Gesundheit / Weltdiabetestag: „Das Risiko null gibt es nicht“
Immer mehr Menschen erkranken weltweit an Diabetes – unter anderem darauf wollen die Vereinten Nationen mit dem Weltdiabetestag am 14. November aufmerksam machen. Laut den Verantwortlichen der „Association luxembourgeoise du diabète“ (ALD) gibt es auch in Luxemburg zunehmend jüngere Menschen mit Diabetes Typ 2 und das, obwohl diese Erkrankung einst vorwiegend bei älteren Patienten diagnostiziert wurde.
Ein kurzer Stich in den Finger, danach der Griff zu einem kleinen Gerät. Ein Teststreifen wird an die Einstichstelle gehalten, damit dieser den austretenden Bluttropfen aufsagen kann. Der Blick zum Display des Apparates zeigt: Der Blutzuckerwert liegt bei 91. „Alles in Ordnung“, erklärt die gelernte Krankenschwester Martine Tavernier. In der hauptstädtischen rue de Mühlenbach berät sie in der „Maison du diabète“ der „Association luxembourgeoise du diabète“ (ALD) Menschen mit Diabetes und zeigt ihnen auch, wie man den eigenen Blutzuckerwert richtig misst.
Denn trotz Aufkommen immer neuer Technologien zur Bestimmung des Glukosewertes – wie beispielsweise einem kontinuierlich messenden Sensor in der Größe einer Euro-Münze – gehört der Piks in den Finger für viele Diabetiker immer noch zum Alltag. So erhalten sie zuverlässige Informationen zu ihrem Blutzuckerwert. Bei einem gesunden Menschen liegt dieser bei nüchternem Magen gewöhnlich bei unter 100, nach dem Essen bei unter 140 Milligramm pro Deziliter.
Mehr als 30.000 Betroffene
Bei Diabetikern fallen diese Werte ohne Behandlung allerdings höher aus. Hochgerechnet 30.000 Menschen leben laut den Verantwortlichen der „Maison du diabète“ im Großherzogtum mit der Krankheit. Auch die Luxemburger „Santé“ spricht in einer Pressemitteilung zum Weltdiabetestag von mehr als 30.000 Personen. Eine genaue Erfassung aller Betroffenen sei allerdings schwierig, unter anderem deshalb, weil viele gar nicht wissen, dass sie Diabetes haben. Denn wie die Direktionsbeauftragte der „Maison du diabète“ Sylvie Paquet erklärt, macht sich die am weitesten verbreitete Version von Diabetes – nämlich Typ 2 – in den meisten Fällen schleichend bemerkbar: „Früher sprach man deshalb auch von ‚Altersdiabetes’. Diabetes Typ 2 schreitet oft langsamer voran, manchmal über Jahre hinweg. Früher kamen die Menschen etwa im Alter von etwa 50 bis 60 Jahren damit zu uns.“
Zwei Arten von Diabetes
Das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin hilft dem menschlichen Körper dabei, den in der Nahrung enthaltenen Zucker aufzunehmen und in Energie umzuwandeln. Bei Diabetikern vom Typ 1 produziert der Körper allerdings kein Insulin, weshalb dieses dann verabreicht werden muss. In den meisten Fällen tritt diese Form der Autoimmunerkrankung sehr plötzlich auf – oft in der Kindheit oder Jugend. Warum Menschen Diabetes Typ 1 bekommen, ist nicht eindeutig geklärt. Allerdings geht man davon aus, dass genetische und äußere Faktoren ein Ausbrechen begünstigen. Große Müdigkeit, Mundtrockenheit, ständiger Durst, starker Gewichtsverlust und vermehrter Harndrang können Anzeichen sein. Die häufigste Art von Diabetes ist Typ 2. Dabei ist der Körper nicht mehr fähig, genug Insulin zu produzieren, oder das produzierte Insulin ist weniger wirksam. Diese Art tritt meist schleichend und vorwiegend bei Erwachsenen auf – allerdings kommt sie zunehmend auch bei Jüngeren vor. Diese Form kann durch den eigenen Lebensstil beeinflusst werden, hängt aber auch mit anderen Risikofaktoren zusammen. Die Symptome ähneln denen von Typ 1, treten allerdings weniger ausgeprägt auf. Diabetes Typ 2 kann durch Abnehmen, regelmäßige Bewegung und Medikamente behandelt werden. Nicht zwingend muss Insulin verabreicht werden. Ein nicht behandelter Diabetes und eine chronische Überzuckerung des Körpers können in den schlimmsten Fällen unter anderem zu Erblindung, Herzinfarkten und Schlaganfällen führen.
Heute allerdings suchen auch zunehmend junge Menschen mit dieser Diabetesart die Informations- und Beratungsstelle in der rue de Mühlenbach auf. Grund für diese Entwicklung seien oft mangelnde Bewegung und eine ungesunde Ernährung. „Sie sitzen zu Hause vor dem Computer oder dem Fernseher und essen nicht gesund. Später im Berufsleben nehmen viele sich bei Stress keine Zeit mehr, was Ordentliches zu Mittag zu essen“, fasst Sylvie Paquet das Problem zusammen. Neben nicht beeinflussbaren Faktoren wie Alter oder Genetik, erhöhen Bewegungsmangel sowie Gewicht das Risiko des Ausbrechens von Diabetes Typ 2.
Kleine Veränderungen, große Wirkung
Während eine Erkrankung an Typ 1 durch das Spritzen von Insulin behandelt werden muss, ist das bei Typ 2 nicht zwingend notwendig. Denn schon kleine Veränderungen im Alltag können manchmal zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. „Zuerst sollte man mehr Bewegung in den Alltag integrieren – das muss gar nicht so anstrengend sein“, erklärt Sylvie Paquet, und Martine Tavernier ergänzt: „eine Bushaltestelle früher aussteigen, mehr zu Fuß gehen, die Treppen statt den Lift nehmen“. Als Sportarten empfehlen sich Radfahren auf dem Hometrainer, Schwimmen oder Turnen.
In puncto Ernährung steht im Idealfall viel Gemüse auf dem Speiseplan, während Fertigprodukte davon gestrichen werden. Sylvie Paquet empfiehlt: „Verarbeitete Produkte sollten so wenig wie möglich gegessen werden, denn diese enthalten oft Fett und Zucker. Am besten ist es, selbst zu kochen.“ Zuckerhaltige Getränke wie Limonaden, Sirup oder Säfte gilt es zu meiden. Alkohol sollte nur in geringen Mengen getrunken werden. Und diese Empfehlungen gelten nicht nur für Diabetiker oder Menschen, die ein höheres Risiko haben, an Diabetes zu erkranken: „Mit einer gesunden Lebensart und Weise gewinnt man immer“, meint Sylvie Paquet.
Denn ob durch Alter, Bluthochdruck oder die Krankengeschichte der Familie – es gibt zahlreiche Faktoren, die das Risiko eines Ausbruchs von Diabetes Typ 2 erhöhen. Neben Infoabenden, Kochkursen und Schulungen kann man deshalb in der „Maison du diabète“ auch einen Fragebogen zur Wahrscheinlichkeit einer Diabeteserkrankung ausfüllen: den sogenannten Findrisk-Test (Finnish Diabetes Risk Score). „Da kommt eigentlich nie null heraus. Denn das Risiko null gibt es eigentlich nicht“, stellt Krankenschwester Martine Tavernier fest. Den Test kann man auch auf der Webseite der Luxemburger „Santé“ machen.
Unterzuckerung vermeiden
Erzielen sportliche Aktivität und eine ausgeglichene Ernährung keine Verbesserung, kommen bei Typ 2 orale Antidiabetika und in einem letzten Schritt Insulin zum Einsatz. Bei Typ 1 muss hingegen immer Insulin verschrieben werden. Das Messen des eigenen Blutzuckerspiegels und das Abwägen der richtigen Menge an zu verabreichendem Insulin sind bei Diabetikern vom Typ 1 fester Bestandteil des Alltags. Denn bei einer unangepassten Behandlung kann es zu Unterzuckerung kommen – wenn je nach Person der Blutzuckerspiegel unter etwa 60 Milligramm pro Deziliter fällt.
Blässe, Sehstörungen, Schwitzen, Verwirrung und Zittern sind Anzeichen einer Unterzuckerung. „Es kann sogar vorkommen, dass Betroffene ohnmächtig werden – das hat aber nichts mit einem Koma zu tun. Viele fürchten sich trotzdem davor, da es gefährlich werden kann, wenn sie beispielsweise alleine zu Hause oder mit dem Auto unterwegs sind“, berichtet Sylvie Paquet. Bei jedem Diabetiker sieht die Unterzuckerung anders aus und kann von Mal zu Mal unterschiedlich empfunden werden. Helfen kann in dem Fall ausnahmsweise eine Limonade oder Traubenzucker.
Aktion zum Weltdiabetestag
Am Dienstag wird im Amphitheater des „Centre hospitalier de Luxembourg“ (CHL) in der 4, rue Barblé in Luxemburg-Stadt eine Reihe mit kurzen Vorträgen rund um das Thema „Diabetes“ organisiert. Die Vorträge werden zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr in luxemburgischer und französischer Sprache gehalten. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Für beide Veranstaltungen gilt Covid-Check.
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