Musik / „Who listens to us anyway?“: „EBM“ von den Editors
Eins muss man den Editors lassen – richtig langweilig wird es einem nie bei dieser Band. Während sich andere Postpunk-Acts wie Interpol seit Jahrzehnten an Variationen einer Blaupause abarbeiten und stets nur nuancenhaft weiterentwickeln, war bei den Editors bereits nach zwei Platten Sense mit der tollen Indie-Post-Punk-Melange.
Auf „The Back Room“ und „An End Has a Start“ folgte mit „In This Light and on This Evening“ eine Elektroplatte, die damals polarisierte, aus heutiger Sicht aber ein abenteuerlicher Schritt aus der Postpunk-Sackgasse bedeutete.
Das anschließende „The Weight of Your Love“ war ein etwas bemühter Kompromiss, beide Welten zu vereinen, auf „In Dream“ und „Violence“ gelang dies durchaus besser. Irgendwann müssen die Briten aber festgestellt haben, dass sie auf beiden Platten die elektronischeren Songs – wie das nach wie vor wundersame „No Harm“ und das titelgebende „Violence“ – mittlerweile besser beherrschten als die leicht seichten Indie-Tracks, die versuchten, den Bogen zu den frühen Großtaten zu schlagen.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Band Benjamin John Power, der Mann hinter dem Elektroprojekt Blanck Mass (und Teil von Fuck Buttons), als festes Bandmitglied rekrutiert hat – und sich auf „EBM“ nun definitiv von den Gitarren gelöst hat. Der Albumtitel steht übrigens ganz deutlich für Editors/Blanck Mass, ist aber gleichzeitig eine Anspielung auf das Genre der Electronic Body Music, das die Briten ganz unbeschwert auf der Platte wiederbeleben.
Tanzbarer, homogener, monotoner
Blickt man auf die Diskografie der Band, ist „EBM“ der unbeschwerte, noch tanzbarere Bruder von „In This Light and on This Evening“, das ebenso mit nur wenigen Gitarren daherkam. Im Gegensatz zur dritten Editors-Platte klingt „EDM“ stilistisch homogener – was zwar einerseits zu einer stimmigen, streckenweise aber auch etwas monotonen Platte führt.
Auf dem Opener und ersten Auskopplung „Heart Attack“ passt das neue stilistische Editors-Gewand hervorragend: Die Beats und Synthies sind anspruchsvoll produziert, der Bass dringlich und tanzbar, Tom Smith legt im Chorus eine Editors-Melodie für die Ewigkeit dahin, mitsamt Lyrics, die kitschig sein könnten, es im Songkontext allerdings nicht sind („No one will love you more than I do/I can promise you that/And when your love breaks I’m inside you/Like a heart attack“) – und im Hintergrund gibt es sogar ein paar sägende Gitarren, die im Mix etwas zu sehr nach hinten produziert sind. Wie auf „Violence“ scheut die Band auch keine längeren instrumentalen Electro-Parts, die dem Song eine zusätzliche Dichte verleihen.
Problematisch ist nur, dass die darauffolgenden Tracks, ganz gleich wie gut viele davon sind, fast allesamt dasselbe Schema verfolgen: Das darauffolgende „Picturesque“ hat tolle Samples, Gastsängerinnen, einen treibenden Beat und – schon wieder – Tom Smiths sicheres Gespür für Melodien, die sich in die Gehörgänge bohren. Auch die zweite Single „Karma Climb“ überzeugt, das Leitmotiv wird von einer akustischen Gitarre und Synthies geteilt, die Hybridisierung von analogen und digitalen Klängen macht Sinn und ist zudem gut produziert. Und „Kiss“ klingt so sehr nach Depeche Mode, wie selbst Depeche Mode seit der Jahrtausendwende nicht mehr.
Nach der schönen Ballade „Silence“ – der einzige Song, der mit den pulsierenden Songstrukturen etwas bricht – folgt das leicht kitschige „Strawberry Lemonade“ und das effiziente „Vibe“. Das Ende der Platte ist leider weniger dringlich, einerseits weil man sich an Struktur und Klangbild gewöhnt hat und irgendwann den Eindruck erhält, die Band würde sich ein bisschen zu wohl in ihrer neuen Ausrichtung fühlen, andererseits aber auch, weil sich hier ein paar schwächere Nummern tummeln, was bei einer Platte mit nur neun Songs dann doch etwas ins Gewicht fällt.
„Who listens to us anyway?“, fragt sich Tom Smith auf „Heart Attack“ – und verweist damit deutlich auf die Experimentierfreudigkeit seiner Band, die sich kaum darum schert, was andere von ihr denken. Für „EBM“ hätte man sich trotz der neuen Stilrichtung noch etwas mehr Experimentierfreudigkeit in den Songstrukturen, die dann doch ziemlich poppig und konventionell sind, gewünscht. Weiter hätte der Platte etwas mehr Abwechslung definitiv nicht geschadet.
Bewertung: 6/10
Anspieltipps: „Heart Attack“, „Picturesque“, „Karma Climb“
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