Hinter den Kulissen / Wie die Chamber den Selenskyj-„Auftritt“ vorbereitet
Nach seinen emotionsgeladenen Auftritten in den nationalen Parlamenten in London, Paris, Berlin und Brüssel ist nun auch Luxemburg an der Reihe: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt am 2. Juni in die Chamber – virtuell. Wie bereitet sich die Chamber auf dieses „Event“ vor und wie steht es eigentlich um die Sicherheit der Übertragung? Das Tageblatt hat nachgefragt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht am 2. Juni zum Luxemburger Parlament. Das hat Chamber-Präsident Fernand Etgen während der öffentlichen Sitzung am Dienstag angekündigt. Selenskyjs unermüdliche Ansprachen, bei denen er um Unterstützung für sein von Russland überfallenes Land bittet, sind inzwischen weltweit bekannt. So hat er sich schon an die nationalen Parlamente in London, Paris, Berlin und Brüssel gerichtet und erntete bereits mehrmals „Standing Ovations“ am Ende seiner Rede.
So viel steht fest: Das Ganze bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung. Die Chamber kümmert sich um den gesamten organisatorischen Rahmen von Selenskyjs „Auftritt“. Vor Wochen schon, als Selenskyj damit begann, Videokonferenzen in ganz Europa abzuhalten, habe die Verwaltung der Chamber diese antizipiert: Der ukrainische Präsident könnte eine Anfrage stellen, um in Luxemburg eine virtuelle Ansprache zu halten, so Laurent Scheeck, der Chamber-Generalsekretär gegenüber dem Tageblatt. Kurios: Obwohl während der Pandemie viel über Videokonferenzen geregelt wurde, gab es bis vor kurzem noch kein Videokonferenz-System im Plenarsaal der Chamber. Ein derartiges System sei erst gegen Ende des letzten Jahres bestellt – und relativ zeitgleich mit Selenskyjs Auftauchen in anderen Parlamenten implementiert worden.
Damit sei es allerdings noch nicht getan: Neben der Einrichtung des Videokonferenzsystems, „das bereits getestet wurde und auch funktioniert“, muss die Installation des Projektionsmaterials, eine funktionierende Live-Übertragung auf Chamber-TV gewährleistet werden: sowohl im Fernsehen, auf der Webseite und in der App. Auch eine Übersetzung der Ansprache muss garantiert sein. Selenskyj werde seine Rede auf Ukrainisch halten. Sie soll ins Französische übersetzt werden.
Erlaubnis schon vor der Anfrage
„In so einem Moment überlassen wir nichts dem Zufall“, sagt Scheeck. Deshalb würde es in den nächsten Tagen noch eine ganze Reihe an Versammlungen sowie eine Generalprobe im Laufe der nächsten Woche geben. Am Donnerstag gebe es zum Beispiel eine Versammlung aller beteiligten Verwaltungsabteilungen der Chamber: so etwa des „Service des relations internationales“, des „Service des séances plénières et secrétariat général“, des Helpdesk, der IT-Abteilung sowie des RSSI („Responsable de la sécurité des systèmes d’information“).
Zudem hätte sich die Chamber-Verwaltung „über die letzten Wochen“ hinweg mit einem externen Unternehmen koordiniert, damit die Live-Übertragung einwandfrei abläuft – ohne zu wissen, dass das überhaupt stattfinde. „Das war nur eine Antizipation, die deduktiv war, weil wir gesehen haben, dass das überall passiert und wir uns dachten, dass die Ukrainer auch irgendwann in die Chamber kommen wollen. Wobei wir natürlich verstehen, dass sie Luxemburg nicht unbedingt als Erstes auf ihrem Radar hatten“, sagt Scheeck.
Derartige Ansprachen würden für gewöhnlich vom Redner selbst und nicht von der Chamber beantragt werden. Tatsächlich äußerten gleich mehrere Parteien den Wunsch, dass der ukrainische Präsident im Parlament gehört werden sollte: der Luxemburger Konsul der Ukraine (Claude Radoux), die Vereinigung LUkraine und die ukrainische Botschaft (mit Sitz in Brüssel). Als die ukrainische Botschaft letzten Freitag ihre Bitte an die Chamber richtete, „wussten wir, dass das tatsächlich stattfinden wird“, sagt Scheeck.
Das „Bureau“ der Chamber sei bereits vor knapp drei bis vier Wochen um ein prinzipielles Einverständnis gebeten worden – für den Fall, wo Selenskyj eine Anfrage stellen würde. Die Erlaubnis wurde also bereits im Vorfeld erteilt. Am Donnerstag würden während der „Conférence des présidents“ noch „die genauen Modalitäten“ besprochen werden, wie etwa der Ablauf der „Plenarversammlung“, oder welche Regierungsmitglieder anwesend sein werden. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel (DP) habe am Dienstag bereits den Wunsch geäußert, am 2. Juni dabei sein zu wollen.
Vollstes Vertrauen in die Luxemburger Polizei
Am Dienstag hieß es noch laut Tageblatt-Informationen, dass die Chamber eine ukrainische Delegation empfangen würde, darunter möglicherweise sogar eine ukrainische Ministerin. Scheeck wollte das gegenüber dem Tageblatt aber weder bestätigen noch widerlegen. Es seien zwar bereits Namen im Umlauf – bestätigt ist aber keiner davon. Der Generalsekretär der Chamber ließ sich auch keinen davon entlocken. Derzeit werde noch entschieden, ob eine ukrainische Delegation nach Luxemburg kommen wird, und wenn ja, wer dabei sein wird: „Das wissen wir noch nicht zu 100 Prozent und wir wissen auch noch nicht genau, ob das am 2. [Juni, Anm. der Redaktion] selbst oder am 3. sein wird“, sagt Scheeck.
In so einem Moment überlassen wir nichts dem ZufallGenerasekretär der Chamber
Sollte diese Delegation nach Luxemburg kommen, werde sich größtenteils die Polizei, die ohnehin bei jeder Plenarversammlung anwesend sei, um deren Sicherheit kümmern: Die Ordnungshüter machen eine sehr gute Arbeit, darum „verlassen wir uns ganz auf die Evaluierung der Polizei. Wir machen da keine ‚in-house‘ Evaluierung, was die Sicherheitslage betrifft“, teilt Scheeck mit.
Keine Anzeichen für Sabotage
Was den technischen Bereich betrifft: Die Chamber verfüge über einen eigenen IT-Ingenieur, der auf den Bereich der Sicherheit spezialisiert sei. Die Chamber hat laut ihrem Generalsekretär die nötigen Mittel, um täglich auf Cyber-Angriffe zu reagieren und diese abzuwehren. Derzeit gebe es aber keinerlei Anzeichen dafür, dass jemand versuchen wolle, die Übertragung zu stören. „Ich gehe wirklich nicht davon aus, dass da etwas passiert. Es gibt keinen Anhaltspunkt und ich sehe nicht, warum es interessant sein sollte, das (die Übertragung, Anm. der Red.) zu stören“, sagt Scheek und weiter: „Der politische Schaden, der da entstehen könnte, den schätze ich für die Russen als uninteressant ein.“ Trotz allem herrsche aber eine höhere Wachsamkeitsstufe als bei einer herkömmlichen Plenarversammlung.
Die Frage nach der Sicherheit stelle sich aber zu jeder Zeit: Die Selenskyj-Übertragung sei da keine Ausnahme, sagt eine weitere Sprecherin der Chamber gegenüber dem Tageblatt. Sie sehe jedoch keinen Sinn darin, die Übertragung zu hacken, da das Ganze vollends offen nach außen sei – demnach gebe es also keine zusätzlichen Informationen, die sich dadurch ergaunern ließen.
Welche Software zur Kontaktaufnahme mit Selenskyj genutzt wird, ist derzeit noch nicht klar: „Es sieht so aus, als würde es (die Übertragung, Anm. der Red.) über Zoom gemacht werden. Und es wird natürlich über Chamber-TV übertragen – im Fernsehen und im Stream“, meint die Chamber-Sprecherin. Laut Scheek liegt jedoch auch die Software Webex auf dem Verhandlungstisch. Das Luxemburger Parlament habe bereits mit beiden Systemen seine Erfahrung gemacht.
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Dann fragt mal, ob er auch vor seiner Wahl Finanzspritzen aus dem Westen gekriegt hat. Das würde sicher viele interessieren.