/ Wenn es nicht zum Leben reicht: Prekäre Lebenssituationen und kaum Aussicht auf Besserung
Allein, ausgelaugt, ohne die Möglichkeit, sich zu erholen, und gepaart mit finanziellen Sorgen: Gefühle wie diese kennen viele. Bei alleinerziehenden Eltern in Luxemburg gehören sie zum Alltag. Sämtliche Versuche, die Situation wenigstens finanziell zu entschärfen, sind bis jetzt gescheitert.
„Die Kindererziehung alleine zu meistern und dabei Vollzeit zu arbeiten, dazwischen noch Termine und Entscheidungen, die man alleine treffen muss – dafür braucht es viel Energie“, sagt Evelyne Mendes Cabral (33). Die Luxemburgerin wohnt mit ihrer neunjährigen Tochter in Esch. 23.000 Personen leben nach Angaben der Statistikbehörde Statec derzeit in Luxemburg in Form einer alleinerziehenden Familie zusammen.
Als sich Mendes Cabral 2009 von ihrem Ehemann, einem Luxemburger, trennt, ist die gelernte Friseurin schwanger. 2010 bringt sie ihre Tochter zur Welt. 2016 schließt sie in Lüttich eine zweite Ausbildung zur Erzieherin ab. 2019 beginnt sie berufsbegleitend eine dritte Ausbildung zum „Personal Coach“ in Saarbrücken. Sport und Fitness sind ihre Hobbys. Sie arbeitet in Vollzeit in einem Studio in Luxemburg-Stadt und verdient den qualifizierten Mindestlohn. Seit ihre Tochter drei Monate alt ist, arbeitet Mendes Cabral Vollzeit. Ihr Leben klappt irgendwie, mit Höhen und Tiefen und Kompromissen. „Ich hätte manchmal schon gerne Teilzeit gearbeitet, um noch mehr für meine Tochter da zu sein“, sagt sie. Leisten kann sie es sich nicht.
Wohnungssuche ist ein Teufelskreis
2019 ändert sich die Lage. Mendes Cabral begibt sich auf Wohnungssuche – und ein Teufelskreis beginnt. 1.500 Euro kostet nach ihren Angaben eine Wohnung in Luxemburg mit zwei Schlafzimmern. Die braucht sie mit einem inzwischen neunjährigen Kind. Bei 2.585 Euro liegt ihr derzeitiges Einkommen zusammen mit dem Kindergeld. Das schreckt jeden Vermieter ab. Zahlreiche Vorstellungsrunden hat sie hinter sich, bis jetzt gibt es nur Absagen. Sie steht unter Druck. „Wenn ich meiner Tochter kein stabiles Umfeld bieten kann, obwohl ich arbeite, besteht die Gefahr, dass sie mir weggenommen wird“, sagt die Mutter, die selbst im SOS-Kinderdorf aufgewachsen ist. „Ich müsste 4.000 bis 5.000 Euro verdienen, um so eine Wohnung zu bekommen.“ Die Kaution in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten aufzutreiben, ist unmöglich.
Der leibliche Vater ihrer Tochter zahlt unregelmäßig oder gar nicht Unterstützungsleistungen. Auf monatliche 367 Euro setzt ein Gericht 2016 die Zahlungen fest. Trotzdem fehlen laut Mendes Cabral 20.000 Euro, die ihr an Unterhaltszahlungen nicht bezahlt wurden – trotz Lohnpfändung. Sie will unbedingt in Esch bleiben. „Meine Tochter hat schon drei Mal die Schule gewechselt, den nächsten Schulwechsel will ich ihr gerne ersparen“, sagt die Mutter, die zwischenzeitlich mangels Alternativen im ganzen Land sucht. In ihrer Not landet sie beim „offenen Tisch“, den der CSV-Deputierte und Hauptstadtgemeinderat Paul Galles alle zwei Monate veranstaltet. Drei dieser runden Tische gab es bis jetzt.
Parlamentarische Anfrage zum Thema
Galles stellt am 20. Juni 2019 in diesem Zusammenhang auch eine parlamentarische Anfrage an DP-Familienministerin Corinne Cahen. Darin thematisiert er die Berechnungen der „Chambre des salariés“ (CSL) zum Armutsrisiko von Alleinerziehenden. Demnach liegt es bei dieser Bevölkerungsgruppe bei 46,2 Prozent. Die Zahl der Alleinerziehenden mit „extremem“ Armutsrisiko liegt seit 2016 bei 23,3 Prozent. Zwischen 2008 und 2015 lag es im Durchschnitt noch bei elf Prozent. Galles fragt nach den Gründen für den Anstieg – und nach Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken.
Die Antwort kommt am 19. August. DP-Familienministerin Corinne Cahen weist darauf hin, dass sich die CSL-Studie auf Zahlenmaterial des Jahres 2017 beruft. Darin spiegelten sich weder die Reform des „Revenu d’inclusion sociale“ (Revis) wider, die seit 1. Januar 2019 in Kraft sei, noch andere Maßnahmen der aktuellen Regierung. Als Maßnahmen nennt sie die Anpassungen an die „Allocation de vie chère“, gratis Schulbücher im „Secondaire“, die „subvention loyer“, gratis Kinderbetreuung und die neuen Berechnungen zum „Chèque-service accueil“. Cahen erklärt, dass von den Alleinerziehenden, die arbeiten, 90 Prozent unbefristet eingestellt seien. Allerdings sei der Anteil von Alleinerziehenden, die in Teilzeit arbeiteten, doppelt so hoch wie im Rest der Bevölkerung.
Antwort dreht sich um Revis-Empfänger
Das bleiben aber auch die einzigen Bemerkungen in Cahens zweieinhalbseitiger Antwort, die Alleinerziehende in einem Arbeitsverhältnis betreffen. Der Rest bezieht sich auf Revis-Empfänger. Unerwähnt bleibt die Tatsache, dass die Arbeitszeiten alleinerziehender Eltern auch mit den Öffnungszeiten von „Crèches“ oder „Maisons relais“ vereinbar sein müssen.
Für sie gibt es keinen anderen Elternteil, mit dem sie sich absprechen können – und für einen Babysitter reicht das Geld bei den wenigsten. Mendes Cabral wechselt im September zurück in ihren erlernten Beruf als Erzieherin. Dort sind die Arbeitszeiten besser.
Jean Heuschling (57) kennt nicht nur die finanziellen Seiten des Lebens als Alleinerziehender. Seit der Scheidung von seiner Frau vor rund sieben Jahren lebt seine inzwischen 16-jährige Tochter nach einem zweiten Gerichtsurteil bei ihm, der inzwischen 19-jährige Sohn zeitweise. Besuchsrecht, ein Kind ganz bei ihm, alle beide bei ihm, dann nur eines, der „Ingénieur industriel“ hat alle Situationen nach einer komplizierten Scheidung hinter sich. Seitdem hat er seine Arbeitszeit auf 75 Prozent heruntergeschraubt. Herunterschrauben müssen. „Mir blieb nichts anderes übrig“, sagt Heuschling.
Petition für Steuerklasse 2
Finanzielle Sorgen hat er angesichts eines, wie er sagt, „guten“ Einkommens nicht. Ihn treiben viel mehr Fragen der Gerechtigkeit um. Schon drei Mal hat er Petitionen initiiert. Gerade erst ist die letzte im Namen des „Collectif monoparental“ mangels ausreichender Unterschriften gescheitert. In der Petition forderte Heuschling wie in den vorangegangenen eine Einstufung der Alleinerziehenden in Luxemburg in die Steuerklasse 2. Drei Jahre lang können Alleinerziehende nach einer Trennung in dieser Steuerklasse bleiben. Danach werden sie automatisch in die Klasse 1a eingestuft, sagt Heuschling. „Alleinerziehende mit einem Kind bezahlen teilweise doppelt so viele Steuern wie ein Paar ohne Kind“, sagt Heuschling. „Menschen mit Kindern haben immer mehr Ausgaben als Menschen ohne Kinder – auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird.“
Von der Besteuerung ausgenommen seien Geringverdiener bis zu einem Jahreseinkommen von 35.000 Euro brutto, sagt der alleinerziehende Vater, der sich als Steuerexperte entpuppt. „Ich finde die Steuerklasse 1a für Alleinerziehende einfach ungerecht“, sagt er und übt Kritik am Steuersystem. „Viel zu kompliziert“, sagt er. Außerdem würde von politischer Seite immer damit argumentiert, es gebe ja spezielle Hilfen. „Die bekommen andere auch“, sagt er. „Da wird vermischt, was nicht zusammengehört.“ Finanzminister Pierre Gramegna (DP) kennt das Problem. Bei den Petitionen zuvor hat Heuschling von seinem Recht Gebrauch gemacht, trotz des Scheiterns schriftlich Fragen stellen zu dürfen. „Da verweist die Politik auf die letzte Steuerreform“, sagt er. „Da haben sie gar nichts für uns gemacht, außer an den ,Crédit d’impôt monoparental‘ weitere Bedingungen zu knüpfen.“
4.500 Unterschriften braucht es, damit es eine Petition zur Anhörung ins Parlament schafft. Knapp 2.400 kamen beim letzten Versuch zusammen. 1.200 Mitglieder hat das lose auf Facebook organisierte „Collectif monoparental“. Eine eigene Internetseite oder einen eingetragenen Verein (Asbl) gibt es nicht. Hätten pro Mitglied vier Unterzeichner mobilisiert werden können, hätten sie es geschafft. „Die Solidarität ist mangelhaft, es fehlt auf allen Seiten an Zivilcourage“, antwortet Heuschling auf die Frage nach den Gründen. Ändert sich das nicht, wird es bleiben, wie es ist.
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Kennen daat vun menger Duerchter, greng ann blo geschloen ginn, mee elo geht dei Saach endlech op der PARKET, wann mir him nett helefen giefen, waer hat matt sengen 2 Kanner (2 and 3 Meint) schlecht drunn!
Dei matt den Muckien opp der Gare kreien hier Suen hannen erangeblosen, etc. etc.! Eis regierung ass keen Sou waerd!!!! Dank eiser Ennerstetzung huert hatt awer elo een klengt Haus fond – Muss jo noh dem engen Johr erem schaffe goen an en Creche fir 2 Kanner ass och nett geschenkt! Ech hoffen nemmenb dass sain Patron hat behaellt!?! Alt erem een Chomeur mei am Laendle!
@Ute Reichling
Dat déet mir léed fir éech an är Duechter,mée ech sin net ganz anverstannen domaten dass dir sot,dass eis Regierung kéen Sou wert ass,dém kann ech esou net zoustemmen.Mée dat mat ärer Duechter ass schlemm,ech kann nemmen hoffen,dass et him glaich besser géet.Kéen Mensch huet et verdéngt gréng an blo geschloen ze gin,dat ass och fir déi 2 Kanner schlecht,et ass secherlech éen Trauma fir d’Liérwen fir esou eppes mat ze maachen.Hoffentlech huet och sain Patron éen Angesin an behält är Duechter an deser schwéierer Situatioun.Ech fannen dat perséinlech och gudd an fir mech och selbstverständlech,dass dir ärer Duechter esou bai stitt,méngem perséinlechem Empfannen no wier ech dann schun laang fort gaangen vun éngem Liérwensgefährten dén mech géif schloen.Ech wönschen éech alles Gudds fir d’Zukunft an dass fir éech,är Duechter an déi 2 Kanner alles gudd get.Losst den Kapp nie hänken an halt zu ärer Duechter,egal wat geschitt,well ech wées vun wat ech schwetzen,ech kommen och aus énger grousser Famill wou et dax net einfach war an wou et och zu Gewalttätegkéeten komm ass vun 1970 bis 1980,ech denken bis haut do drun.
Alleinerziehend und berufstätig: ein schier unmöglicher Spagat. Zumindest eine extreme Herausforderung, die nicht nur die Finanzen sondern auch die Gesundheit arg strapaziert und nicht viel an Lebensqualität übrig lässt!
Der Schein im reichen Luxusburg nach aussen trügt,
hinter den Kulissen sieht’s stellenweise ganz schlimm aus,
das lässt die überheblichen Politiker kalt,
rum laabern und Angebersprüche von sich geben,so kann
man sich nach aussen profilieren, alles armselig.