Sprachen / „Wenn ich Esperanto nicht schaffe, werde ich nie eine Sprache lernen“
Diesen Sonntag vor 160 Jahren wurde der Erfinder des Esperanto, Ludwik Lejzer Zamenhof, geboren. Esperanto ist zwar nicht die lingua franca der Welt geworden, doch überall auf dem Planeten lernen und sprechen Menschen die Plansprache. Johannes und Eva moderieren den Esperanto-Podcast Kern.Punkto, in dem sie über Themen aus Gesellschaft und Wissenschaft sprechen.
Das Archiv von Kern.Punkto bietet eine sehr eklektische Auswahl an Themen. Diese reichen von Wein über Israel bis hin zu Gravitationswellen und Planeten. Das Besondere an dem Podcast ist seine Sprache: Esperanto.
Esperanto wurde vor über 100 Jahren von dem polnischen Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof geschaffen, mit dem Ziel, eine Sprache ins Leben zu rufen, die einfach zu lernen ist und die zur besseren Kommunikation der Weltbevölkerung beitragen soll. Die Sprache kommt mit einer Handvoll Regeln und ohne Ausnahmen aus, sodass Esperantisten nur noch die Vokabeln lernen müssen. Nomen enden immer auf -o, Adjektive auf -a, Verben auf -is, -as und -os, je nachdem, ob es sich um Vergangenheitsform, Präsens oder Futur handelt. Durch diese Formalisierung ist die Stellung von Wörtern im Satz sehr flexibel.
Communitys
Zum ersten Mal hörte Eva von der Sprache als Kind, als ihr ihre Großmutter erzählte, welch tolle Sprache Esperanto ist. Später, als sie etwas Neues lernen wollte, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Großmutter. „Ich war nie gut in Sprachen“, sagt sie. „Ich habe mir gesagt, wenn ich Esperanto nicht schaffe, dann werde ich nie eine Sprache lernen.“
Johannes bezeichnet sich selbst als „Universaldilettant“. Er programmiert und hat nebenbei ein Musikprojekt, bei dem er Musik auf Esperanto macht. Bei seinen Studienaufenthalten in Schweden und Frankreich stellte er fest, dass es Communitys für Sprecher einzelner Sprachen gibt. Diese sind jedoch immer regional begrenzt, musste er feststellen. Bei der Esperanto-Community ist das anders. Bei der Esperanto-Community ist kein Thema vorgegeben. Mehrheitlich sind Esperantisten zwar weltoffene Menschen, stellt Eva fest, allerdings gibt es auch die Esperanto-Gemeinde Menschen, die nicht so denken, sagt sie.
Viele Musikstücke und Literaturwerke
Ob es viele Bücher und Musik auf Esperanto gibt? Gemessen an der Anzahl der Sprecher gibt es sogar einen recht großen Korpus an Literatur und Musik in der Sprache, erzählt Johannes. Es gibt einen Esperanto-Bücherdienst und Bands, die auf Esperanto singen. Filme gibt es kaum auf Esperanto. Das liegt daran, dass man für einen Film eine große Crew und Ressourcen braucht. Mehr, als eine durchschnittliche Esperanto-Gruppe stemmen kann. Derzeit gibt es allerdings Bestrebungen, ein Musical in der Sprache auf die Beine zu stellen, erzählen Eva und Johannes dem Tageblatt.
Es gibt sogar Menschen, die Esperanto als Muttersprache erlernt haben. Weltweit gibt es ein paar Tausend von ihnen. Ihre Eltern können viele Gründe haben, ihre Kinder auf Esperanto zu erziehen. Etwa wenn es die gemeinsame Sprache der Eltern ist oder wenn sie einen besonderen Idealismus haben.
Das Besondere an Kern.Punkto ist, dass er – anders als andere Podcasts in der Sprache – nicht in erster Linie Esperanto zum Thema hat. Es werden alle möglichen Themen behandelt, nur halt in Esperanto. Tatsächlich beschäftigen sich viele Medien in Esperanto mit Esperanto. Ausnahmen gibt es: Le Monde diplomatique gibt es zum Beispiel auch in Esperanto.
Weder Johannes noch Eva sind Muttersprachler. Ob sie, wenn sie einen Podcast aufnehmen, Vokabel nachschlagen müssen? Ja, sagt Johannes. Allerdings behandelt der Podcast oft Themen, bei denen er auch in seiner deutschen Muttersprache die Fachausdrücke nicht kennen würde. Immer öfter hat Kern.Punkto Gäste, die etwas zu dem Thema sagen. Dann ist die Vorbereitung weniger ausgiebig, erklärt er. Bei Kern.Punkto ergeben sich die Themen oft mit den Gästen und nicht andersherum. Etwa dann Eva und Johannes bei einem Esperanto-Kongress eine Person kennenlernen, die sich mit einem Thema gut auskennt, eine Ärztin zum Beispiel, und diese sich bereit erklärt, in die Sendung zu kommen.
Neue Möglichkeiten im Internet
Die Idee, die Menschen in der Welt näher zusammenrücken zu lassen, teilt sich Esperanto mit dem Internet. War das Internet also eine Chance für die Sprache? „Esperanto hat das Internet sehr früh entdeckt“, sagt Johannes, was man daran sehen könne, dass viele Esperanto-Internetseiten uralt sind. Er stellt aber auch fest, dass vor allem Leute, die die Sprache gerade lernen, im Internet aktiv sind und ihre Fortschritte dort mit Enthusiasmus teilen, und bedauert, dass alte Hasen weniger im Internet aktiv sind und sich eher zurückhalten.
Das Internet bietet auch neue Möglichkeiten, um Esperanto zu lernen. Die Sprachlernplattform Duolingo bietet Esperanto-Kurse auf Englisch, Portugiesisch und Spanisch an. Auch die Internetplattform Lernu! bietet Kurse an. Die Gründe, warum Menschen Esperanto lernen, können sehr vielfältig sein. Einige Esperantisten aus Asien zum Beispiel hätten die Sprache erlernt, um „ein Gefühl“ für europäische Sprachen zu bekommen, meint Johannes.
Gendergerechtes Esperanto
Wie in anderen Sprachen gibt es auch hier derzeit eine noch offene Diskussionen um gendergerechte Sprache. Zwar werden im Esperanto Verben und Adjektive nicht einem Geschlecht angepasst. Allerdings sind bei Begriffen für Verwandte zum Beispiel die Stammwörter männlich und müssen durch ein Suffix, -ino, ergänzt werden, um die weibliche Form anzunehmen. Die männliche Form könnte deshalb als das „normale“ und die weibliche als die „spezielle“ Form verstanden werden. So heißt Mann auf Esperanto „Viro“ und Frau „Virino“. Ein Junge heißt „Knabo“ und ein Mädchen „Knabino“. Bei neutralen Wörtern wie „Hundo“ für Hund gibt es zwar eine Form, um das weibliche Geschlecht zu unterstreichen („Hundino“), aber keine, um das männliche zu unterstreichen. Wie in anderen Sprachen auch hat diese Debatte im Esperanto noch keinen Konsens gefunden.
Wie jede Sprache entwickele sich Esperanto weiter. Zwar bleiben die Regeln die gleichen, doch ein Text, der vor 100 Jahren geschrieben wurde, klingt anders, findet Johannes. So wie auch ein deutscher Text, der 100 Jahre alt ist, anders klingt als ein jüngerer Text. Im Laufe der Zeit ist zudem neues Vokabular hinzugekommen. Die Sprache ermögliche es, relativ einfach neue Wörter zu schaffen, sagt Johannes.
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