit anderen Kindern wurden – durch Schulschließungen und Ausgangssperren bedingt – nahezu auf null reduziert.
Das zweite Resultat ist überraschender. Die Forschenden haben das Infektionsrisiko verschiedener Altersgruppen untersucht. „Zu diesem Zweck analysierten wir Covid-19-Kontaktverfolgungsinformationen, die aus detaillierten epidemiologischen Felduntersuchungen der CDC Hunan gewonnen wurden“, heißt es in ihrer Arbeit. Den Forschenden zufolge haben sich Kinder beim Kontakt mit infizierten Personen weniger oft angesteckt als ältere Menschen. „Wir stellten fest, dass die Anfälligkeit für SARS-CoV2-Infektionen mit dem Alter zunahm. Junge Personen (im Alter von 0-14 Jahren) hatten ein geringeres Infektionsrisiko als Personen im Alter von 15-64 Jahren. Ältere Personen im Alter von 65 Jahren und älter hatten dagegen ein höheres Infektionsrisiko als Erwachsene im Alter von 15-64 Jahren.“
Dieses Resultat steht im Widerspruch zu einer älteren Untersuchung aus Shenzhen, wie die Forschenden unterstreichen. Die Autoren der Shenzhen-Studie untersuchten Daten über die Kontaktpersonen von Covid-19-Patienten aus der südchinesischen Stadt Shenzhen und kamen zu dem Schluss: „Kinder waren ebenso wahrscheinlich infiziert wie Erwachsene.“
Negative Auswirkungen der Schulschließungen
Ein weiteres Puzzleteil kommt aus Großbritannien. Die dortige Taskforce (Imperial College Covid-19 Response Team) hat in einer Studie untersucht, welchen Einfluss verschiedene staatliche Maßnahmen auf die Eindämmung der Corona-Pandemie und die Zahl der Todesopfer haben. Ihren Berechnungen zufolge reduzieren Schließungen von Schulen und Universitäten in Großbritannien die Zahl der Todesopfer um „nur“ zwei bis vier Prozent. In einem Leitartikel im Fachblatt The Lancet – Child and Adolescent Health heißt es dazu: „Die meisten Belege für Schulschließungen stammen von Grippeausbrüchen wie der H1N1-Grippe-Pandemie 2009, bei der Kinder unverhältnismäßig stark betroffen waren. Während dieser Zeit schlossen die USA 700 Schulen, aber die Reaktion war lokal und nur für ein paar Wochen.“
Eine weitere wissenschaftliche Arbeit aus Großbritannien macht aufmerksam auf eine lange Liste potenzieller negativer Effekte von Schulschließungen. Zum einen sind das wirtschaftliche Nachteile für Eltern, die nicht arbeiten können, weil sie auf die Kinder aufpassen müssen. Besonders problematisch ist dies, wenn die Eltern im Gesundheitswesen arbeiten. Zum anderen könnten die Kinder auf die ohnehin gefährdeten Großeltern abgeschoben werden, befürchten die Forschenden. Aber auch um das Kindeswohl machen sie sich Sorgen – auch weil das Schulessen für einige Kinder eine wichtige Nahrungsquelle darstellt. „Eine rasche Überprüfung ergab Hinweise darauf, dass während ungeplanter Schulschließungen die Aktivitäten und Kontakte der Kinder zurückgingen, aber nicht aufhörten, wobei einige Hinweise darauf hindeuteten, dass dies besonders bei älteren Kindern und solchen, deren Eltern mit Schließungen nicht einverstanden waren, der Fall war.“
Auch Jean-Claude Schmit unterstreicht, dass sich die Resultate über die Ansteckungsgefahr bei Kindern zum Teil widersprechen. Die Studien seien zudem klein und in einem „künstlichen Rahmen“ durchgeführt worden, da mit ihnen erst begonnen wurde, nachdem schon Maßnahmen wie Schulschließungen ergriffen worden sind. „Die Beweislage ist diskutabel“, so Schmit.
Genauere Studien laufen gerade an
Viele Details um das Coronavirus sind noch nicht restlos geklärt. So ist zum Beispiel noch nicht genau bekannt, wie lange eine Immunität nach einer Erkrankung anhält. Studien darüber, welches Infektionsrisiko Kinder haben, widersprechen sich – zum Beispiel die Studien aus Hunan und Shenzhen. In den USA hat die „National Institutes of Health“-Behörde nun eine ausführliche Studie begonnen. Dazu sollen 6.000 Personen aus 2.000 Familien beobachtet werden. Die Studie soll dazu beitragen, festzustellen, wie viel Prozent der Kinder, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, Symptome der Krankheit entwickeln. Darüber hinaus wird die Studie untersuchen, ob sich die Infektionsraten von SARS-CoV-2 zwischen Kindern, die Asthma oder andere allergische Erkrankungen haben, und Kindern, die nicht daran leiden, unterscheiden. Ähnliche Studien laufen derzeit in Kanada und in den Niederlanden an.
Fast alle Länder der Welt hatten in den letzten Wochen ihre Schulen geschlossen. Luxemburg ist bei weitem nicht das einzige Land, in dem die Schulen langsam, aber sicher wieder zur Normalität zurückkehren. Unter anderem sind Deutschland, die Niederlande und Frankreich dabei, ihre Maßnahmen zu lockern. Eine Abiturientin hatte am Montag gegenüber dem Tageblatt berichtet, sie sei mit einem mulmigen Gefühl in die Schule zurückgekehrt. Sie berichtete auch, dass die Schüler Abstand gehalten und dort, wo es geboten war, Masken getragen haben.
Das Gesundheitsamt stehe täglich im Kontakt mit Regierungsmitgliedern, erklärt Dr. Schmit. Experten von der Universität rechnen darüber hinaus verschiedene Szenarien durch und versuchen herauszufinden, wie sich die Epidemie entwickelt, wenn diese oder jene Maßnahme gelockert wird. Dabei wird laut Schmit auch über Regeln gesprochen, die in den Schulen nun implementiert werden. Diskutiert werden auch ganz praktische Fragen, z.B. ob man Kindern alkoholhaltiges Händedesinfektionsmittel anvertrauen kann oder ob sie damit Schabernack treiben.
Verbreiten: Ja Erkranken: Nein (ausser bei einer gesundheitlichen Vorgeschichte.) Darauf kann man kommen ohne Experte zu sein und die Entwicklung der letzten Monate verfolgt hat.
Man stelle sich ausserdem den Impakt auf die gesellschaftliche Entwicklung vor,wenn alle Abschlussklassen,aber auch Primärschulklassen um ein ganzes Jahr zurückfielen. Das wäre so ähnlich wenn in ganz Luxemburg(oder Europa) ein ganzes Jahr keine Kinder zur Welt kämen. Es gibt einen lustigen Satz der in diese Richtung weist: „Ihre Pensionnierung reißt eine große Lücke in unsere Reihen.“
Die Schule soll den Virus in die Familien tragen.
Das Virus ist ja noch weit davon entfernt eine Rudelimmunität zu erzeugen.
Herr Meisch wäscht sich dann die Hände in Desinfektionsgel.
@Georges
Herr Meisch wäscht sich dann die Hände in Desinfektionsgel.
Eher in Unschuld wie Pontius Pilatus, hoffen wir mal das es keine neuen Infektionen gibt, sonst möchte ich nicht in der Haut von Herrn Meisch stecken.
@ Georges, @ Laird :
Dono kann de Meisch sech waeschen wei‘ hee wellt. Daat kritt heen nie mei‘ eweg, daat paescht him un Haut an Ho’er !
@HTK
„Verbreiten: Ja Erkranken: Nein (ausser bei einer gesundheitlichen Vorgeschichte.) “
Sie meinen außer den Kindern die das Kawasaki-Syndrom davon bekommen?
Entzündetes Herz, Venen und Arterien, Gehirn usw?
Die Langzeitfolgen sind noch gar nicht erfasst, auch bei den angeblich Genesenden ohne Vorerkrankungen.
Das Virus ist anhänglich, das geht nicht mehr weg.