Ukraine / Wie das Finanzieren der Lebensgrundlagen im Kriegsgebiet zur Herausforderung wird
Im Krieg werden ganz alltägliche Dinge wie eine funktionierende Bankkarte oder Überweisungen auf einmal zum Problem. So können sich viele Menschen im Osten der Ukraine nicht mehr auf Banken verlassen und müssen auf andere Dienste zurückgreifen. Außerhalb des Kriegsgebiets ist die Infrastruktur allerdings noch weitgehend intakt, sagt Daniel M. Porcedda, dem erst kürzlich seine Flucht aus der Ukraine gelungen ist.
Der in der Ukraine wütende Krieg bedroht nicht nur das Leben von Tausenden, sondern auch die Aufrechterhaltung der Infrastruktur steht dadurch auf Messers Schneide. Sollte der Geldfluss in der Ukraine unterbrochen werden, so wäre das „eine ganz kritische Situation für die Menschen“, sagt der aus Kiew geflüchtete Daniel M. Porcedda im Gespräch mit dem Tageblatt. Es ist essenziell, dass die Menschen in der Ukraine weiterhin Überweisungen erhalten und diese selbst ausführen können, um ganz alltägliche Dinge, wie etwa einen Einkauf im Supermarkt, bewältigen zu können.
Die EU und die USA haben Russland, den Aggressor, mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt. Die Ukraine hingegen ist davon nicht betroffen. Was die Strukturen vor Ort betrifft, so kann es laut Medienberichten allerdings sein, dass Geldautomaten im Kriegsgebiet nicht mehr aufgefüllt werden und Banken außer Betrieb sind. Das Wirtschaftsjournalismus-Radionetzwerk Marketplace berichtet von der verzweifelten Lage der Menschen aus den von den russischen Truppen besetzten Gebieten. Besonders im Osten der Ukraine seien die Banken nicht mehr tätig. Dort müssten die Menschen auf Geld-Transferdienste wie MoneyGram, Western Union und Ria zurückgreifen.
Außerhalb des Kriegsgebiets sei es aber weiterhin möglich, mit einer gewöhnlichen Kreditkarte zu zahlen. „Die Banken arbeiten weiter, das ist kein Problem, das läuft alles normal weiter“, sagt Porcedda gegenüber dem Tageblatt. Demnach ist es noch immer möglich, Geld auf ukrainische Konten zu überweisen. Zudem würden derzeit die Überweisungsgebühren zwischen den Banken in der Ukraine entfallen, um so zusätzliche Kosten für die Menschen in der Ukraine zu vermeiden, meint Porcedda.
Sprunghafter Anstieg der Überweisungen
„Die Geldüberweisungen in die Ukraine sind seit der russischen Invasion sprunghaft angestiegen“, schreibt das Wall Street Journal. Am Tag des Einmarsches, dem 24. Februar, seien die Zahlungen an Ukrainer von Freunden und Verwandten aus dem Ausland um 121 Prozent höher gewesen als der 30-Tage-Durchschnitt bei MoneyGram. Die Zahl der Überweisungen sei zwischen dem 21. und dem 28. September um fast 70 Prozent gewachsen.
Auf der Webseite der „National Bank of Ukraine“ lassen sich die jüngsten Entwicklungen bezüglich der finanziellen Lage der Ukraine verfolgen. So hieß es beispielsweise in einer Mitteilung vom 4. März, dass die Banken „den ordnungsgemäßen und ununterbrochenen Betrieb ihrer Filialen und Geschäftsstellen sicherstellen müssen, sofern dies nicht das Leben und die Gesundheit der Öffentlichkeit gefährdet.“
Nach den anfangs noch strengeren Maßnahmen hat die ukrainische Notenbank die mit der russischen Invasion erlassenen Einschränkungen im Handel mit Fremdwährungen gelockert, meldete Reuters wiederum am Sonntag. Es werde nunmehr erlaubt, auf dem ukrainischen Interbankenmarkt Devisen zu kaufen, wenn damit strategisch wichtige Importgüter bezahlt werden sollen, teilt die Zentralbank mit. Zu solchen Einfuhren gehören demnach unter anderem Öl, Kohle, Medikamente und Blutkonserven.
Solidarität in Zeiten der Not
Der ukrainische Staat habe zudem beschlossen, umgerechnet rund 200 Euro an jeden Menschen zu verteilen, der kriegsbedingt seine Arbeit verloren hat, sagt Porcedda. Die Überweisung würde über eine App namens „Dia“ erfolgen.
Doch nicht nur das Wegfallen eines stetigen Einkommens ist problematisch: Die Lebensmittelpreise haben sich laut Porcedda seit Kriegsbeginn in den ukrainischen Supermärkten fast verdoppelt. Es würden allgemein weniger Waren geliefert werden – manche Gebiete seien sogar ganz davon abgeschnitten. Darum würden auch einige Freiwillige Menschen mit Lebensmitteln beliefern, die sich nicht mehr selbst versorgen können.
Auch in den Supermärkten habe er ein sehr solidarisches und zivilisiertes Verhalten beobachten können: Niemand sei „ausgerastet“ oder habe sich zu Hamsterkäufen hinreißen lassen. Hier und da vielleicht jemand, der eine zusätzliche Packung Nudeln in den Einkaufskorb gelegt hat, in der Regel hätten die Menschen aber nur das Nötigste eingekauft.
Ob Porcedda Schwierigkeiten an den Straßensperrungen oder an den Grenzübergängen hatte, etwa weil die dort postierten Soldaten hätten bestechen müssen oder weil sie die missliche Lage der Flüchtlinge ausgenutzt hätten, entgegnet er: „Ich habe durchwiegend positive Erfahrungen gemacht“ – und das an „mehreren dutzend“ Straßensperrungen.
Als er bei der ersten Straßensperre ankam, habe er nicht gewusst, was ihn erwarte. Die Soldaten hätten sich, zu seinem Erstaunen, allesamt ganz korrekt und freundlich verhalten und hätten den Flüchtlingen zudem viel Glück auf ihrer Reise gewünscht. „Für uns war es eine furchtbare Stresssituation und die haben uns teilweise sogar etwas Stress durch ihre freundliche Art und Weise abgenommen“, sagt Porcedda.
MoneyGram, Western Union, Ria
Bei den drei genannten Unternehmen handelt es sich um Geld-Transferdienste. Diese können für schnelle Geldüberweisungen ins beziehungsweise aus dem Ausland genutzt werden. Darum spricht man auch von sogenannten Blitzüberweisungen. „Gerade für Flüchtlinge ohne Girokonto sind diese Geldtransfers oft die einzige Möglichkeit“, schreibt die deutsche Verbraucherzentrale. Um Geld zu versenden oder zu empfangen, benötigt man kein Bankkonto, sondern nur einen gültigen Ausweis sowie verschiedene persönliche Daten des Senders oder Empfängers. Bereits wenige Minuten nach dem Transfer können die Empfänger das Geld in einer Agentur abholen.
Es gibt allerdings einige Punkte, auf die man bei diesen Diensten achten muss: So können diverse Kosten und Gebühren anfallen. Grundsätzlich fallen die Gebühren auf den Absender, es ist allerdings auch möglich, dass der Empfänger davon getroffen wird, etwa wenn bei der Auszahlung vor Ort in eine andere Währung umgerechnet wird. Die finalen Kosten hängen schlussendlich von der konkreten Situation ab und können erheblich variieren. So kann es vorkommen, dass sich die zu zahlenden Gebühren auf ganze 15 Prozent der überwiesenen Summe belaufen. Unter folgendem Link lassen sich die Konditionen verschiedener Geld-Transferanbieter vergleichen: www.geldtransfair.de.
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