Editorial / Welchen dunklen Pfad schreitet Deutschland hinab?
„Rauscht ihr noch, ihr alten Wälder?“ Ausgerechnet mit einem Gedicht des Nationalsozialisten Franz Langheinrich beginnt das Wahlprogramm der Thüringer AfD für die Landtagswahl. Und die haben die Rechtspopulisten – pardon, die „gesichert Rechtsextremen“ – am Sonntag ganz unpoetisch gewonnen. Mit mehr als 30 Prozent der Stimmen wird die AfD stärkste Kraft im Erfurter Landtag. Die Zweitplatzierten von der CDU haben fast zehn Prozent weniger.
Auch im Bundesland Sachsen klopft die AfD erneut an die 30-Prozent-Marke. Gut ein Drittel der Wähler in den beiden deutschen Ost-Bundesländern haben also „gesichert rechtsextrem“ gewählt. Zählt man die Stimmen des obskuren Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht“ dazu, sind es in Thüringen (Stand 20.15 Uhr) fast die Hälfte der Wähler, die die „Nicht-Kartell-Parteien“ (Bernd Höcke) gewählt haben. Oder anders gesagt: die Parteien gewählt haben, die nicht gerade durch faktische Tiefe glänzen.
Was ist die Ursache dafür? „Die da oben“ natürlich, also jene „Altparteien“ (Höcke), die in Ostdeutschland seit der Wende das Zepter schwingen. Und das sind sie auch tatsächlich. Denn sie haben ja offensichtlich nicht verhindern können, dass ein Großteil der Sachsen und Thüringer mit mehr als zwei Groschen Verstand woanders hingegangen sind. Übriggeblieben sind wohl unter anderem diejenigen, die, nun ja, woanders „wohl nicht genommen“ wurden. 2015 wuchs die Bevölkerung in Thüringen zum ersten Mal seit dem Mauerfall. Und das war dann nicht einmal durch natürliche thüringisch-thüringische Prozesse verursacht – sondern ausgerechnet durch Asylbewerber. Da reißt den übriggebliebenen Bio-Thüringern natürlich die Hutschnur.
Was die „Inhalte“ angeht, ist das populistische Rezept aber im Westen das gleiche wie in den neuen Bundesländern: die Konzentration auf das, „was das Volk wirklich will“: Man hetzt ein bisschen gegen Ausländer, verteufelt ein bisschen die Grünen, Putin ist ja gar nicht so schlimm, Windräder weg, Strom kommt aus der Steckdose, früher war alles besser, das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Lügen, die vor zehn Jahren noch neben Büchern über Prä-Astronautik und Werken à la „Krebs heilen mit Klangschalen“ in den schauerlichen Regalen des Kopp-Verlags verstaubten, haben sich inzwischen in die Mitte der deutschen Gesellschaft gefressen.
Wie sehr sich das Land in dieser vergangenen Dekade verändert hat, merkt man nicht nur im immer ekstatischer werdenden Hass in den sozialen Medien, sondern auch auf der sprichwörtlichen „Straße“. Ob im Klamottenladen, in der Kneipe oder in der Kfz-Werkstatt, wer heutzutage in Deutschland ein einfaches Gespräch führt, wird nicht selten nach kurzer Zeit darüber aufgeklärt, was von Brüssel, Berlin und natürlich den Grünen zu halten ist, so begeistert sind manche Gegenüber von ihren total revolutionären rechten Ansichten.
Diese Wahn- und Wunschvorstellungen schlagen jetzt langsam, aber sicher in politische Realität um: Die Grünen und die FDP sind aus dem Erfurter Landtag herausgeflogen, die SPD liegt im einstelligen Prozentbereich. So machtlos und schwach haben die demokratischen Parteien in der Bundesrepublik noch nie ausgesehen. Und das, obwohl die Ampelparteien in jüngster Vergangenheit noch mit Grenzkontrollen, Schnellabschiebungen (nach Afghanistan) und Messerverboten artig den Populisten hinterhergelaufen sind.
Ganz subjektiv könnte man meinen, dass der Anteil der Bevölkerung, der den Populisten schon auf den Leim gegangen ist, noch weit größer sein könnte. Welchen dunklen Pfad schreitet das Luxemburger Nachbarland, einer der Gründungsstaaten der Europäischen Union, bloß hinab? „Rauscht ihr noch, ihr alten Wälder?“ Anscheinend tun sie es noch.
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