Streitgespräch / Wertevermittlung oder schlechter Einfluss? „Tatta Tom“ und Tom Weidig stehen sich gegenüber
Die Kunstfigur „Tatta Tom“ spaltete vor knapp einem Jahr die Gemüter. Am Dienstag standen sich nun Tom Hecker, der Mann hinter der Figur, und der ADR-Abgeordnete Tom Weidig, der in den sozialen Medien zu Kommentaren gegen „Tatta Tom“ aufrief, im RTL-Face-à-Face gegenüber.
„Fir ze Katzen und Eckelhaft“, „musse wierklech eis Kanner mat esou eppes konfrontéiert ginn. Einfach KRANK“. Mit solchen Kommentaren musste sich der Travestie-Künstler „Tatta Tom“ vor fast einem Jahr auseinandersetzen, als die Escher „Bibliothéik“ zwei Vorlesungen des Künstlers ankündigte, die sich an Kinder ab sechs und ab zehn Jahren richteten. All das, obwohl aus der Ankündigung nicht einmal ganz klar hervorgeht, was überhaupt der genaue Inhalt der Vorlesungen sein soll. Darüber hinaus: Das war nicht der erste Auftritt von „Tatta Tom“. Tom Hecker, der Kopf hinter der Kunstfigur, tritt bereits seit fünf Jahren als „Tatta Tom“ auf. Doch mit Hasskommentaren und sogar Morddrohungen müsse er sich erst verstärkt seit vergangenem Jahr auseinandersetzen, sagt er im RTL Face-à-Face am Dienstagmorgen.
Nicht unwesentlich in der Affäre war der ADR-Abgeordnete Tom Weidig. In einem Facebook-Beitrag rief er sein Publikum dazu auf, auf der Seite der Escher Bibliothek zu kommentieren. Zwar rief er dazu auf, nicht persönlich zu werden, doch der Schuss ging nach hinten los. Weidig, auch Gast in der Sendung, weist jedoch jegliche Schuld von sich: Er sei nicht verantwortlich für die große Unzufriedenheit unter den Menschen. Die Forderungen der LGBTQ+-Community seien extrem.
Hauptgesprächsthema in der Emission waren Weidigs Bedenken bezüglich „Tatta Toms“ Einfluss auf Kinder. Hecker will mit seiner Figur Aufklärungsarbeit betreiben, indem er Werte wie Toleranz und Zusammenhalt mittels ins Luxemburgisch übersetzte Geschichten vermittelt. Sexuelle Inhalte, die über das Händchenhalten eines homosexuellen Paares gehen, kämen darin nicht vor. „Tatta Tom“ sei eine Märchenfigur, die bewusst übertrieben dargestellt wird, um die erzählten Geschichten und die darin enthaltenen Werte bunter und interessanter zu gestalten.
Dies gehe Weidig allerdings zu weit. Er verurteilt die ständige „Berieselung der LGBTQ-Ideologie“ und behauptet, die Figur „Tatta Tom“ würde Stereotypen weiter verstärken. Der Politiker behauptet gleichzeitig, er habe kein Problem mit der Dragqueen oder Hecker an sich, er glaube lediglich, dass dessen Vorträge Kinder negativ (seiner Meinung nach) beeinflussen würden und nicht altersgerecht seien.
Der Politiker glaube zwar nicht, dass die Lesungen die jungen Zuhörer schwul oder lesbisch machen würden – dies sei ja „neurobiologisch“ bedingt, sagt er. Doch „Tatta Toms“ Auftreten könne beispielsweise junge Mädchen verwirren und sie dazu verleiten, schon vor dem Erreichen ihrer Volljährigkeit eine Hormontherapie machen zu wollen. In einigen Ländern sei dies bereits Trend – eine „Pandemie“, meint Weidig. Hecker ist da anderer Meinung: Er glaubt, dass seine Auftritte den Menschen helfen können, sich selbst besser zu verstehen und sich zu dem zu bekennen, was bzw. wer sie sind.
Ein schlechter Mensch?
Weidig kritisiert auch, dass „Tatta Tom“ im Lycée Technique Agricole auftreten und seine Werte verbreiten durfte, während Religion aus den Schulen verbannt wurde. Zudem wirft er dem Schulleiter Tom Delles vor, ihn „aggressiv angegriffen“ und als „schlechte Person“ bezeichnet zu haben. Weidig bezieht sich dabei auf die Aussagen von Tom Delles aus einem älteren RTL-Artikel, in dem er unter anderem auf Weidigs Kritik reagiert. Die Textpassage lautet wie folgt:
„Änlech äussert sech och den Direkter vum Lycée Technique Agricole. Nach ni wier ee Post vun der Akerbauschoul esou vill kommentéiert ginn ewéi dësen, seet den Direkter Tom Delles, dee kloer hannert sengem Choix steet. Sou Sensibiliséierungsaarbecht géif zum Bildungsoptrag vun der Schoul gehéieren. Leit wéi den Tom Weidig géife sech guer net mat der Thematik auserneesetzen an nëmmen zum Haass opruffen.“
Dass Weidig ein schlechter Mensch sei, hat Delles demnach nicht behauptet, schreibt der Sender. Weidig lese dies lediglich aus dessen Aussagen heraus.
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