Kayl-Tetingen / Wie der Wald dem Klimawandel widerstehen wird
„Alle Bäumchen stehen noch“, freut sich Daniel Sannipoli, als er in den Hordengatter mit den Esskastaniensetzlingen schaut. Anders sieht es in dem ebenfalls mit Pfählen abgesteckten und mit Brettern eingezäunten Areal wenige Meter weiter aus. Von den zehn eingesetzten Lärchen-Jungpflanzen haben nur drei überlebt. Den Maronenbäumen dürfte im Minett eine schöne Zukunft bevorstehen, zumindest in den Wäldern der Gemeinden Kayl-Tetingen, Rümelingen und Schifflingen, dem Revier von Förster Daniel Sannipoli. Wir sprachen mit ihm über den Zustand des Waldes.
Wem sind sie beim Waldspaziergang nicht schon aufgefallen – die wie Zahnstocher in die Höhe ragende Stämme – die Überbleibsel einst stolzer Fichten, die dem Borkenkäfer zum Opfer fielen. Sie sind Leidtragende des schleichenden Klimawandels, der sich auch in unseren Gegenden unter anderem durch mangelnde Niederschläge und langanhaltende Trocken- und Hitzeperioden bemerkbar macht. Mit Sannipoli fahren wir zu einer dieser Stellen im Tetinger Wald „op der Häd“. Hier standen hauptsächlich Fichten, sagt er. Sie waren noch von der Arbed gepflanzt worden. „Fichten passen aber nicht auf unserem Kalkboden hier“, sagt er. Sie werden von Rotfäule befallen und faulen.
Durch die warmen Sommer bekommen die Fichten unzureichend Wasser, was sie geschwächt hat. Die Folge: Sie produzieren weniger Harz, was dem Borkenkäfer die Arbeit erleichtert. Diese ganze Fläche war von ihm befallen, sagt Sannipoli. Übrig geblieben sind vor allem Laubbäume, durch deren Samen nun der zukünftige Wald entsteht. „Wir setzen vor allem auf Naturverjüngung, was von selbst nachwächst“, unterstreicht Sannipoli.
Resistent gegen Hitze und Luftverschmutzung
Zum Repertoire des Waldes in seinem Revier zählen vor allem Buchen, die fast die Hälfte des Bestandes ausmachen, dazu noch Eichen, Eschen, Ahorn und unterschiedliche Nadelhölzer wie Lärchen und Douglastannen. Rund 600 Hektar der 1.400-Hektar-Fläche der Kayl-Tetinger Gemeinde sind Wald. 414 Hektar befinden sich in öffentlicher Hand, davon gehören 230 Hektar dem Staat und 184 der Gemeinde. Die restlichen 186 Hektar sind privat, wobei ArcelorMittal mit 85 Hektar der größte Besitzer ist.
Die mögliche Zukunft des Waldes wird anhand der rund 30 Hordengatter studiert, die an verschiedenen Stellen errichtet wurden. In diesen etwa fünfmal fünf Meter großen Lattenumzäunungen wurden Setzlinge verschiedener Baumarten angepflanzt, von denen man hofft, dass sie den Klimawandel besser schaffen. Neben Esskastanien sind das Traubeneichen, Linden und Lärchen – Sorten, die zu diesem Boden passen und laut Wissenschaftler trockenen und wärmeren Sommern besser widerstehen, sagt Sannipoli. Die Linde etwa, die oft entlang von Straßen gepflanzt wird, ist sehr resistent gegen Luftverschmutzung, verträgt auch sehr gut die Hitze. Die Esskastanie hat sich im Norden Italiens gut bewährt. Schaut man sich in diesen Wäldern um, sieht man, dass die Esskastanie da die dominante Baumart geworden ist, sagt Sannipoli. „Das gibt einen schönen Baum, der es meiner Ansicht nach gut durch die trockenen Sommer schafft“, sagt er.
Außenseiterin unter den getesteten Bäumen ist die europäische Lärche, die einzige Nadelholzart. Im Gegensatz zur Fichte wächst sie gut auf den hiesigen Kalkböden. Warum dann die geringe Überlebensrate im soeben besuchten Hordengatter? Die Lärche tut sich schwer damit, sich zu vermehren und sich gegen andere Arten wie die Buche durchzusetzen. Am besten gelinge die Verjüngung durch Setzlinge. Hat sie das erste Jahr überstanden, wächst sie sehr gut, so Sannipoli. Die Setzlinge im Gatter sind wohl vertrocknet.
Auf nicht europäische Baumarten hat man bewusst verzichtet. „Die Naturverjüngung kommt. Es dauert vielleicht etwas länger, aber mit dem Wald muss man Geduld haben. Das ist nichts Kurzfristiges“, so Sannipoli. Man muss in langen Zeiträumen von hundert, zweihundert Jahren denken. Und man müsse die Natur tun lassen. Sie weiß, was das Richtige ist. „Der Mensch hat hier Fichten angepflanzt und das war falsch“, sagt der Förster und zeigt auf die kahlen Baumstämme. Für sie gibt es nur wenig geeignete Standorte: über 400 Meter über den Meeresspiegel, viel Niederschlag und wenn möglich in Nordhanglage. Die Fichten wurden aus wirtschaftlichen Gründen gepflanzt. Sie wurden zur Befeuerung der Hochöfen genutzt und vor allem wachsen sie schnell. Die Fichte sei „de Broutbam“ des Bauern gewesen, erklärt Sannipoli. Eine Generation pflanzt sie an, die nächste kann sie bereits zu Geld machen. Bei Laubhölzern wie Eichen, Buchen und Ahorn muss man in Generationen übergreifenden Zeiträumen denken.
Kaputte Fichten werden stehen gelassen
Zugute hält er den ehemaligen Bewirtschaftern, dass sie neben Fichten ebenfalls die aus Nordamerika stammende Douglastanne gepflanzt haben. Auch sie soll normalerweise nicht auf Kalkböden stehen, weil sie erkranken kann. Aber hier, „op der Häd“, ist sie sehr gut gewachsen. Und der Borkenkäfer geht vorerst nicht dran. Wertvoll ist die Douglas für den Außenbau. Ihr Kernholz fault nicht.
Die kaputten Fichten lässt man stehen. Vögel nutzen das Totholz. Dort, wo es für Wanderer gefährlich werden kann oder wo Hordengatter durch umstürzende Stämme beschädigt werden könnten, werden sie jedoch entfernt. Das Holz wird für die Holzschnitzelanlage der Gemeinde benutzt. „Wir gehen nicht hin und entfernen jede tote Fichte. Wir überlassen sie der Natur“, sagt Sannipoli. Ökonomisch sind sie ohnehin wertlos.
Einige Male im Jahr schaut man nach den Hordengattern, um ihre Unversehrtheit zu prüfen. Schließlich wurden sie auch gebaut, um die Setzlinge und jungen Triebe vor dem Wild zu schützen. Wildtiere riechen die süßen Knospen auf hunderte Meter und würden sie sofort wegbeißen. Auch in den Wäldern von Förster Sannipoli ist der Reh- und Wildschweinbestand zu hoch. Es müsste mehr geschossen werden, sagt er. „Vielleicht bekommen wir einmal den Wolf wieder“ fügt er lachend hinzu. Aber es sei wohl eher Wunschdenken, dass er den Wildbestand regeln werde. Wohl eher werde man Probleme mit ihm haben, zumindest am Anfang.
Welchen Schaden das Wild im Wald anrichtet, versucht man anhand sogenannter Weiserflächen zu untersuchen. Sie sehen wie die Hordengatter aus, nur dass der Wald sich hier selbst überlassen wird, also keine Setzlinge gepflanzt wurden. Gleich nebenan wird eine ebenso große Fläche abgesteckt, ohne sie jedoch zu umzäunen. Nach ein paar Jahren sieht man den Unterschied zwischen der Fläche, in die dem Reh verschlossen blieb, und der offenen. In seinem Revier ist dieser Unterschied nicht besonders groß, da sich die Jungbäume auf diesem fruchtbaren Boden sehr gut erholen, sagt Sannipoli. In Nachbarrevieren wie etwa Bettemburg, Roeser, Käerjeng, Leudelingen oder Dippach und Landstrichen mit schweren Böden sind die Pflanzen auf niedriger Höhe abgebissen – regelrechte Bonsais. Da entstehe hoher Schaden. Aber im Unterschied zu den Bauern, die bei Wildschaden entschädigt werden, gehen die Waldbesitzer, ob öffentliche oder private, leer aus.
Wie er denn den allgemeinen Gesundheitszustand des Waldes in seinem Revier einschätzt? Im Vergleich zu Gegenden mit schwereren Böden sind die alten Bäume, insbesondere die Buchen, gesünder, auch wenn einige kränkeln. Der Kalkboden erleichtert ihnen den Wasserhaushalt, so Sannipoli. Folglich werden sich auch die kommenden Generationen des Waldes erfreuen können? „Der Wald regeneriert sich. Aber das Waldbild wird sich verändern“, sagt Sannipoli. Im Süden wird es bald keine Nadelbäume mehr geben. Es wird ein jüngerer Wald mit anderen Baumarten sein. „In hundert Jahren werden wir einen Wald vorfinden, wie wir ihn heute im Süden Europas sehen.“
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