Editorial / Wie der Rechtsdrall der EVP die CSV in die Bredouille bringt
Daheim als Brandmauer gegen rechts auftreten, während die europäische Parteienfamilie sich zum Brückenbauer hin zur extremen Rechten macht. Keine Frage, der Europawahlkampf wird für die CSV zum Spagat und bringt die Kandidatinnen und Kandidaten auf der CSV-Liste zu den Europawahlen in die Bredouille: Sie müssen entweder eine Politik verteidigen, die sie nicht gutheißen – oder eine Politik kritisieren, die sie im eigenen europäischen Wahlprogramm stehen haben. Das schadet der Glaubwürdigkeit und macht es nicht leichter, das erklärte Ziel zu erreichen: Den dritten Sitz wiedergewinnen, den man 2019 an die DP verloren hatte.
In Luxemburg grenzen sich die Christdemokraten klar gegen rechts ab. Was man den Kandidatinnen und Kandidaten wie Isabel Wiseler-Lima, Martine Kemp und Christophe Hansen auch noch abnehmen könnte. Am rechten Rand der EVP bewegen sich die drei sicher nicht. Doch Europas Christdemokraten erleben seit Jahren einen Rechtsruck. Auch jetzt hat die Europäische Volkspartei EVP ihrer Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen einen stramm konservativen Kurs verordnet.
Der Startschuss fiel in Bukarest beim Kongress der EVP Anfang März, wo man sich einer harten Linie in der Migrationspolitik verschrieb. Stichwort: Asyl in Ruanda. Beim ersten Rededuell der Spitzenkandidaten und -kandidatinnen am Montag in Maastricht unterstrich von der Leyen, wohin die weitere Reise gehen könnte. Eine Zusammenarbeit im Europaparlament mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) wollte die deutsche Kommissionspräsidentin nicht ausschließen. Dort tummeln sich unter anderem die nationalkonservative polnische PiS, die italienischen Postfaschisten der Fratelli d’Italia und die rechtsextreme spanische Vox-Partei. Die ADR ist ebenfalls Mitglied der EKR und will mit Fernand Kartheiser als Spitzenkandidat erstmals einen Platz im Europaparlament erkämpfen.
Allgemein gehen Beobachter von einem Rechtsruck beim Urnengang am 9. Juni aus. Sowohl der sehr rechten EKR wie der rechtsextremen „Identität und Demokratie“ (ID) werden Sitzgewinne vorausgesagt. Während die ID, mit unter anderem der deutschen AfD, dem französischen Rassemblement national und der österreichischen FPÖ, für eine Zusammenarbeit mit der EVP nicht infrage kommt, sieht die Sache bei der EKR schon anders aus, wie auch von der Leyens Aussage in Maastricht unterstrich. Und sollte die EVP nach den Wahlen im Europaparlament tatsächlich mit der EKR zusammenarbeiten, dürfte sie freie Hand bekommen, die Einwanderungspolitik so zu verschärfen, wie sie das auch in ihrem Wahlprogramm ankündigt. Die luxemburgischen EVP-Abgeordneten würden daran nichts mehr ändern können.
Die CSV wird im Wahlkampf, der am kommenden Montag beginnt, ziemlich herumeiern müssen. Für die anderen Parteien im Luxemburger Rennen um die sechs Sitze im Europaparlament ist das ein gefundenes Fressen. Die CSV kann so sehr fremdeln mit der EVP, wie sie will – die politische Konkurrenz wird ihr spielend leicht einen für luxemburgische Verhältnisse unüblichen Rechtsdrall auf europäischer Ebene vorwerfen können. Und die CSV wird sich immer wieder mit demselben Widerspruch konfrontiert sehen: Die Europapolitik, die sie den Wählerinnen und Wählern in Luxemburg andrehen will, ist nicht die, die die EVP nach den Wahlen in Europa machen will.
- Luxemburg zählt bald 700.000 Einwohner – die Wachstumsfrage will trotzdem niemand stellen - 25. November 2024.
- Die Staatsbeamtenkammer feiert Geburtstag – Premier Luc Frieden „gratuliert“ mit launiger Rede - 21. November 2024.
- Kein Buddy mit dem Bully: Gute Nacht, USA – aufwachen, Europa! - 9. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos