Wissenschaft / Wie das SnT Luxemburg voranbringen will
Auf Kirchberg, direkt am Boulevard Kennedy, steht das „Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust“ (SnT) – die Hightech-Schmiede der Universität. Von außen sieht das Institut recht unscheinbar aus, doch hier beschäftigen sich Forschende mit so großen Zukunftsthemen wie der Künstlichen Intelligenz, Datensicherheit und Cyberkriminalität. Und sind dabei immer darauf bedacht, greifbare Resultate für Gesellschaft und Wirtschaft zu liefern. Das Tageblatt hat sich mit dem Direktor der Einrichtung, Björn Ottersten, unterhalten, um mehr zu erfahren.
Die Projekte des SnT sind so vielseitig wie interessant. So hat das SnT in seinem Keller eine nachgebaute Mondlandschaft. In ihr werden Sensoren für Mond-Rover getestet. Andere Forschende arbeiten an einem Computerprogramm, das menschliche Sprache versteht und auf Beschwerden von Software-Anwendern (sog. Bug Reports) reagieren kann.
Ottersten steht der Einrichtung seit 2009, seit ihrer Gründung, vor. „Ich habe mich immer dafür interessiert, wie Forschung die Gesellschaft beeinflussen kann“, erzählt er im Gespräch mit dem Tageblatt. „Als Ingenieur habe ich öfters mit Unternehmen zusammengearbeitet und während meiner ganzen Karriere habe ich immer gerne gesehen, wie Forschung genutzt wird.“ Diese Leidenschaft hat er mit ans SnT gebracht. „Ich habe großes Glück gehabt, dass ich Menschen einstellen konnte, die diese Vision mit mir geteilt haben.“ Einen Elfenbeinturm will Ottersten nicht leiten: „Nicht alle Akademiker sind daran interessiert, an praktischen Problemen zu arbeiten. Ich glaube fest daran und habe das ins Zentrum unserer Anstrengungen gestellt.“
Talente nach Luxemburg locken
Ottersten sieht es auch als eine seiner Aufgabe an, junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ins Großherzogtum zu locken. „Unsere Aufgabe ist es, Talente aus der ganzen Welt nach Luxemburg zu ziehen und ihnen eine erstklassige Doktorandenausbildung zu geben.“ In Luxemburg mangele es an Leuten, die sich mit Digitalisierung auskennen. Viele Studierende aus Luxemburg entscheiden sich eher für ein Wirtschafts- oder Jurastudium. „Vor 30 Jahren standen die USA und UK vor dem Problem, dass sich nicht genügend junge Leute für STEM (Sciences, Technologies, Engineering & Math) interessiert haben. Heute gibt es das Problem in Europa. Wir haben nicht genug Studierende, um die Nachfrage zu befriedigen“, sagt Ottersten. Das treffe insbesondere auf das Großherzogtum zu: „Luxemburg hat einen großen Dienstleistungssektor. Dieser wird immer digitaler. Das sorgt für eine überproportionale Nachfrage nach solchen Fachkräften.“ Ottersten glaubt, dass diese Nachfrage nicht alleine mit einheimischen Fachkräften gestillt werden kann: „Wenn wir junge Leute aus Luxemburg dafür interessieren können, STEM zu studieren, fände ich das exzellent. Das wird meiner Meinung nach aber nicht ausreichen.“
Dass sich der Dienstleistungssektor tatsächlich immer mehr für Hightech und Innovation interessiert, zeigt die lange Liste an Dienstleistern, mit denen das SnT heute zusammenarbeitet. Viele kommen aus dem Finanzbereich. Einige prominente Beispiele sind: BCEE, BGL BNP Paribas, CSSF, Clearstream, VNX, der Bankenverband ABBL und der Versorger Encevo. International arbeitet SnT mit Fintech-Unternehmen wie PayPal und Ripple zusammen. „Als wir 2009 angefangen haben, haben wir nur mit Technologieunternehmen zusammengearbeitet. Heute stellen wir fest, dass wir mit allen Sektoren zusammenarbeiten können.“
Luxemburgs Unternehmen wettbewerbsfähig machen
Diese Partnerschaften sind für Ottersten der Königsweg, um die Forschung in der „richtigen Welt“ zu erproben. „Der Technologietransfer hat zwei Seiten. Zum einen, indem wir Unternehmertum fördern und Spin-offs gegründet werden. Zum anderen, indem wir mit Unternehmen zusammenarbeiten und ihnen helfen, durch Innovation wettbewerbsfähiger zu werden.“ Spin-offs und unternehmerische Fähigkeiten seien wichtig, aber die Stärkung von Unternehmen in Luxemburg sei noch wichtiger. Die Partnerschaften ermöglichten es jungen Forschenden, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, Inspiration und Training zu erhalten, um ihr Spin-off zu gründen oder besser zu managen. Gewöhnlich handelt es sich bei den Partnerschaften des SnT um langfristige Kooperationen. Die SnT-Forschenden sitzen zum Teil mehrere Tage in der Woche im Unternehmen und die Unternehmen bezahlen die Forschung teilweise, wie Ottersten erklärt. Derzeit verfügt das SnT über 55 solcher Kooperationen.
Ein konkretes Beispiel: „Die Finanzinstitutionen müssen heutzutage viele Informationen über ihre Kunden sammeln, um beispielsweise Korruption und Betrug vorzubeugen. Das ist eine sehr mühselige Arbeit, die oft von Hand gemacht werden muss. Wir haben Projekte, die sich damit beschäftigen, wie das automatisiert werden kann. Dabei wird das Netz nach öffentlichen Datenbanken durchforstet und Informationen werden gesammelt, um den Banken mit ihrem KYC-Prozess unter die Arme zu greifen.“ Mit der Bankenvereinigung ABBL zusammen forscht das SnT an Wegen, diese Informationen auf sichere Weise mit anderen Finanzunternehmen zu teilen, sodass sie nicht mehrfach erhoben werden müssen, und daran, wie das Unternehmen, das die Informationen gesammelt hat, dafür entlohnt werden kann.
Als die Universität 2003 entstanden ist, sind Hochschuleinrichtungen, die es damals schon vereinzelt in Luxemburg gegeben hat, darin aufgegangen. Das SnT befindet sich heute an der Stelle auf Kirchberg, wo früher das „Institut supérieur de technologie“ (IST) war und benutzt zum Teil dessen alte Räume (ein anderer Teil des SnT sitzt auf Belval). Das SnT sei aber nicht als Nachfolger des IST zu verstehen, erklärt Ottersten. „Die Rolle des IST hat die Fakultät für Naturwissenschaften, Technik und Medizin übernommen und SnT-Professoren nehmen teil an der Lehre in Bachelor- und Masterstudiengängen der Fakultät. Die Lehrprogramme haben sich in der Zwischenzeit natürlich komplett verändert. Das SnT haben wir von Grund auf neu geschaffen, als ich hierhergekommen bin.“
Insgesamt arbeiten 380 Personen am SnT. Die PhD-Kandidaten und -kandidatinnen sind am SnT angestellt. Sie werden nicht als Studierende behandelt, sondern als vollwertige Forschende, erklärt Ottersten.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos