Drangsal im Job / Wenn Arbeiten zur seelischen Tortur wird: Mobbing ist auch in Corona-Zeiten ein Thema
Über Luxemburg rollt die dritte Corona-Welle, schon seit Monaten heißt es, wer kann, soll im Home-Office arbeiten. Mobbing auf der Arbeit kann trotzdem vorkommen, auch wenn Täter und Betroffener nur übers Internet verbunden sind. Magdalena Mida vom Verein „Mobbing“, der sich gegen das Drangsalieren von Arbeitnehmern einsetzt, sieht in Luxemburg immer noch dringenden Nachbesserungsbedarf – und erklärt, wie Mobbing in der Corona-Krise neue Züge annimmt.
Burnout, Depressionen, psychosomatische Störungen, Verlust des Selbstvertrauens … Mobbing kann eine verheerende Wirkung haben. Für den Betroffenen, aber auch für die Familie. „Manche haben ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen“, sagt Psychologin Magdalena Mida, Direktorin des Vereins „Mobbing“. Die Organisation setzt sich seit mehr als 20 Jahren im Kampf gegen Mobbing am Arbeitsplatz ein. Im europäischen Vergleich schneidet Luxemburg bei der Thematik verglichen mit den Nachbarländern ziemlich schlecht ab. 2019 wurde bei einem direkten Vergleich festgestellt, dass hierzulande der Prozentsatz der Betroffenen fast doppelt so hoch ist wie in Deutschland.
„In Luxemburg ist Mobbing doch immer noch ein Tabuthema“, sagt Mida. Dabei schätzt sie, dass in jedem Luxemburger Haushalt entweder eine Person selbst betroffen ist oder man zumindest jemanden kennt, der Mobbing ausgesetzt ist. Wie das Arbeitsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage am Dienstag schrieb, seien 2019 431 Informationsanfragen zum Thema Mobbing bei der Gewerbeinspektion (ITM) eingegangen und 13-mal kam es zu einer Anzeige. In den ersten neun Monaten dieses Jahres seien es 306 Anfragen gewesen. Und achtmal wurde jemand wegen Mobbing angezeigt.
Wenige Anzeigen
Beim Verein „Mobbing“ hat man ähnliche Zahlen, sagt Mida. Bis Oktober hätten sich 523 Personen bei der Organisation gemeldet. „Zwei Drittel von ihnen, weil sie selbst von Mobbing betroffen gewesen sind.“ 143 Dossiers seien aufgemacht worden. „Das sind 143 Leben, die wegen mutwilligen Drangsalierens auf der Arbeit auf den Kopf gestellt wurden“, sagt Mida. In nur zehn Fällen habe die Person die Prozedur für eine Anzeige bei der ITM in die Wege geleitet.
Wieso gibt es diese Diskrepanz zwischen dem erlebten Mobbing und den daraus resultierenden Anzeigen? „Die Leute haben Angst. Allein sich bei uns zu melden, ist ein großer Schritt“, betont Mida. In der Corona-Krise habe sich das noch verstärkt, da bei vielen die Angst, die Arbeit durch eine Beschwerde zu verlieren, noch größer sei. Dazu kommt, dass die Beweislast beim Mobbing-Vorwurf bei der Person liegt, die die Anzeige erstattet. Oft sei es allerdings schwer, die kontinuierliche Tyrannei von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten wirklich nachzuweisen. Allein bei einer Anzeige wegen sexueller Belästigung gilt in Luxemburg eine verminderte Beweislast.
Mobbing in der Corona-Krise
Als die Corona-Krise Luxemburg erreichte, waren einige der Betroffenen froh, im Home-Office zu sein. „Sie meinten, dass wenn sie nicht am Arbeitsplatz sind und so die Person, die sie fertigmacht, nicht sehen, es einfacher würde“, sagt Mida. Doch das war längst nicht für alle der Fall. Statt beleidigender Sprüche und ständigem Drangsalieren auf der Arbeit wurden sie nun „gemikromanagt“. „Manche mussten jederzeit für Video-Konferenzen bereit sein. Es wurde kontrolliert, wie schnell man auf E-Mails antwortet. Teilweise wurde von den Personen erwartet, noch weit über die normale Arbeitszeit hinaus E-Mails und Anrufe anzunehmen und zu beantworten. Manche Chefs hielten teilweise stundenlange Meetings ab, was zu langen Überstunden führte“, sagt Mida. Die Belastung und der Stress seien keineswegs abgeflaut. Andere wiederum wurden von der internen Kommunikation abgeschnitten und gezielt isoliert. Dazu kam, dass das, „was früher an Ort und Stelle geklärt werden konnte, nun über andere Wege zur Sprache gebracht werden musste“.
Als die erste Welle etwas abgeflaut war und man an vielen Stellen wieder zurück zur Arbeit konnte oder musste, stellte der Verein eine neue Tendenz bei den Beschwerden fest. „Es haben sich auf einmal besonders viele Leute gemeldet, die als gefährdet galten“, sagt Mida. Sie haben sich am Arbeitsplatz unsicher gefühlt, weil Kollegen die Barriere-Regeln banalisiert oder missachtet hätten. Manche wurden für ihre „Übervorsichtigkeit“ gehänselt.
Aus dem Job tyrannisiert
In der zweiten Hälfte hätten auch Anrufe von Personen zugenommen, die plötzlich unter Druck standen, weil sie während der Krise den „Congé pour raison familiale“, den der Staat unter anderem zur Versorgung der Kinder während den „Corona-Ferien“ erweitert hat, genommen haben. „In der Art ‚Wieso musstest du den Urlaub nehmen, wenn deine alleinerziehende Mitarbeiterin trotzdem zur Arbeit kam? Hättest du dich nicht anders organisieren können?’. Das ist zu einem neuen Auslöser von Mobbing geworden“, sagt Mida. Manche Personen wurden während der Coronazeit auch ganz gezielt aus dem Job tyrannisiert. „Die Kurzarbeit wurde in einigen Fällen dazu missbraucht, Leute wegzukriegen“, sagt Mida. Obwohl die Betroffenen zu Hause waren, mussten sie ständig abrufbereit sein. So wurden sie teils unstrukturiert und nur für einzelne Meetings ins Büro gerufen, und dort dann so fertiggemacht, dass sie das Handtuch werfen wollten.
Dass sich die Situation in Luxemburg in nächster Zukunft verbessert, glaubt Mida nicht. „Ich habe zwar keine Kristallkugel, aber ich nehme an, die Zahl der Betroffenen wird weiter steigen.“ Man mache sich allerdings Hoffnungen, dass sich zumindest die rechtliche Situation in Zukunft bessern werde. Arbeitsminister Dan Kersch hatte im vergangenen Jahr mehrmals in Aussicht gestellt, einen Gesetzentwurf zum Thema bis Ende des Jahres vorzulegen. Auch bei der Antwort auf die parlamentarische Frage sagt der Minister, es werde derzeit an einem Gesetzes-Vorprojekt gearbeitet. Auf die Frage, ob der bisherige Zeitplan trotz der Corona-Krise eingehalten werden könne, äußerte sich das Ministerium auf Nachfrage des Tageblatt nicht.
Mobbing Asbl
Der Verein „Mobbing“ setzt sich seit 20 Jahren im Kampf gegen Mobbing ein. Er bietet unter anderem individuelle Beratungen für Betroffene an, kann die Personen auch bei Gesprächen mit Arbeitgebern begleiten und eine Mediation bzw. Schlichtung in die Wege leiten. Außerdem organisiert der Verein Weiterbildungen für Arbeitgeber im Bereich Mobbing-Prävention und Konferenzen zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit an.
Wegen der aktuellen Pandemie hat sich ein Großteil der Beratungen auf digitale Plattformen verschoben. Man bietet Gespräche über Video- und Telefonanrufe an. In Notfällen seien auch persönliche Treffen im Büro möglich, unter Einhaltung der entsprechenden Hygieneregeln.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.mobbingasbl.lu
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Da würde ich mal nichtv fragen ob das erlaubt ist! Bei mir in der Arbeit wird gefilmt und abgehört…