„Fräiraim“-Festival / Wenig Harmonie: Kulturschaffende ärgern sich über Angebot, umsonst aufzutreten
Bereits zum zweiten Mal veranstaltet die Philharmonie ein Festival, bei dem die Teilnehmer kein Honorar erhalten sollen. Das regt Kulturschaffende auf, die eine verhängnisvolle Tendenz sehen – doch die Organisatoren finden das unbegründet.
Es ist eine beliebte Masche, mit der freischaffende Künstler und Kulturschaffende allzu oft konfrontiert sind: Sie werden aufgefordert, doch irgendwo ihre Musik, Bilder, Texte oder sonstige Werke oder Darbietungen einzubringen – und zwar ohne finanzielle Gegenleistung. Gerne wird dann noch auf den angeblichen Werbeeffekt verwiesen, den das Mitmachen ja habe.
Einen entsprechenden Fall beklagen Kulturschaffende in Luxemburg derzeit – wobei im Mittelpunkt sogar ein gewichtiger Akteur steht, der mit viel öffentlichem Geld unterstützt wird: Es geht um das „Fräiraim“-Festival, das Ende Juni 2024 von der Philharmonie federführend ausgerichtet wird.
Bei Facebook hat sich der Luxemburger Musiker Christophe Reitz über die Modalitäten empört – in einem Posting, das innerhalb weniger Tage mehr als 400 Likes bekommen hat und mehr als 150 Mal geteilt wurde. Reitz zitiert aus den Teilnahmebedingungen. Darin heißt es, das Festival sei „nicht kommerziell ausgerichtet“, weshalb es auch kein Honorar von der Philharmonie gebe. „Aber keine Sorge“, heißt es im jovialen Ton weiter, „wir lassen dich nicht im Stich“. Es gebe „ein ganzes Arsenal an Ressourcen“, das „kostenlos zur Verfügung gestellt werde“. Gemeint sind damit etwa die Bühnentechnik, das technische Personal und „Kommunikationsressourcen“. Die wohl rhetorische Frage „Nicht schlecht, oder?“ aus der Ausschreibung beantwortet Reitz anders, als das wohl gedacht war: „Für wie dumm haltet ihr die luxemburgischen Kulturschaffenden?“, giftet er bei Facebook – und fragt, wie es sein könne, dass „jedes kleine Café, jeder Verein, jede Privatperson“ etwas geben könne, aber nicht eine Einrichtung, die kommendes Jahr mit 25 Millionen Euro gefördert werde. „Man prahlt mit einer ungekannten Arroganz, auf Kosten von Künstlern, die umsonst den Clown geben dürfen!“
Ministerium weist Kritik zurück
In den Kommentaren sekundieren Kulturschaffende wie Serge Tonnar. „Das kann doch wohl nicht sein, dass sie diese Dummheit noch einmal machen“, ärgert sich der Liedermacher, dass die gleiche Kritik im Jahr 2022 fruchtlos geblieben ist. Und die Schauspielerin Claire Thill stellt fest: „Es sind immer die größten Institutionen mit dem meisten Geld, die am knickerigsten sind!“
Gegenüber dem Tageblatt weist das Kulturministerium als Mitveranstalter das alles weit von sich und zitiert ebenfalls die Bewerbungsbedingungen, in denen es etwa heißt, man mache „keinen Gewinn“ und werde auch „keine Eintrittskarten verkaufen“. Es würden generell „zu keinem Zeitpunkt Profimusiker/innen zum honorarfreien Arbeiten aufgerufen“.
Vielmehr sei das Festival vor zwei Jahren ausdrücklich „als Festival für Freizeitmusiker/innen“ ins Leben gerufen worden (das Tageblatt berichtete). Die Idee sei, „den Amateur- und Freizeitbereich zu unterstützen, indem man den Musiker/innen, Harmonien, Fanfaren, Gruppen, Bands, Schüler/innen usw. die professionellen Einrichtungen der Philharmonie während drei Tagen zur Verfügung stellt“. Insgesamt biete sich damit eine wohl „einmalige“ Gelegenheit, an einem Ort aufzutreten, der sonst Profis vorbehalten ist.
Kritiker: „Ethik-Charta“ auch erfüllen!
Ansonsten nehme man die rund 800 Teilnehmer der Erstauflage als Beweis dafür, dass das Konzept „eine sehr konkrete Nachfrage füllt“ – und dass die Szene der Freizeitmusiker von dieser Förderung nur profitieren könne. Weiterhin heißt es gegenüber dem Tageblatt: „Die faire Behandlung und Entlohnung der professionellen Kulturschaffenden Luxemburgs stehen im Kulturministerium an erster Stelle.“ Das sei nachvollziehbar etwa anhand der „Ethik-Charta für kulturelle Strukturen, welche bis dato von über 110 Strukturen unterschrieben wurde“. Weiterhin sei in letzter Zeit die professionelle Szene durch eine Anpassung der Sozialhilfen für Kurzzeit-Beschäftigte im Kulturbetrieb und freischaffende Künstler zusätzlich unterstützt worden. Die Einführung von Kulturpreisen in allen Bereichen habe weitere Akzente gesetzt.
Die Argumentation verfängt wiederum bei Kritiker Reitz nicht, als das Tageblatt ihn dazu kontaktiert. Abgesehen davon, dass viele Veranstaltungen fürs Publikum kostenlos seien, wie die „Fête de la Musique“, sehe die Realität sowieso so aus, dass viele Veranstalter von den Ticketerlösen gar nicht leben könnten, sondern massive Zuschüsse bekämen. Und die vom Ministerium ins Feld geführte Charta sei umso mehr Verpflichtung, diese auch zu erfüllen – etwa die Stelle, wo es heißt, „aufgrund der erhaltenen öffentlichen Finanzierung und ihrer Rolle in der Gesellschaft“ sei jede kulturelle Struktur „verpflichtet, sich in ihrer Verwaltung und in ihren Interaktionen mit Dritten vorbildlich zu verhalten“.
Reitz befürchtet: Wenn „die Leute und andere Veranstalter sehen, dass da Dutzende Bands umsonst spielen“, verstärke das „eine Tendenz, die nicht förderlich ist“. Gerade die Philharmonie solle besser mit gutem Beispiel vorangehen. „Die können sich das leisten!“, sagt der Musiker.
Tatsächlich wurden 2022 im Staatshaushalt 24,5 Millionen Euro für die Philharmonie vorgesehen. Nach Auskunft des Kulturministeriums deckt diese Summe die Personalkosten für die 178 Mitarbeiter (darunter 100 Musiker) ab. Zudem werde damit das gesamte Programm gestemmt, das jährlich mehr als 120 Konzerte umfasst. Das Ministerium erklärt selbstbewusst, die Philharmonie stelle „ein wichtiges Aushängeschild für Luxemburg dar und ziehe ein großes Publikum weit über die Grenzen des Landes an“.
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