Europawahlen / Werden die Rechtspopulisten in der EU bald den Ton angeben?
Italiens post-faschistische Regierungschefin hat große Pläne. Nach der Europawahl will sie ein Rechtsbündnis im EU-Parlament schmieden und den Ton in Brüssel angeben. Beflügelt wird sie dabei ausgerechnet von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Bei der Europawahl könnten rechte und rechtsradikale Parteien mehr Parlamentssitze erringen als die bisher tonangebende konservative Europäische Volkspartei (EVP). Dies geht aus den jüngsten Umfragen und Prognosen hervor. Geben die Rechten bald den Ton in Brüssel an? Wird Italiens post-faschistische Regierungschefin Giorgia Meloni zur „Königsmacherin“, ohne die nichts mehr geht?
In der EVP weist man diese These empört zurück. Zwar gebe es nun, in der Endphase des Wahlkampfs, viele Spekulationen, heißt es in der Brüsseler Parteizentrale. Doch die zentrale Figur sei und bleibe die amtierende EU-Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen. Die EVP-Politikerin habe alle Chancen, die Wahl zu gewinnen, geben sich die EVP-Strategen sicher.
Tatsächlich liegt von der Leyens Partei in allen Umfragen vorn. Nach einer Projektion des Online-Portals Politico könnte sie bei der Europawahl 171 Parlamentssitze erringen – rund 30 mehr als die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Nicolas Schmit. Das rechte Lager käme demnach auf bis zu 184 Sitze. Es könnte somit stärker werden als die EVP und nach der Wahl ein gewaltiges Wörtchen mitreden.
Um die Sitze in politischen Einfluss umzumünzen, müssten sich die Rechten allerdings erst einmal einigen. Bisher sind sie in zwei Fraktionen – die rechtspopulistische „European Conservatives and Reformists“ (ECR) sowie die rechtsradikale „Identity and Democracy“ (ID) – und diverse Gruppen und Grüppchen zersplittert. Die deutsche AfD ist seit dem Rauswurf aus der ID völlig isoliert.
Ein Rechtsbündnis von Gemäßigten bis Radikalen
Doch das könnte sich nach der Wahl ändern. Nationalisten und Rechtspopulisten aus Italien, Frankreich und Ungarn wollen das rechte Lager einen. So hat Meloni vorgeschlagen, im nächsten Europaparlament ein Rechtsbündnis nach dem Vorbild ihrer eigenen Regierungskoalition in Rom zu bilden – von der gemäßigten EVP über die erzkonservative ECR bis hin zur radikalen ID. Die Sozialisten könne man links liegen lassen, frohlockt Meloni.
Ähnliche Pläne hegt Frankreichs Nationalisten-Führerin Marine Le Pen. „Jetzt ist der Moment, um sich zu vereinen“, sagte sie in der vergangenen Woche der italienischen Zeitung Corriere della Sera. „Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament werden. Ich denke, eine solche Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen“, so Le Pen.
Auch der ungarische Regierungschef Viktor Orban träumt von einem Rechtsbündnis. Seit dem Ausschluss seiner Fidesz-Partei aus der EVP hat Orban im Europaparlament nichts mehr zu melden. Nach der Wahl würde er gerne zur ECR stoßen, wie er bereits im Februar erklärte. Die AfD wiederum könnte sich mit der rechtsextremen bulgarischen Partei „Wasraschdane“ (Wiedergeburt) einlassen.
Laut Umfragen schwächeln die „Fratelli d’Italia“
Die Rechte formiert sich neu, nach der Wahl könnte sie in Brüssel zu einem Machtfaktor werden. Dazu trägt auch bei, dass die ECR seit geraumer Zeit von der EVP umworben wird. Erst war es nur EVP-Chef Manfred Weber, der sich offen für eine Kooperation mit den Rechtskonservativen zeigte. Zuletzt erklärte sich aber auch EVP-Spitzenkandidatin von der Leyen zu einer Zusammenarbeit bereit.
Sie wolle mit all jenen kooperieren, die pro-europäisch, für die Ukraine und für den Rechtsstaat sind, erklärte von der Leyen bei der offiziellen TV-Debatte im Europaparlament vor zwei Wochen. Auf Italiens Regierungschefin Meloni treffe dieses „dreifache Pro“ zu, fügte sie hinzu. „Wenn Meloni bei dieser Linie bleibt, dann werden wir ihr anbieten, auch künftig zusammenzuarbeiten.“
Seither gilt Meloni als heimliche „Königsmacherin“ – denn nur sie „kann“ sowohl mit den ganz Rechten von der ID als auch mit den Moderaten von der EVP – und natürlich mit von der Leyen. Meloni ist es auch, die in der ECR den Ton angibt. Sogar der konservative britische Economist traut ihr zu, Europa zu führen bzw. vor sich herzutreiben – gemeinsam mit von der Leyen und Le Pen.
Allerdings sehen die Umfragen in Italien nicht so gut aus wie in der EU. Während sich der Rechtsruck auf EU-Ebene verfestigt, schwächeln Melonis „Fratelli d’Italia“. „Die Umfragewerte sind innerhalb eines Monats gesunken“, meldet die italienische RAI. Doch nur wenn Meloni daheim in Rom ein gutes Ergebnis einfährt, wird sie nach der Wahl auch in Brüssel auftrumpfen können.
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