Konzert / „Wet Leg“ entstauben in der Rockhal den Indie-Rock
Zwei Frauen retten den angestaubten Indie-Rock mit einer lichtdurchfluteten Songsammlung, die auch in ihrer Live-Umsetzung gleichzeitig dringlich und unbeschwert klingt.
Seit ihrer Erfolgssingle „Chaise Longue“ sind Wet Leg die neue Sensation eines bereits mehrfach für tot erklärten Genres, das sich momentan in der Tat eher in Nostalgie suhlt als dass fast wöchentlich, wie das 2005 der Fall war, neue, spannende Bands auf sich aufmerksam machen.
Ein Blick auf den Konzertkalender der vergangenen und zukünftigen Monate bestätigt dies: Franz Ferdinand tourt ein Best Of, die Libertines den zwanzigjährigen Geburtstag ihrer Erfolgsplatte „Up the Bracket“, nur Nada Surf, Placebo und Death Cab for Cutie bringen neues Material auf die Bühne, auch wenn die Fans eher wegen der Hits von damals kommen.
Da ist es doch schön, wenn eine Band wie Wet Leg, deren Name wohl auf einem schlechten Wortspiel basiert (Jetlag, anyone?) und die mit ihrem leichten, euphorischen Ohrwurm-Indierock perfekt ins Programm des Domino-Labels passt (das bereits damals einen guten Riecher hatte und Franz Ferdinand unter Vertrag nahm), für etwas frischen Wind sorgen.
Nach dem (tollen) Support Act von Lava Larue, die mit toller Stimme und sinnlicher Saxofon-, Gitarren- und Synthiebegleitung ihre von Soul geprägten Tracks überzeugend vorträgt, tauchen die fünf Wet Legs mit Herr-der-Ringe-Soundtrack und einer Art Batgirl-Kaputze ordentlich nerdy auf der Bühne auf, die Interaktion mit dem Publikum wirkt dann auch etwas plan- und ziellos, ganz so, als würde die Band die Stimmung im Proberaum auf die Bühne transponieren wollen, was gleichzeitig verpeilt, charmant und etwas unbeholfen wirkt.
Sobald sie sich jedoch ihren Songs widmet, wirkt die von den beiden Gitarristinnen und Sängerinnen Rhian Teasdale und Hester Chambers angeführte Band auf einen Schlag professioneller, erwachsener: Album- und Konzertopener „Being in Love“ erinnert an Baxter Durys „Palm Tree“, die beiden Indie-Hits „Wet Dream“, konsequenterweise an zweiter Stelle des Sets platziert, und „Chaise Longue“, der letzte Track eines trotz technischer Panne nur 50-minütigen Sets, erinnern in ihrer Lässigkeit ein bisschen an die ersten Singles von The Drums (auch auf Domino Records) und sind unverschämt tanzbar.
Bei „Red Eggs“, einem der drei Tracks, die nicht auf dem Album fungieren und definitiv Lust auf die nächste Platte machen, denkt man hingegen an die verträumten psychedelischen Welten von Beach House. Während des Sets fühlt man sich aufgrund der Gitarrenriffs immer wieder an die Strokes erinnert, „Supermarket“, ein Song über Shoppen und Drogen, könnte auch von Singer-Songwriterinnen wie Courtney Barnett stammen, der Rhythmuswechsel in der Mitte von „Too Late Now“ zum Spoken-Word mit treibendem Bass und atmosphärischen Gitarren wirkt live noch etwas kontrastreicher.
Mit seiner Mischung aus Unbeschwertheit und Dringlichkeit hätte das Wet-Leg-Konzert eigentlich perfekt ins sommerliche Congés-annulés-Programm der Rotondes gepasst – ein Konzert, das man dann liebend gerne zwischen Cocktails in der Chaise Longue und frenetischem Tanzen verbracht hätte. Im kalten November machte der Aufritt im Club der Rockhal, wo der Sound einwandfrei war, dann aber doch Sinn.
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