Eintopf auf Schloss Berg / Wie auf dem großherzoglichen Hof Privates und Offizielles vermischt werden
Sie engagiert sich für die Rechte der Frauen im Allgemeinen und für jene, die Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch wurden, im Besonderen. Damit hat sich die Großherzogin Maria Teresa nicht nur in Luxemburg, sondern weit über die Grenzen des Landes hinweg einen Namen gemacht. Das zieht die Aufmerksamkeit vieler Akteure auf die Grande-Duchesse. Leider nicht nur im positiven Sinne: Polemik in den sozialen Netzwerken, eine gewisse Intransparenz bei der Buchhaltung und mutmaßliche Vermischung von Privatem und Offiziellem.
Im September 2019 gründete Großherzogin Maria Teresa eine Vereinigung mit dem Namen „Stand Speak Rise Up!“. Diese Asbl. entstand aus dem gleichnamigen Forum heraus, den die Grande-Duchesse im März 2019 in Luxemburg organisiert hatte. Dabei geht es um das Schicksal von Frauen, auch „survivors“ genannt, die in Kriegsgebieten sexuell missbraucht wurden. Weil die Vereinigung keine Fonds hat, wurde eine Absichtserklärung mit der bereits seit Längerem existierenden Stiftung „Fondation du Grand-Duc et de la Grande-Duchesse“ unterschrieben.
Auf Nachfrage bei Alex Bodry (LSAP), der bis dahin als Kommissar an der neuen Verfassung mitgearbeitet hatte, ob eine solche Absichtserklärung rechtlich denn nicht problematisch wäre und wie die Tatsache um die Residenz auf Schloss Berg geregelt sei, gab er uns folgende Rückmeldung: „Auf ihre Fragen kann ich ihnen leider keine klare Antwort geben. Bei der großherzoglichen Familie vermischen sich andauernd Offizielles und Privates“, so der LSAP-Abgeordnete. „Man stellt sich die Frage: Was gehört zu ihrer Funktion, was ist privat?“, so Bodry.
Ich hoffe, dass mit dem Waringo-Bericht eine neue Dynamik in die Diskussion kommtLSAP-Abgeordneter
Und weiter: „Château de Berg ist die offizielle Residenz, aber auch der Wohnort vom Grand-Duc und der Grande-Duchesse.“ Auf den Bericht des Sonderbeauftragten des Premiers, Jeannot Waringo, angesprochen, der zurzeit dem Hof wegen seiner zweifelhaften Personalpolitik (Reporter.lu hatte darüber berichtet) auf die Finger schaut, sagte Bodry: „Ich hoffe, dass mit dem Waringo-Bericht eine neue Dynamik in die Diskussion kommt.“ Auf Nachfrage bei Xavier Bettel, ob bereits etwas aus dem Waringo-Bericht bekannt sei, ließ uns seine Pressesprecherin Liz Thielen wissen: „Solange die Mission von Jeannot Waringo nicht abgeschlossen ist, wird der Premier auch nicht darüber kommunizieren.“
Den Strich zwischen Privatem und Offiziellem ziehen
„Wenn die Grande-Duchesse etwas organisiert, wo zieht man da den Strich zwischen dem Privaten und dem Offiziellen? Ich habe da keine Antwort drauf“, so Philippe Majerus, Direktor der Stiftung. Er wisse auch nicht, wie die Leute da draußen darauf reagieren würden. Majerus wirft folgende Fragen in den Raum: „Kann man sagen, dass es etwas ist, das offiziell ist oder ist es wirklich ganz privat? Darf da das Offizielle nichts damit zu tun haben?“ Wenn diese Fragen problematisch sind, dann müsste man laut Majerus das Budget komplett trennen, dann dürfte der Verwaltungsrat der Asbl. auch nicht auf Schloss Berg tagen. „Das bekommt ein Ausmaß, das sehr delikat ist. Deshalb probieren wir, eine klare Trennung zu machen. Wenn etwas von der Stiftung organisiert ist, sollte auch die Finanzierung von der Stiftung gemacht werden.“
Zum einen gibt es die Polemik in den sozialen Netzwerken, wie Philippe Majerus, gegenüber dem Tageblatt bestätigte. Zum anderen gibt es eine gewisse Intransparenz, was die Finanzierung beziehungsweise Buchhaltung der von der Grande-Duchesse neu gegründeten Asbl. Stand Speak Rise Up angeht. Der Grund: Zwischen der Stiftung (Fondation) und der Asbl. gibt es die oben bereits erwähnte „Déclaration d’intention“, also eine Absichtserklärung, wie der großherzogliche Hof auf Tageblatt-Nachfrage angab.
Diese wurde von beiden Verwaltungsräten (Stiftung und Vereinigung) unterschrieben und legt fest, dass die Stiftung die Ziele der Vereinigung unterstützt und ihr finanziell unter die Arme greift. Laut großherzoglichen Hof hat die Stiftung in der Vergangenheit Aktivitäten zusammen mit der Vereinigung organisiert, auch jene, die zum Profit der Asbl. beigetragen haben. Die finanzielle Hilfe der Stiftung für die Vereinigung bezeichnet der Hof als „Projekt“.
Stab der Großherzogin für andere Projekte eingesetzt
Als sich der Verwaltungsrat der Asbl. zum ersten Mal auf Schloss Berg traf, mussten die Mitglieder eingeflogen werden. Manche, wie Céline Bardet von der NGO „We are not weapons of war“, haben ihr Ticket durch die Fondation bezahlt bekommen, so der Hof. Auch dies sei durch die Absichtserklärung abgedeckt. Solche Erklärungen haben meist kein Limit, d.h., man kann theoretisch alles dadurch rechtfertigen. Majerus sagt, dass die Regeln bei der Stiftung viel strikter seien. „Da wir eine Fondation sind, die ‚d’utilité publique‘ ist, und wir uns an das Gesetz halten müssen, haben wir eine „déclaration d’intention“ mit der Asbl. unterschrieben, um diese ein wenig zu pushen.“ Und die Stiftung solle als Verlängerung der sozialen Arbeit des Großherzogs und der Großherzogin eigentlich viel mehr hier in Luxemburg tätig sein als im Ausland.
Auf dem großherzoglichen Hof scheint auch die Vermischung von Offiziellem und Privatem ein problematisches Ausmaß zu nehmen. Majerus ist der Verwalter der Fondation und zu 50 Prozent dort beschäftigt. Daneben gibt es noch eine Projektmanagerin und eine Sozialarbeiterin. Majerus muss für die Aufgaben der Stiftung bzw. der Asbl. teilweise auf das Team der Grande-Duchesse zurückgreifen. „Aber nicht immer und permanent, weil das ja nicht deren Aufgabe ist“, so Majerus. Da gebe es eine Trennung, die sehr schwierig sei, sagt er. Der Stab der Großherzogin, der von Steuergeldern bezahlt wird, wird demnach, je nach Bedarf, sowohl für die Stiftung als auch für die Asbl. eingesetzt.
Wir fragten beim Hof nach, ob die Großherzogin ihren Verwaltungsrat denn überhaupt auf Schloss Berg tagen lassen dürfe und wie dies eigentlich geregelt sei. Wir erhielten folgende Antwort: „Artikel 44 der Verfassung sagt, dass Schloss Berg dem Großherzog als Wohnort vorbehalten ist. Es ist selbstverständlich, dass dieses Wohnrecht sich auch auf seine Frau und Kinder bezieht. So wie jedermann auch sind der Grand-Duc und die Grande-Duchesse frei, zu entscheiden, wen sie zu sich nach Hause einladen, egal ob es sich um institutionelle, private, freizeitliche, soziale oder humanitäre Angelegenheiten handelt.“ Der Professor Luc Heuschling, spezialisiert auf Verfassungsrecht an der Uni Luxemburg, bestätigte auf Tageblatt-Nachfrage, dass die Interpretation des Hofes zu Artikel 44 „vollkommen vernünftig“ sei.
Die eigentliche Aufgabe der Stiftung
Und wie steht es um die Polemik in den sozialen Netzwerken? Haben die Attacken in den sozialen Netzwerken vielleicht damit zu tun, dass die großherzogliche Stiftung mit ihrem internationalen Engagement den Eindruck erweckt, nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, nämlich der Sozialhilfe in Luxemburg? „Ich werde mit meinem militärischen Background sagen, dass es die ‚concentration des moyens‘ ist“, so Majerus. „Wir müssen uns auf zwei oder drei wesentliche Sachen konzentrieren, um weiterzukommen.“ Sowohl in Luxemburg als auch im Ausland gebe es genug Anlässe, etwas zu tun. Majerus nennt die Femizide in Luxemburg und in Frankreich. In unserem Nachbarland sterben pro Jahr rund hundert Frauen durch Gewalt im Haushalt.
Mit dem Forum wollte ich Luxemburg in ein schönes Licht rücken
„Mit der Asbl. will ich meinem Land Luxemburg dienen“, so die Grande-Duchesse. „Mit dem Forum wollte ich Luxemburg in ein schönes Licht rücken. Und zeigen, was wir fähig sind, zu leisten.“ Für das Forum im März hatte Maria Teresa rund 50 „survivors“ eine Woche lang nach Luxemburg eingeladen. „Die Anerkennung, dass es die Frau des Staatschefs ist, die sie einlädt, die ihnen zuhört, sie hervorhebt und ins Zentrum des Forums setzt, alleine das ist bereits ein Beginn – ich würde sagen – ihrer Resilienz“, so Maria Teresa.
Das Engagement der Großherzogin für das Schicksal der Frauen hat dazu geführt, dass Stiftung und Vereinigung oft durcheinander geworfen werden. So verwechselte Danielle Becker-Bauer vom Nationalen Frauenrat in ihrer Rede auf der Veranstaltung „Lët’z say no to violence against women“ am Samstag, 23. November beide Organisationen und sagte wortwörtlich: „Mat Ärer Fondatioun Speak Stand Rise Up gitt Dir e ganz kloere Message un di ganz Gesellschaft: Neen zu Gewalt géint Fraen a Meedecher, souwuel op internationalen wéi och op nationalem Niveau, an an Zukunft och nach verstäerkt hei zu Lëtzebuerg.“
Zuvor hatte die Grande-Duchesse das Wort, die sich wegen ihrer Knieoperation im Rollstuhl auf der Bühne präsentierte: „Den Kampf, den ich gegen die Frauen als Opfer sexueller Gewalt in der Welt führe, anhand des Forums, führt nur dazu, mein Engagement verstärkt auf jene Frauen hier in Luxemburg zu konzentrieren.“ Die Großherzogin tritt mit diesen Worten der Kritik entgegen, sie würde sich nicht ausreichend um das Schicksal Bedürftiger hier in Luxemburg kümmern. Sie sagt: „Wir betreuen zurzeit 16 alleinerziehende Familien seit Jahresanfang, bei denen die Mutter das Sorgerecht der Kinder hat. Und von diesen Frauen waren 11 Opfer von häuslicher Gewalt.“
Die Grande-Duchesse ist nicht Melania Trump und auch nicht Angelina Jolie; sie ist kein Superstar, aber sie hat ein enormes Netzwerk, ein enormes Ansehen da draußen und sie steht noch mehr für die SacheDirektor der Fondation du Grand-Duc et de la Grande-Duchesse
Laut Majerus geht es beim internationalen Engagement der Großherzogin primär um die Gründung neuer Partnerschaften. Die Idee hinter der Asbl. sei weniger das große Fundraising. „Denn die Grande-Duchesse ist nicht Melania Trump und auch nicht Angelina Jolie; sie ist kein Superstar, aber sie hat ein enormes Netzwerk, ein enormes Ansehen da draußen und sie steht noch mehr für die Sache“, so Majerus. Sie sei manchmal diffus in ihrer Mitteilung nach draußen gewesen, aber sie habe nun ein Anliegen, mit dem sich sehr viele Luxemburger identifizieren könnten. Majerus verweist auf Initiativen, die infolge des Forums im März entstanden seien.
Sexuelle Gewalt als Massenvernichtungswaffe
Die sexuelle Gewalt in Kriegsgebieten vernichtet Frauen, Kinder, ganze Familien, Gemeinschaften. Der Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege nennt sie eine Massenvernichtungswaffe. Dieses Tabu-Thema wurde in Luxemburg erstmals im März 2019 in Form eines zweitägigen Forums in all seinen Facetten beleuchtet. Die Idee stammt von Großherzogin Maria Teresa. Dann folgte die gleichnamige Asbl. „Mein Einsatz für diese Frauen (auch ‚survivor‘ genannt) kann doch da nicht aufhören. Ich muss dieses Plädoyer weiterführen, ich muss diese Frauen weiter begleiten“, so die Grande-Duchesse im Tageblatt-Interview Mitte November.
Am 16. und 17. November traf sich der Verwaltungsrat der neuen Asbl. zum ersten Mal auf Schloss Berg, Wohnsitz des Großherzogs und Sitz der Vereinigung. Im Conseil d’administration befinden sich viele bekannte Namen. Großherzogin Maria Teresa ist Präsidentin, der Journalist und Moderator Stéphane Bern Generalsekretär. Weitere Mitglieder sind unter anderem die Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege und Muhammad Yunus, die frühere Präsidentin des Kosovos, Atifete Jahjaga, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde (noch nicht bestätigt), der Abgeordnete und Soziologe Charles Margue („déi gréng“) oder auch der Historiker und Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Peter Maurer.
Die Grande-Duchesse möchte dem Plädoyer der Opfer sexueller Gewalt, den „survivors“, durch ihre Rolle als Ehefrau des Staatschefs einen Mehrwert geben. Der Verwaltungsrat macht die Expertise. Maria Teresa sieht sich als Bindeglied des Verwaltungsrats. „Diese Menschen würden nicht zwingend zusammenarbeiten, wenn es Maria Teresa von Luxemburg nicht geben würde“, so die Grande-Duchesse.
Dass das Forum im März bei vielen Menschen einen bleibenden Eindruck hinterließ, kann auch Majerus bestätigen: „Ich würde sagen, die Konferenz hat aus mir einen Feministen gemacht, was ich früher vielleicht nicht so war.“
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