Gesundheit / Wie der Pflegedienstleister Orpea die Luxemburger Zweigstelle seit 2014 vorbereitet hat
Der französische Pflegedienstleister Orpea versucht seit Jahren, sich in Luxemburg niederzulassen. Seit 2014 hat das Unternehmen den Fuß in der Tür – und hat es mit der erfolgten Zulassung nun geschafft. Laut Familienministerium bestehe kein legaler Grund, dem französischen, mit zahlreichen Skandalen behafteten Betrieb die Zulassung zu verweigern.
Der französische Pflegedienstleister Orpea kommt nach Luxemburg. Familienministerin Corinne Cahen (DP) hat dem Unternehmen die dafür nötige Zulassung erteilt. Aus rechtlicher Sicht bestehe keine Möglichkeit, dem Anbieter die Zulassung zu verweigern, heißt es auf Tageblatt-Nachfrage aus dem Familienministerium. Denn: „Die Anfrage stammt von einer Luxemburger Gesellschaft: ORPEA Sàrl“, schreibt das Familienministerium. „ORPEA Sàrl ist eine eigene Rechtspersönlichkeit.“
Der Teufel steckt jedoch im Detail. Denn: Tageblatt-Recherchen zufolge hat der französische Konzern hierzulande nicht nur eine, sondern gleich acht „Rechtspersönlichkeiten“, die allesamt unter der gleichen Adresse im Luxemburger Firmenregister verzeichnet sind: Orpea GP Lux S.à r.l., Orpea RE Lease S.à r.l., Orpea Luxembourg Exploitation S.à r.l., Orpea Luxembourg Services S.à r.l., Orpea Real Estate Luxembourg S.à r.l., Orpea eal Estate Germany Holding S.à r.l., Central & Eastern Europe Care Services Holding S.à r.l. und Oresc 14, vormals unter „Orpea Real Estate Services S.à r.l.“ bekannt.
Orpea, Luxemburg, Schweiz und die Jungferninseln
Eine Untersuchung von Mediapart und Investigative Europe hat aufgedeckt, dass Orpea-Manager in Luxemburg bereits 2007 einen Fonds eingerichtet hatten, der Finanzierungen und Kredite verschleiern soll. Das hat reporter.lu im Mai 2022 berichtet. Nutznießer soll Roberto Tribuno, ein ehemaliger Orpea-Geschäftsführer des italienischen Ablegers, sein. Radio France habe zudem eine Schweizer Tochtergesellschaft der Gruppe entdeckt, die für den Einkauf von Lebensmitteln zuständig sei. Die Direktoren, die auch im Organigramm von Orpea in Frankreich zu finden sind, sollen laut reporter.lu über diese Firma hohe Gehälter beziehen.
„Orpea Luxembourg Exploitation S.à r.l.“ ist dabei das einzige Unternehmen, das im Gesellschaftszweck das Betreiben von Alters- und Pflegeheimen vermerkt hat. Als Geschäftsführer wird Geert Frans Uytterschaut aufgeführt. Er wurde am zehnten Oktober von der Orpea-Direktion als Teil des Teams vorgestellt, das den Altenheimbetreiber reformieren soll. Er soll sich als CEO der „Northern Europe“-Abteilung nicht nur um die Luxemburger Orpea-Altenheime, sondern auch um die aus Belgien, den Niederlanden, Irland und des Vereinigten Königreichs kümmern. Dabei war der belgische CEO bereits seit 2019 Generaldirektor der belgischen Orpea-Ableger – in denen bei Kontrollen in rund 20 Filialen ebenfalls große Missstände festgestellt wurden, wie Victor Castanet im Tageblatt-Interview bekannt gegeben hat.
Der öffentlichen Wahrnehmung zufolge ist Orpea erst seit dem 21. September 2021, dem Tag, als „Orpea Luxembourg Exploitation S.à r.l.“ im Luxembourg Business Register eingetragen wurde, in Luxemburg tätig. Dabei hat der französische Konzern bereits 2014 in Luxemburg Fuß gefasst – und seitdem keinen Hehl aus seinen Ambitionen gemacht.
Übernahme 2014 ebnete den Weg nach Luxemburg
Orpea hat 2014 den deutschen Pflegedienstleister „Silver Care Group“ von dem damaligen Kapitalanteilseigner Capital Chequers S.A. übernommen. Dabei hat der französische Mutterkonzern allem Anschein zufolge nicht nur deutsche Unternehmen akquiriert. Im Sommer 2014 wechselte die in Luxemburg ansässige „German Care Services Holding S.à r.l“ ebenfalls den Besitzer. Als neuer Besitzer wird im Firmenregister Orpea S.A. aufgeführt. Verkäufer der Luxemburger Firma: Chequers Capital XV FCPR. Offizielles Übernahmedatum ist der 21.07.2014.
Welche Ambitionen der französische Pflegedienstleister Orpea S.A. mit der rezenten Akquisition verfolgte, verdeutlicht sich durch die kurz nach der Übernahme folgende Namensänderung: Die „German Care Services Holding S.à r.l“ wird zur „Central & Eastern Europe Care Services Holding S.à r.l.“
Die acht „Rechts-Persönlichkeiten“ von Orpea in Luxemburg
– Orpea GP Lux S.à r.l.
– Orpea RE Lease S.à r.l.
– Orpea Luxembourg Exploitation S.à r.l.
– Orpea Luxembourg Services S.à r.l.
– Orpea Real Estate Luxembourg S.à r.l.
– ORPEA REAL ESTATE GERMANY HOLDING S.à r.l.
– CENTRAL & EASTERN EUROPE CARE SERVICES HOLDING S.à r.l.
– ORESC 14, vorher unter „ORPEA REAL ESTATE SERVICES S.à r.l.“ bekannt
Die „Central & Eastern Europe Care Services Holding S.à r.l.“ ist der Grundstein der Aktivitäten von Orpea in Luxemburg, das seinem Expansionsdrang noch im Jahr 2014 gerecht wird. Diese Holdinggesellschaft gründet 2014 zwei weitere Unternehmen im Großherzogtum: „Orpea Real Estate Luxembourg S.à r.l.“ und „Orpea Real Estate Services S.à r.l.“, die später in „Oresc 14“ umbenannt wird. 2015, 2017 und 2019 folgen dann weitere Firmengründungen, bis 2021 das Unternehmen gegründet wird, das eine Zulassung beim Familienministerium beantragt und zukünftig für die Verwaltung der Luxemburger Alten- und Pflegeheime zuständig sein wird: „Orpea Luxembourg Exploitation S.à r.l.“
Wer die Geschichte Orpeas kennt, dürfte besonders bei der bisher letzten Unternehmensgründung aufhorchen. „Orpea Luxembourg Services S.à r.l.“ ist seit dem 10. Februar 2022 in Luxemburg registriert. Als Gesellschaftszweck wird das Betreiben von Restaurants, Hotels und Bars aufgeführt. Zur Erinnerung: Victor Castanet konnte auch Sparmaßnahmen bei der Essensversorgung der Altersheimbewohner aufdecken. „Das Essensbudget von fünf Euro am Tag durfte nicht überschritten werden“, sagte Castanet im Tageblatt-Interview. „Das entspricht ungefähr anderthalb Euro pro Gericht.“
Kosteneinsparungen vor Betriebsaufnahme
Dass ein separates Unternehmen für die Essensversorgung in Altersheimen eigentlich nicht vonnöten ist, bestätigt auch Familienministerin Corinne Cahen. „Das Betreiben von Restaurants ist in der Zulassung zum Betreiben von Altersheimen nicht explizit enthalten“, sagte die DP-Politikerin am Montag gegenüber dem Tageblatt. Jedoch sei es noch nie vorgekommen, dass die Betreiber deswegen keine Essensversorgung innerhalb ihrer Unternehmen angeboten hätten. Familienministerin Corinne Cahen hat dann auch zugegeben, dass in der Hinsicht im Sektor viel „Schmu gedriwwe“ wird. Ein Umstand, dem man mit einer neuen Gesetzgebung entgegenwirken wolle. Dort soll die Essensverpflegung dann auch explizit genannt werden. „Im künftigen Gesetz wird explizit erwähnt, dass der Betreiber am Tag drei Mahlzeiten garantieren muss“, sagt ein Sprecher des Familienministeriums aus der Abteilung „Personnes âgées“ auf Tageblatt-Nachfrage. „Diese Leistung kann aber auch unter dem zukünftigen Gesetz noch ausgelagert werden.“
Dass die verschiedenen Firmengründungen von Orpea mit Plänen zu Kosteneinsparungen seitens der Konzernspitze verbunden sind, ist für Pitt Bach vom OGBL klar. „Die Arbeitnehmer, die im Restaurantbetrieb von Orpea arbeiten würden, würden dann nicht unter den Kollektivvertrag des Pflegesektors fallen“, sagt Pitt Bach. Orpea würde aber keinen Einzelfall darstellen. Auch Sodexo habe ein vom Altersheim getrenntes Unternehmen gegründet, um Geld zu sparen. Denn: „Im Horesca-Bereich, unter den das Unternehmen dann fällt, werden andere Gehälter gezahlt als im Pflegesektor“, sagt Pitt Bach.
Neben einer rein finanziellen Frage stelle sich laut Gewerkschaftler aber auch eine moralische Frage. „Man kann ja sagen, dass solche Unternehmen nicht gegen Gesetze verstoßen“, sagt Bach. „Den Unternehmen aber liegt nicht das Patienten- oder Bewohnerwohl am Herzen, sondern lediglich der Profit, den sie erwirtschaften können.“ Das Risiko sei bei großen internationalen Konzernen gegeben. „Hinzu kommt, dass diese Unternehmen ja mit öffentlichen Geldern subventioniert werden“, sagt der OGBL-Gewerkschaftler.
Politischer Wille fehlt
Skandalöser als der Umstand, dass Orpea sich in Luxemburg niederlasse, sei für Pitt Bach der Umstand, dass kein politischer Wille bestanden habe, dies zu verhindern. „Ich frage mich, warum der politische Mut jetzt gefehlt hat“, fragt sich Pitt Bach im Gespräch mit dem Tageblatt. Es sei keine „Vehemenz“ zu erkennen gewesen. „Das ist der eigentliche Skandal“, sagt Pitt Bach.
Womit wir wieder bei der Antwortmail des Familienministeriums angekommen wären, die auf die fehlenden rechtlichen Mittel eine Zulassung zu verweigern verweist. Eine Zulassung, die die Luxemburger Behörden laut Victor Castanet während Jahren sehr wohl zu verhindern wussten. Zum Treiben von Orpea in Luxemburg meinte der Journalist im Tageblatt-Interview: „Ich weiß, dass Orpea schon seit mindestens zehn Jahren versucht, in Luxemburg Fuß zu fassen, weil dort die potenzielle Nachfrage nach Luxus-Altersheimen von bis zu 10.000 Euro Miete im Monat sehr hoch ist.“ An diesem Wunsch seien über die Jahre viele Berater von Orpea gescheitert. Die Niederlassung von Orpea in Luxemburg sei von den Luxemburger Behörden erst vehement abgelehnt wurde. „Doch das scheint sich ja jetzt aus einem mir unerklärlichen Grund geändert zu haben“, sagte Castanet.
Das Familienministerium verweist auf die – oder versteckt sich hinter den – in Luxemburg gültigen Prozeduren. „Das Gesetz sieht klare Fristen vor, innerhalb derer der zuständige Minister reagieren muss“, lautet die Antwort auf eine entsprechende Frage. Die entsprechende Frist belaufe sich auf drei Monate und könne einmal um weitere drei Monate verlängert werden. Das bereits bekannte Resultat: „Wenn der zuständige Minister nach Ablauf der drei Monate keine Zulassung erteilen will, muss er den Antrag ablehnen – wofür in diesem Fall aber keine legale Basis besteht“, schreibt eine Sprecherin des Familienministeriums.
Es ist auch die „Luxemburger Rechtspersönlichkeit“, auf die das Familienministerium verweist, als das Tageblatt es mit den jüngsten Entwicklungen beim französischen Mutterkonzern konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft von Nanterre hatte vergangene Woche bekannt gegeben, dass es bei mehreren Einrichtungen von Orpea zu Hausdurchsuchungen gekommen ist. Das schreibt die französische Zeitung Le Monde am 15. November. Die gleiche Antwort erhält das Tageblatt, als es das Familienministerium mit den 9,5 Milliarden Euro Schulden des Mutterkonzerns konfrontiert. „Wenn das französische Mutterhaus, das in Frankreich etabliert ist, Schulden hat, ist das kein rechtliches Argument, eine Zweigstelle in Luxemburg abzulehnen“, schreibt das Familienministerium. Schließlich habe das Familienministerium einer Luxemburger Rechtspersönlichkeit die Zulassung erteilt. Oder eben Rechtspersönlichkeiten, wenn man etwas tiefer gräbt.
Tageblatt-Interview mit Victor Castanet
Das Tageblatt hat sich im Februar 2022 kurz nach Erscheinen des Enthüllungsbuches „Les Fossoyeurs“ mit dem Enthüllungsjournalisten Victor Castanet unterhalten. Der französische Journalist ist sich sicher, dass die Sparpolitik Orpeas nicht nur Frankreich, sondern auch andere Länder betrifft. „Ich kenne mich mit dem luxemburgischen Kontrollsystem nicht besonders gut aus“, sagte Castanet gegenüber dem Tageblatt im Februar. „Eins ist jedoch klar: Die Sparpolitik von Orpea betrifft nicht nur Franzosen, sondern auch Menschen aus anderen Ländern, vor allem aus Europa.“
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Wenn man sich die Geschichte des luxemburgischen Gesundheitswesens anschaut, dann stellt man fest, dass es eine Zeit gab, in der das Wohl der PatientInnen wohl nicht die oberste Priorität hatte. Wenn diese Geschichte wissenschaftlich aufgeklärt wäre, wäre die Sensibilität für problematische Entwicklungen im luxemburgischen Gesundheitswesen grösser.
MfG
Robert Hottua
„Im künftigen Gesetz wird explizit erwähnt, dass der Betreiber am Tag drei Mahlzeiten garantieren muss“
Morgens einen Becher Pudding, mittags einen Becher Fertigbrühe, abends einen Becher Pudding macht auch drei Mahlzeiten! Und wenn die Bewohner dementsprechend abgemagert sind, dann werden sie den Rest ihrer Tage im Bett fixiert und zwangsernährt, das spült nochmal jede Menge Geld in die Taschen und spart Personalkosten – widerwärtig! Auch wenn es ihr herzlich egal ist: So eine Familienministerin verstehe ich nicht und ist fehl am Platz!
D’Pflegedengschter verdingen sech hei zu Lëtzebuerg eng gelle Nues um Reck vun den ennerbezueleten Personal an Iwerbezuelten Leschtungen un den Pflegebedürftegen 10.000€ fir en soi-disant Luxuszemmer an dei anner Sait 5€ pro Daag fir d’Iessen. Do kann schon eng net stemmen . Dei Suen verleiren sech heino am Wirwar vun de Geselschafften fir das um Enn esou gudd wei keng Steieren mussen bezuelt gin. De Staat fällt emmer erem ob esou Koschtereien eran.
Aarmt Lëtzebuerg.
Der Staat fällt nicht darauf herein, der weiß Bescheid!
Mit Bildung,Gesundheit und Sicherheit darf man nicht versuchen Geld zu verdienen. Diese Mafia hat in Frankreich schlechte Noten nachdem ihre Schweinereien aufgedeckt waren.Und dann diese Feststellung: “ Laut Familienministerium bestehe kein legaler Grund, dem französischen, mit zahlreichen Skandalen behafteten Betrieb die Zulassung zu verweigern.“
Na dann Prost.
Loosse mer et dach riicht eraus soen. Déi Madam Familienministerin huet dach néischt op deem Posten verluer. Se misst scho längst hiren Hut geholl hun a sech schummen.
Ein für alle mal:
Private Unternehmen, also auf Gewinn orientierte Unternehmen, haben im Gesundheitswesen und bei der Altenpflege nichts verloren.
Da muß der Staat andere Lösungen finden.
Wenn ein(e) Minister(in) munter mitmischt, dann ist er(sie) wohl an diesem Gewinn interessiert!
„Wenn ein(e) Minister(in) munter mitmischt, dann ist er(sie) wohl an diesem Gewinn interessiert!“
Ziemlich offensichtlich…
Was kann man anderes als dieses „laisser-faire“ von einer wirtschaftsliberalen Ministerin erwarten? Die unsichtbare Hand des freien Marktes soll es wohl richten? Toi, toi, toi!