Zeit / Wie die Revolution den Tag in zehn Stunden einteilte
Wenn wir messen, dreht sich alles um die Zahl Zehn. Nur bei der Zeit benutzen wir noch ein System, das auf der Zahl Zwölf beruht. Warum? Die Französische Revolution liefert Antworten.
In Luxemburg und in den meisten anderen Ländern der Welt benutzen wir zum Messen ein System, das rund um die Zahl Zehn aufgebaut ist. Ein Dezimalsystem. Das macht es einfach, von einer Einheit in eine andere umzurechnen, ohne groß darüber nachzudenken. Ein Meter sind zehn Dezimeter, die wiederum zehn Zentimetern entsprechen. Beim Gewicht überspringen wir zwar ein paar Maßeinheiten, aber im Grunde ist das System das gleiche. Tausend Gramm sind ein Kilogramm und tausend Kilogramm sind eine Tonne.
Dieses System hat sich überall auf der Welt durchgesetzt und wird in den Wissenschaften heute durchgehend genutzt. Selbst in den USA, dem Land, das bekannt dafür ist, am alten imperialen System (von manchen scherzhaft als Freedom Units bezeichnet) mit Zoll und Fuß festzuhalten. Dabei sind 12 Zoll ein Fuß und drei Fuß sind ein Yard.
Dass diese Weise zu rechnen komplexer ist als das Dezimalsystem, ist unbestritten und führt manchmal zu mehr oder weniger ernstgemeintem Spott. Dabei wird oft vergessen, dass die ganze Welt ein ebenso „seltsames“ System jeden Tag benutzt. Ein Maßsystem, von dem wir jeden Tag Gebrauch machen, und das nicht auf der Zahl Zehn beruht, sondern auf der Zahl Zwölf. Die Rede ist von der Zeit. Ein Tag entspricht 24 Stunden. Eine Stunde entspricht 60 Minuten. Eine Minute entspricht 60 Sekunden. Die Sekunde wiederum wird mit einem Zehnersystem unterteilt: Zehntelsekunde, Hundertstelsekunde, Millisekunde. Davon abgeleitet werden Einheiten der Geschwindigkeit (Distanz über Zeit) wie km/h.
Unsere Einheiten sind abgeleitet vom Internationalen Einheitensystem (fr. système international) – kurz SI. Dieses System definiert sieben Basiseinheiten: Sekunde, Meter, Kilogramm, Ampere, Kelvin, Mol und Candela. Andere Einheiten wie Stunde, Watt, Volt oder Kilometer werden davon abgeleitet.
Seine Wurzeln hat das System in Frankreich nach der Französischen Revolution, als die Nationalversammlung der Akademie der Wissenschaften den Auftrag gab, ein einheitliches System für Maße und Gewichte zu entwerfen. Nachdem die Wissenschaftler sich darauf geeinigt hatten, was ein Meter (der zehnmillionste Teil der Strecke vom Pol zum Äquator) und was ein Kilo (ursprünglich als Grave bezeichnet) sind, wurden physische Exemplare aus Metall angefertigt und in die Welt verschickt.
Ein solches Meter und ein Grave sollten auch in die noch junge USA gebracht werden. Thomas Jefferson interessierte sich für das metrische System der Franzosen und glaubte, es könnte auch etwas für sein Land sein. Doch das Schiff, auf dem sich diese Exemplare befanden, erreichte nie sein Ziel. Es wurde durch einen Sturm vom Kurs abgebracht und in die Karibik verschlagen, wo sich britische Freibeuter seiner annahmen. Der französische Abgesandte, Joseph Dombey, der die wertvolle Fracht überbringen sollte, wurde von den Piraten gefangen genommen und starb in der Gefangenschaft. Das Hab und Gut an Bord, darunter Dombeys wertvolle Maßeinheiten, wurde von den Piraten verkauft.
Nach der Revolution wurde in Frankreich der Kalender reformiert. Im Jahr 1793 wurde auch ein neues System für die Uhrzeit eingeführt, das auf einem Zehnersystem beruhte. Sie wird Dezimalzeit genannt. In der Dezimalzeit ist der Tag in zehn Stunden eingeteilt, jede Stunde in 100 Minuten und jede Minute in 100 Sekunden. Um 5 Uhr ist es also Mittag und um 10 Uhr Mitternacht. Auch lässt sich Zeit besser als Kommazahl ausdrücken. 1,5231 Stunden entsprechen 1 Stunde, 52 Minuten und 31 Sekunden. Uhren hatten ein Ziffernblatt, das in zehn Abschnitte eingeteilt war. Andere Uhren wiederum hatten zwei Ziffernblätter, damit beide Arten der Zeitmessung abgelesen werden konnten.
Der Revolutionäre Kalender war immerhin von 1793 bis 1805 offiziell im Gebrauch, bevor Napoleon ihn abschaffte, und galt damals auch in Luxemburg. 1871 wurde der Kalender von der Pariser Kommune noch einmal ausgegraben. Die Dezimalzeit konnte sich allerdings nie durchsetzen und wurde nicht einmal zwei Jahre nach ihrer Einführung wieder abgeschafft. Einen Grund liefert der entsprechende Gesetzestext nicht. Wahrscheinlich sahen die Bürger einfach keine Notwendigkeit, den Tag neu einzuteilen. Grave und Meter waren praktisch. Sie vereinfachten den Handel. Für eine neue Tageseinteilung bestand einfach keine Notwendigkeit.
Im Laufe der Zeit wurde das SI-System verfeinert und weitere Einheiten kamen hinzu. Heute sind diese Einheiten viel genauer festgelegt. Ein Meter ist heute zum Beispiel definiert als die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum in 1/299.792.458 Sekunde zurücklegt.
Spätere Anstrengungen, die Dezimalzeit einzuführen, wurden immer verworfen. Auch weil mittlerweile eine ganze Reihe von SI-Einheiten, z.B. Watt und Volt, mithilfe der aktuellen Standardsekunde definiert werden. Sogar das Tempo von Musik wird in Schlägen pro Minute ausgedrückt. Wer dennoch eine Dezimaluhr besitzen möchte, kann dies tun. Es gibt Hersteller, die diese Uhren heute noch anfertigen.
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