Filmbesprechung / Wer hat den Bären auf Koks bestellt?
Mutter, der Bär auf Koks ist da: Bei „Cocaine Bear“ ist der Titel Programm. Wer will, kann den Streifen als eine Allegorie auf menschliche Dummheit lesen, alle anderen dürfen bei diesem kurzweiligen, rasant erzählten Film ohne jeden Tiefgang einfach das Gehirn abschalten und dem blutig-lustigen Drogenrausch eines Bären zusehen. Den Weißen Bären für das zugedröhnteste Tier der Filmgeschichte dürfte die titelgebende Bärin auf jeden Fall absahnen.
Ein Bär schluckt aus Versehen eine riesige Menge an Kokain, entwickelt ein gefährliches Suchtverhalten und wird zur erbarmungslosen Killermaschine – der Pitch von Schauspielerin Elisabeth Banks’ dritter Regiearbeit klingt so bescheuert wie grandios, die Idee für den Trashfilm kam ihr, als sie von der Geschichte eines 1985 verstorbenen Bären im Chattahoochee National Forest hörte: Das Tier starb an einer Überdosis Kokain, das Andrew Thornton, ein zum Drogenschmuggler konvertierter Polizist, aus einem Flugzeug geworfen hatte.
In dieser quasi uchronischen Neuschreibung des Fait divers – dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht, prangt nach der Anfangssequenz auf der Leinwand und hinterlässt einen ähnlich unglaubwürdigen Eindruck wie der Disclaimer bei der Serie „Fargo“ – soll der arme Bär die Gelegenheit zu bekommen, sich für seinen im wahren Leben durch Menschenhand verursachten Tod zu rächen – eine Chance, die die namenlose Bärin gnadenlos ausnutzen wird.
Das Risiko bei einem Film wie „Cocaine Bear“ ist, dass er nach seinem vielversprechenden Titel, dem trashigen Pitch und dem grandios-lustigen Trailer eigentlich nur noch enttäuschen konnte – ein bisschen, wie das bei „Snakes On A Plane“ der Fall war. Ganz so schlimm ist das Resultat definitiv nicht – auch wenn der Trailer so einiges vorwegnimmt und sich die Idee irgendwann in etwa so totläuft wie viele der im Film flüchtenden Figuren.
Zu Beginn sehen wir, wie ein Mann, der sichtlich zu viele Drogen konsumiert hat, mit großer Euphorie rotfarbene, bis zum Bersten mit riesigen Kokainladungen gefüllte Turnbeutel aus dem Flugzeug schmeißt. Als er selbst nachspringen möchte, rutscht er aus und stürzt bewusstlos in den Tod. Klingt unwahrscheinlich, genauso soll aber laut Ermittlungen der bereits erwähnte Andrew Thornton gestorben sein.
Was nun folgt, hat mit dem historischen Verlauf jedoch nur noch wenig zu tun: Das Naturschutzgebiet, in dem die Ladung Koks verstreut liegt, wird zum Hauptaugenmerk einer ganzen Bande von Losern und Kriminellen, die aufeinander und vor allem auf die kokainsüchtige Bärin prallen werden: Da wären zum einen Syd (der vor kurzem verstorbene Ray Liotta, dem der Film gewidmet ist) und seine Bande, die unbedingt Thorntons Ladung wiederfinden müssen, um nicht selbst von ihren kolumbianischen Lieferanten abgemurkst zu werden, zum anderen die lokalen Behörden, angeführt von einem hundelieben Polizisten (Isiah Whitlock Jr), die hoffen, nicht nur die Ware, sondern auch die kriminelle Bande vor Ort zu finden.
Neben diesen beiden Menschengruppen, die sich ganz bewusst auf die Suche nach dem Koks machen, gibt es noch die junge Deirdre (Brooklynn Prince), die mit ihrem Kumpel Henry (Christian Convery) die Schule schwänzt, um den Wasserfall zu besichtigen – eine Aktivität, die sie eigentlich mit ihrer Mutter Sari (Keri Russell) unternehmen wollte, da diese es jedoch bevorzugt, das Wochenende mit dem neuen Freund zu verbringen, zeigt sich Deirdre aufmüpfig – und läuft somit der benebelten Bärin in die Klauen.
Ein dritter Handlungsfaden lässt schließlich eine verliebte Rangerin (Margot Martindale) und einen schnurrbarttragenden Wildleben-Beauftragten auf eine jugendliche Verbrecherbande, die sich selbst die Duchamps getauft hat – wohl eine Mischung aus Marcel Duchamp und Douchebag –, treffen.
Just can’t get enough
„Cocaine Bear“ ist oftmals genauso politisch inkorrekt und trashig brutal, wie es der Titel vermuten lässt: Die meisten Figuren sind so dämlich wie die Einwohner aus „Fargo“, sodass ihr meist brutales Ableben eher wenig Mitleid erregt. Zudem geizt der Film nicht mit Schockmomenten und Gore-Szenen, die klanglich häufig von dem typischen 80er-Revival-Sound, den man seit dem Erfolg der Netflix-Serie „Stranger Things“ kennt, umwoben sind. In einer Schlüsselszene, die irgendwie das ganze ästhetische Programm des Films resümiert, setzt Depeche Modes „Just Can’t Get Enough“ ein, während die Bärin wütend einer Menschengruppe nachrennt, weil die im Besitz eines der begehrten Turnbeutel sind. Subtil geht anders, effizient bleibt es allemal.
Dass nicht nur der Bär, sondern auch die beiden jungen Teenies Drogen nehmen, dürfte wohl einigen Vertretern des PC sauer aufstoßen: In einer der vielen urkomischen Szenen von „Cocaine Bear“ behauptet der junge Henry, er würde mit seinem Kumpel nach der Sonntagsmesse immer koksen, weswegen Deirdre ihn herausfordert, das gerade gefundene Koks zu nehmen. Weil er sich dann doch nicht traut, trotzdem noch vorgibt, zu wissen, wie man die Droge nimmt, erklärt er seiner Freundin, man müsse einfach einen Teelöffel davon schlucken – was beide Kids dann auch tun.
Trotz koksender Bären und Kids ist der Film dann doch streckenweise etwas zu zurückhaltend, beziehungsweise versucht er, das politisch Unkorrekte mit einer ergreifenden Spielberg-Familiengeschichte auszubalancieren. Das ergibt durchaus Sinn – so wird das desolate Bild einer geldgierigen, egozentrischen und meist dämlichen Menschheit zumindest gen Ende etwas aufgewertet –, irgendwie funktioniert der Kontrast zwischen dem meuchelnden Bären, der zynischen Drogenbande und der hilfsbereiten Sari, die sich nicht nur um ihre Tochter, sondern auch um Syds sensiblen Sohn Eddie (Alden Ehrenreich) kümmert, nicht so ganz. So bleibt im Endeffekt Monty Pythons mordendes Kaninchen unübertroffen.
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