Umwelt / Wie ein erfundenes Ministerium für Ärger zwischen Umweltschützern und Politik sorgt
Ein Ministerium, das gar nicht existiert, hat eine Diskussion ausgelöst, die es gar nicht auslösen sollte. Eine Geschichte über Umweltschutz und den Roten Löwen.
Umweltschutz und Landwirtschaft brauchen einander heute mehr denn je. So richtig wollen sie aber nicht miteinander auskommen. Das ist auch in Luxemburg so. Die Spannungen zwischen den Umweltschutzverbänden und dem Landwirtschaftsministerium sind in den vergangenen Wochen hochgekocht. Aktueller Höhepunkt ist eine Pressemitteilung, in der das Landwirtschaftsministerium den Umweltverbänden vorwirft, „Fake News“ zu verbreiten.
Worum geht es? Die Europäische Union hat sich auf eine neue Gemeinsame Agrarpolitik geeinigt. Das Großherzogtum hat daraufhin einen Plan ausgearbeitet, wie diese in Luxemburg umzusetzen ist. „Mouvement écologique“, Greenpeace und die Stiftung „natur&ëmwelt“ kritisieren diesen Plan. Um sich Gehör zu verschaffen, haben sie eine gemeinsame Pressekonferenz organisiert und ein Gutachten veröffentlicht.
Dabei haben die Verbände es aber nicht belassen. Gleichzeitig haben sie eine Anzeige veröffentlicht, mit dem Kopf eines fiktiven „Ministeriums für nachhaltige Landwirtschaft“. Ein solches Ministerium gibt es in Luxemburg nicht. Richtig heißt es „Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und ländliche Entwicklung“. Der Briefkopf in der Anzeige ähnelt dem eines echten Ministeriums, allerdings in Schrift und Farbe. Auch der zweischwänzige Rote Löwe ist vorhanden.
In dieser Anzeige stellen die Organisation ihre Kritik an dem Plan der Regierung und ihre Vision von einer nachhaltigen Landwirtschaft in Luxemburg vor. Im Fuß der Anzeige stehen die Logos der drei Umweltverbände.
Das echte Ministerium verschickte am Tag darauf eine offizielle Pressemitteilung, in der es die Aktion aufs Schärfste kritisiert. Das Landwirtschaftsministerium distanziere sich von der öffentlichen Mitteilung, die in der Tagespresse unter falschem Namen veröffentlicht worden sei. In einer Zeit, da Fake News den öffentlichen Diskurs ohnehin erschweren, sei es umso mehr bedenklich, dass drei angesehene Organisationen die Leser bewusst täuschen wollen, um ihre Vision über eine Neuorientierung der Landwirtschaft bekannt zu machen.
Auch die Organisation „Fräie Lëtzebuerger Bauereverband“ meldete sich zu Wort. Die drei Organisationen sowie die ebenfalls beteiligte Plattform „Meng Landwirtschaft“ würden einen ganzen Berufsstand an den Pranger stellen, heißt es in der Stellungnahme des Bauernverbandes.
In ihren Augen sei während der Entstehung des nationalen Landwirtschaftsplans nicht genug mit den Umweltverbänden gesprochen worden, sagt Blanche Weber, Chefin des „Mouvement écologique“, im Gespräch mit dem Tageblatt. Die Anzeige des erfundenen Ministeriums hätten die Organisationen geschaltet, um ein anderes Publikum zu erreichen als mit einer klassischen Pressekonferenz.
„Unsere Organisationen versuchen seit 20 Jahren, die dringende Reform der Landwirtschaft zu thematisieren“, sagt Weber. In Luxemburg sei ein dramatischer Rückgang der Biodiversität feststellbar. Die Landwirtschaft sei ein zentraler Akteur in diesem Bereich, so Weber weiter. Auch beim Klimaschutz spiele sie eine wichtige Rolle. Ebenso lange würden die gesteckten Ziele aber verfehlt und auch der neue Plan sei nicht ausreichend, um die Ziele zu erreichen.
Ruf nach Rundtischgespräch
„Wir fordern seit zehn Jahren ein Rundtischgespräch mit allen Akteuren, um über die Zukunft der Landwirtschaft zu reden“, so Weber. Neben Vertretern der Landwirtschaft müssten auch Umweltschutzorganisationen an diesen Gesprächen teilnehmen. „Wir haben x-mal gesagt, dass wir bereit sind, im Vorfeld an der Erstellung des Strategieplans mitzuarbeiten“, so Weber. Sie ist überzeugt, dass auch viele Bauern sich einen Wandel herbeisehnen und nicht mehr dem Wachstumsdiktat der Märkte („wachse oder weiche!“) ausgesetzt sein wollen.
Die Umweltverbände sind nun offenbar mit ihrer Geduld am Ende. „Wenn ihr nicht mit uns redet, dann sagen wir, was wir von euch erwarten und schalten eine Anzeige“, erklärt Weber die Absicht hinter der Aktion. Dass das Ministerium die Form kritisiert und nicht auf den Inhalt eingeht, bedauert Weber. Die Informationen über das Artensterben seien ja auch gar nicht strittig, denn sie stammten von nationalen und europäischen amtlichen Stellen. Die Organisationen hätten sich natürlich erwartet, dass das Ministerium die Aktion nicht „flott“ findet. Sie hätten aber damit gerechnet, auf diese Weise eine Diskussion in Gang zu bringen.
Das Luxemburger Landwirtschaftsministerium (das echte diesmal) wollte sich gegenüber dem Tageblatt nicht zu der Sache äußern. In einer E-Mail verweist es auf zwei laufende parlamentarische Anfragen (Akz.: 5339 und 5338), die zuerst beantwortet werden müssten, bevor sich der Landwirtschaftsminister mit dem Tageblatt unterhält.
Vorwürfe aus dem Parlament
Diese beiden Anfragen stammen von Gusty Graas (DP) und Martine Hansen (CSV). Auch sie beschäftigen sich nicht mit dem Inhalt, sondern mit der Form der Anzeige. In der Sache sind sich der Mehrheitspolitiker und die Oppositionspolitikerin scheinbar einig: Mit der Aktion wurden die Leser getäuscht.
Gusty Graas richtet daher die Frage an die Regierung, ob es legal ist, das Logo eines Ministeriums für einen solchen Täuschungsversuch zu benutzen und was das Ministerium dagegen zu unternehmen gedenkt. Martine Hansen fragt dagegen, welche Kontrollmechanismen Medienhäuser bei der Annahme von Anzeigen öffentlicher Instanzen berücksichtigen müssen. Die Abgeordnete schlägt vor, öffentliche Anzeigen in Zeitungen in Zukunft mit einem QR-Code abzusichern, anhand dessen Leser prüfen können, ob die Verlautbarung wirklich von einer öffentlichen Stelle stammt.
Die Aktivistin Weber betont, dass die Logos der Umweltverbände und die Homepage unter der Anzeige abgebildet waren. Jeder, der die Anzeige betrachtet habe, hätte sehen müssen, dass es sich nicht um eine Anzeige des echten Ministeriums gehandelt hat. Außerdem sei sie bei den „öffentlichen Anzeigen“ publiziert worden, also an einer Stelle, die Leser genau anschauen und nicht nur überfliegen.
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