„Coding“ / Wie die Schule den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen kann
Bildungsminister Claude Meisch nennt es die Sprache des 21. Jahrhunderts. Das „Coding“ wurde am Montag offiziell im Zyklus 4 der Grundschulen eingeführt. Was ist „Coding“ eigentlich und wie gehen die Kinder damit um? Ein Lehrer nennt es eine Herausforderung für die Lehrkräfte.
„Der Roboter heißt Botly“, sagt eine der Lehrerinnen dem Tageblatt. In der Turnhalle der Gellé-Grundschule in Bonneweg sitzen zwei Gruppen von Kindern um die kleine Maschine herum. Botly wird über eine Fernbedienung einprogrammiert. Er kann vorwärts und rückwärts rollen oder sich drehen. Das kleine Gerät stößt auf reges Interesse bei den Kindern der 5. Klasse. „Seine Sensoren können Linien erkennen und diesen folgen“, sagt die Lehrerin. „Dazu muss man aber die richtigen Befehle eingeben.“ Die Kinder programmieren also eine Bewegung ein und schauen, wie Botly reagiert. Macht er nicht das, was der Schüler eigentlich wollte, muss dieser nachbessern und einen anderen Befehl eingeben. Die Gruppe arbeitet zusammen. Jeder hat eine andere Idee, wie man Botly in die richtige Richtung führen kann.
Montag war der erste Tag, an dem das Coding offiziell im Zyklus 4 der Luxemburger Grundschulen eingeführt wurde. Aus diesem Anlass hatte Bildungsminister Claude Meisch im Beisein von Script-Direktor Luc Weis die Presse in die Schule eingeladen. Für die Kinder des Zyklus 4.1 in Bonneweg war es also die erste Erfahrung mit dem Coding.
Aber nicht für jede Schulklasse ist das Coding neu. „Wir basieren uns auf den Erfahrungen, die wir in den vergangenen zwei Jahren in 36 Pilotklassen in Luxemburg gemacht haben“, sagt Meisch. Diese Erfahrungen seien sehr wichtig, so der Bildungsminister. Dadurch wisse man nun, wie man das Coding richtig einführe, und dies auf eine kindgerechte und spielerische Art.
Claude Reuter ist Lehrer und Script-Mitarbeiter. Er hat bei der Entwicklung des Fachs Coding mitgewirkt. Er sagt, dass das Interesse der Lehrer an dem neuen Schulfach sehr groß sei. Dies könne man an den vielen Einschreibungen bei den Fortbildungen zum Coding sehen. Deshalb sei dies nun für viele Lehrer kein absolutes Neuland. Zudem stehen den Lehrern spezialisierte Lehrkräfte für digitale Kompetenzen, die sogenannten I-CN („Instituteurs spécialisés en compétences numériques“), zur Seite. Insgesamt 15 dieser I-CN bieten den Lehrern in den Luxemburger Grundschulen ihre Hilfe an. Das ist einer pro Region. Diese sollen in die Klassen gehen und den Lehrern dort zeigen, wie man Coding an die Schüler bringt.
Coding als Brücke in die Zukunft
Ein Schwerpunkt bei der Einführung des Codings wurde laut Meisch auf die Weiterbildung gelegt. Bislang haben fast alle Lehrer des Zyklus 4 an solchen Fortbildungen teilgenommen, sagt der Minister. Den Schulen wird nun ein Starterkit zur Verfügung gestellt, das die ganzen Materialien, die man zum Codieren braucht, beinhaltet. Eine solche Kiste soll pro 70 Schüler ausgegeben werden. Das Ministerium hat dieses Starterkit mitfinanziert, um, so Meisch, die Gemeinden zu entlasten.
Ein starker und aufgeklärter junger Erwachsener weiß, wie man die modernen Maschinen kontrolliert, um zu vermeiden, dass die Maschinen ihn kontrollierenBildungsminister
Für Meisch hat die Einführung des Fachs Coding eine große Bedeutung. Die Schule muss laut Bildungsminister die Brücke in die Zukunft schlagen. Sie soll Schritt halten mit der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung, sagt er. „Beim Codieren geht es darum, die digitale Welt zu verstehen und sie auch zu gestalten.“ Die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig digitale Werkzeuge sind. Meisch nennt das Coding die Sprache des 21. Jahrhunderts. „Ein starker und aufgeklärter junger Erwachsener weiß, wie man die modernen Maschinen kontrolliert, um zu vermeiden, dass die Maschinen ihn kontrollieren.“ Mit dieser Aussage meint Meisch wohl auch die Gefahren, die die Künstliche Intelligenz mit sich bringt.
Der Zyklus 4 macht nun den Anfang. Codieren soll prinzipiell innerhalb des Mathematikunterrichts stattfinden. Ab nächstem Schuljahr soll das Fach auch in den Zyklen 1 bis 3 eingeführt werden und transversaler sein. Das heißt, dass es in praktisch jedes Schulfach integriert werden kann.
Es ist eine Herausforderung für uns Lehrer, ein wenig über den Tellerrand des klassischen Unterrichts zu schauen und Elemente des Codings mit einzubauenGrundschullehrer in Bonneweg
Laurent Medingen, Klassenlehrer des Zyklus 4.1 in Bonneweg, sagt, dass er Coding nicht wirklich als Fach bezeichnen kann. „Es ist etwas, das man gut in verschiedene Kurse integrieren kann.“ Medingen nennt den Sportunterricht als Beispiel, wo die Schüler einen bestimmten Parcours ablaufen müssen, oder den Sprachunterricht, wo das Coding ein Bestandteil der erzählten Geschichte ist. Ein Ozobot (kleiner Roboter) könne zum Beispiel von Schülern Befehle erhalten und dementsprechend eine Karte, auf welcher die Kinder verschiedene Stationen eingezeichnet haben, ablaufen. Der Lehrer nennt ein weiteres Beispiel beim Lernen der französischen Verben. Dort gibt es logische Folgen, die eintreten. Das könnte man auch als Coding bezeichnen.
Eine Herausforderung für die Lehrer
„Ich sage meinen Schülern nicht: Jetzt machen wir Coding“, so der Lehrer. Dies passiere während des Unterrichts. „Es ist eine Herausforderung für uns Lehrer, ein wenig über den Tellerrand des klassischen Unterrichts zu schauen und Elemente des Codings mit einzubauen“, sagt er. Ihm ist es wichtig, dass auch die Eltern verstehen, wie dies nun in den Schulen eingeführt wird. „Wenn Eltern das Wort Coding hören, dann glauben sie, dass ihre Kinder den ganzen Tag vor dem Tablet in der Schule sitzen.“ Dies sei aber keineswegs der Fall. Coding könne man sehr gut ohne Bildschirm und Computer lehren, indem man es in den normalen Unterricht integriere.
Laut Medingen entsteht durch diese Interaktionen ein Lernprozess, der im Vordergrund steht, und nicht die Frage, ob das, was die Kinder gemacht haben, richtig ist. Wenn sich herausstellt, dass ein Programmierungsbefehl falsch war, dann wird versucht, die Ursache herauszufinden. Der Lehrer sieht noch eine weitere Herausforderung für die Schulen. Manche Kinder würden sich Gedanken über die neuen Problemlösungen machen und vieles ausprobieren, auch zu Hause, andere seien dagegen zurückhaltender. Hier müsse man nun versuchen, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Schüler unter einen Hut zu bringen. „Dies bereitet mir Kopfzerbrechen“, sagt er. Das Ziel des Codings sei es, dass die Kinder später gut mit einem Computer umgehen können. „Es ist aber nicht nur das.“ Bevor die Kinder das später können, wird ein ganzer Prozess gestartet. Medingen nennt es die Denkweise, die man sich durch Coding aneignet.
Wenn Eltern das Wort Coding hören, dann glauben sie, dass ihre Kinder den ganzen Tag vor dem Tablet in der Schule sitzenGrundschullehrer in Bonneweg
Diese Aussage knüpft an das Motto des Bildungsministeriums an: „Einfach kodéieren“ oder „Einfach digital“. Es soll suggerieren, dass jeder Lehrer und jeder Schüler auch ohne informatische Vorkenntnisse dies tun kann, so der Minister. Meisch sagt, dass es darum gehe, Methoden zu verstehen und zu verinnerlichen. Ein komplexes Problem soll in einer Reihe von einzelnen Schritten eingeteilt werden und dann sukzessive in einzelnen Schritten gelöst werden. „In der Pädagogik wird dies Problemlösekompetenz genannt“, so Meisch.
Ganz so einfach, wie es das Motto vermuten lässt, war die Einführung des Codierens in den Grundschulen allerdings nicht. Luc Weis, Direktor vom Script („Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“), sagt: „Wir haben uns die letzten Monate abgerackert, um diesen Moment möglich zu machen und uns in Stellung für die ‚Rentrée‘ zu bringen.“ Durch die Corona-Krise sei das Vorhaben etwas ins Hintertreffen gelangt, besonders in Bezug auf das Material.
Den Eltern das Konzept des Codings nahebringen
Weis stellte zwei Webseiten vor, die das Angebot um das Codieren ergänzen sollen. Educoding.lu soll für die Lehrer in den ersten Monaten eine wichtige Stütze sein, weil sie dort alles zum Thema Coding finden. Andererseits können sie sich dort aber auch in der Tiefe mit den Themen „Computational Thinking“ (CT) und Coding befassen. CT ist die Fähigkeit einer Person, Aspekte realer Probleme zu erkennen und dazu algorithmische Lösungen auszuwerten und zu entwickeln. Auf der Webseite finden die Lehrkräfte auch Informationen zum Material. Zu fast allen Unterrichtssequenzen werden Tutorials, also Videos, zur Verfügung gestellt. Durch die Corona-Krise habe man es allerdings nicht geschafft, zu allen Sequenzen Tutorials anzubieten. Dies werde aber in den nächsten Monaten nachgeholt.
Wir haben uns die letzten Monate abgerackert, um diesen Moment möglich zu machen und uns in Stellung für die ‚Rentrée‘ zu bringenScript-Direktor
Auf Educoding.lu können sich zudem Eltern einschreiben, um an bestimmten Nachmittagen zusammen mit ihren Kindern erste Coding-Erfahrungen zu sammeln. Von Januar bis März sind drei solcher Nachmittage in Düdelingen, Luxemburg-Stadt und Diekirch vorgesehen. Eine weitere Webseite, die Weis vorstellte, heißt Kodeieren.lu. Hier können Lehrer Netzwerke mit Experten des Codings schließen und sich austauschen. Es besteht auch die Möglichkeit, diese Experten in die Schulen einzuladen und mit ihnen zusammen Projekte und Aktivitäten zu organisieren.
Die Sprache des 21. Jahrhunderts, wie Meisch das Coding nennt, findet ab nächstem Schuljahr Einzug in die anderen Zyklen der Grundschule. Für die Sekundarschulen ist ab 2021/22 das neue Schulfach „Computer Science“ für die 7e-Klassen vorgesehen. Das Fach wird in den Folgejahren auf 6e und 5e weitergeführt. Ziel dieses neuen Fachs ist es, den Schülern ein grundlegendes Verständnis der digitalen Welt zu vermitteln, sagt Meisch. Die Jugendlichen sollen verstehen, wie das Internet funktioniert, was eine Cloud ist und wie es im Inneren eines Smartphones, Tablets oder Computers aussieht. Dort sollen auch Fragen zur Künstlichen Intelligenz erörtert werden. Dies alles sei wichtig, um die Welt von heute zu verstehen, so der Minister. Daneben könne das Fach bei manchen Schülern ein derartiges Interesse an der digitalen Welt wecken, dass diese vielleicht ihren beruflichen Werdegang in diese Richtung einschlagen. „Wir brauchen auch digitale Fachkräfte“, so Meisch.
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Schön wäre schon, wenn die Fenster nicht zulackiert oder zugeschweißt sind und damit unlüftbar sind.