Umwelt / Wie die EU ihren Müll an andere Länder liefert
Die Europäische Union exportiert immer mehr Abfall in Drittstaaten. Das zeigen rezente Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Den Zahlenreihen zufolge sind die Müllexporte 2020 auf 32,7 Millionen Tonnen angestiegen. Das sind 75% mehr Müll als 2004, schreibt Eurostat.
Das wichtigste Exportland für europäischen Abfall ist die Türkei. 13,7 Millionen Tonnen Abfall hat die Europäische Union im letzten Jahr dorthin exportiert. Mehr als dreimal so viel wie noch 2004. Zweitgrößter Abnehmer des europäischen Mülls war Indien. Dorthin wurden im letzten Jahr 2,9 Millionen Tonnen Abfall gebracht. Es folgen das Vereinigte Königreich* (1,8 Millionen Tonnen), die Schweiz (1,6 Millionen Tonnen), Norwegen (1,5 Millionen Tonnen) sowie Indonesien und Pakistan (beide je 1,4 Millionen Tonnen).
Bei mehr als der Hälfte der europäischen Ausfuhren (17,4 Millionen Tonnen) handelte es sich 2020 um Eisenmetallabfälle. Auch hierbei war die Türkei Hauptabnehmer. Zu einem kleineren Anteil exportierte die Europäische Union Altpapier (6,1 Millionen Tonnen) und Plastikmüll (2,4 Millionen Tonnen).
Pakistan sei in den letzten Jahren immer wichtiger für europäische Abfallexporte geworden, schreibt Eurostat. 2004 beliefen sich die Abfallexporte dorthin auf 100.000 Tonnen. Die Abfall-Ausfuhr nach Pakistan hat sich im Verlauf der letzten 16 Jahre demnach vervierzehnfacht. Dagegen sind die Abfallexporte nach China eingebrochen. Exportierte die Europäische Union zu Spitzenzeiten 2009 noch 10,1 Millionen Tonnen Abfall in das Reich der Mitte, so waren es zuletzt nur noch 0,6 Millionen Tonnen.
China hatte seit den 1980er Jahren Abfall aus der ganzen Welt importiert, um ihn zu recyceln und die Ressourcen zu nutzen. Dabei wurde auch verseuchter Abfall importiert. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua schrieb, die Praxis unterstütze das Wirtschaftswachstum, doch schade der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit. Seit 2018 ist der Import verschiedener Kategorien Abfall in China verboten. Darunter Plastik, Altpapier und Textilien.
Zu einem viel geringeren Maße importiert die Europäische Union selbst Abfall aus anderen Staaten. 2020 importierte die EU gerade mal 16 Millionen Tonnen Abfall aus Drittstaaten – ein Rückgang von 10 Prozent seit 2004, wie aus den Eurostat-Zahlen ersichtlich wird. Den meisten Abfall importiert die Europäische Union aus dem Vereinigten Königreich (4 Millionen Tonnen), gefolgt von Norwegen (3,1 Millionen Tonnen), der Schweiz (2,4 Millionen Tonnen), den Vereinigten Staaten (1,6 Millionen Tonnen) und Russland (1,2 Millionen Tonnen).
Im Dezember des letzten Jahres hatte die Europäische Kommission neue Regeln für das Verschiffen von Plastikabfall aufgestellt. „Diese neuen Regeln senden eine klare Botschaft, dass wir in der EU die Verantwortung für den von uns erzeugten Abfall übernehmen“, wird Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius in einem Schreiben der Kommission vom 22. Dezember zitiert. Der Export von Kunststoffabfällen werde nur noch unter sehr strengen Bedingungen erlaubt sein, so der Kommissar weiter. Der Export von unsortierten Kunststoffabfällen in Nicht-OECD-Länder werde komplett verboten. Die Türkei ist übrigens Mitglied der OECD. Dies sei ein wichtiger Meilenstein, so Sinkevicius, im Kampf gegen die Plastikverschmutzung, für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und für das Erreichen der Ziele des Europäischen „Green Deal“. Die neuen Regeln sind seit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft.
3,4 Milliarden Tonnen im Jahr 2050
In einem 2018 erschienenen Bericht der Weltbank über die globale Müllsituation heißt es, dass pro Jahr schätzungsweise 2,01 Milliarden Tonnen feste Siedlungsabfälle (ohne Industrieabfälle) anfallen. Diese Menge, so rechnet die Weltbank vor, werde bis 2050 bei einem Business-as-usual-Szenario auf 3,4 Milliarden Tonnen ansteigen. Kritiker des globalen Abfallexports beanstanden, dass der Abfall vor allem aus reichen Industrienationen in Richtung Entwicklungsländer fließt. Europa und die USA behandelten andere Länder als ihre Müllkippen. Die Umwelt- und Gesundheitsprobleme, die mit dem Müll einhergehen, würden so auf diese Länder verschoben werden.
In den letzten Monaten und Jahren hatte es immer wieder Aufregung gegeben, wenn Länder Müll schnurstracks an den Absender zurückgesendet haben. So hatten die Philippinen 2019 1.500 Tonnen Müll zurück nach Kanada geschickt. Der Abfall sei fälschlicherweise als Plastik für das Recycling gekennzeichnet gewesen, als er 2014 in Manila eintraf, berichtete die BBC. Kanada übernahm die Kosten für den Rücktransport.
Auch Malaysia schickt immer mehr illegalen Plastikmüll an die Absender zurück. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurde Malaysia zum Lieblingsziel der weltweiten Plastikmüllexporte, nachdem China die Einfuhr verboten hat. Dabei landet auch viel unerwünschter Abfall, der nicht recycelt werden kann, in Malaysia, den das Land immer wieder zurücksendet. Im April hatte das Land Reuters zufolge verkündet, seit 2019 habe es 267 Container zurückgeschickt und gerade 81 weitere auf den Weg gebracht.
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