Interview / Wie eine Abiturientin die „Rentrée“ erlebt
Am Montag haben die Schüler der Abschlussklassen zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder die Schulbank gedrückt. Ines Calheiros (19), Première-Schülerin am Fieldgen, erzählt im Interview, wie sie ihren ersten Schultag erlebt hat.
Tageblatt: Wie geht es dir heute nach deinem ersten Schultag?
Ines Calheiros: Es geht mir gut. Als ich heute Morgen (Montag, Anm. d. Red.) aufgestanden bin, das muss ich zugeben, hatte ich schon etwas Angst, in die Schule zu gehen. Im Zug saßen mehr Leute, als ich mir das vorgestellt hatte. Das war ein kleiner Schock für mich. Ich dachte, hoffentlich ist es in der Schule nicht auch so. Als ich dort ankam, war alles in Ordnung. Ich habe meine Freunde wiedergesehen. Das hat mich beruhigt, sie alle gesund und munter wiederzusehen. Ich war nicht mehr gestresst. Auch den Lehrern geht es gut. Sie haben ganz normal mit uns geredet. Auch das hat mir geholfen, diese Angst wegzukriegen. Trotz zwei Metern Distanz im Klassenzimmer haben wir zueinandergefunden. Jetzt bin ich erleichtert. Gestern Abend (Sonntag, Anm. d. Red.) war die Angst viel größer.
Das heißt, die Schüler sind diszipliniert?
Ich war überrascht, wie ruhig und geordnet alles in den Fluren der Schule ablief. Ich habe keine Menschenansammlungen gesehen und auch keine Schüler, die eng zusammenstanden. Jeder hat Abstand gehalten. Das erleichtert mir den Gang morgen (Dienstag, Anm. d. Red.) zur Schule.
Als alle in der Schulbank saßen, haben wir unsere Masken ausgezogen. Ich glaube, für einen Moment haben wir vergessen, dass wir diese Masken dabeihaben.Schülerin
Kann man denn noch von normalem Schulalltag sprechen, wenn alle Schüler Atemschutzmasken tragen und ständig dran denken müssen, sich die Hände zu desinfizieren? Wie siehst du das?
Es geht. Als alle in der Schulbank saßen, haben wir unsere Masken ausgezogen. Ich glaube, für einen Moment haben wir vergessen, dass wir diese Masken dabeihaben. Als wir ins Klassenzimmer kamen, hat sich jeder die Hände desinfiziert. Jeder hatte auch sein eigenes Desinfektionsmittel dabei, um sich von Zeit zu Zeit die Hände damit einzureiben. Was aber schon ins Gewicht fällt, ist, dass meine Freundin nun auf zwei Meter Abstand zu mir sitzt. Wir können nicht mehr flüstern im Unterricht. Ich habe mir den Schulalltag eigenartiger und komplizierter vorgestellt, als er schließlich war. Wir haben trotz allem viel geredet und gelacht, uns Dinge erzählt. Es war schade, dass manche Schüler heute nicht da waren, da eine gefährdete Person in ihrem Haushalt lebt oder weil sie selbst gefährdet sind. Deshalb haben wir über Videokonferenz mit ihnen kommuniziert. Das war komisch, ihre Stimmen über dieses Medium zu hören. Morgen werden wir uns sicherlich bereits daran gewöhnt haben, dass diese Schüler physisch nicht da sind.
Sind Freunde von dir jetzt durch das Splitting in einer anderen Gruppe?
Ja. Normalerweise ist meine Sektion mit einer anderen gemischt. Die andere Sektion ist nun in der Klasse nebenan. Heute Morgen hatten wir bei einem Lehrer eine Doppelstunde. Das lief dann so ab: Zuerst hielt er eine Unterrichtsstunde bei uns und die anderen bekamen das gestreamt. Die Stunde darauf war es umgekehrt. Da bekamen sie den Lehrer und wir den Stream. Wir haben die anderen Schüler trotzdem gesehen. Im Flur. Weil unsere Türen offenstehen, damit besser gelüftet werden kann. Wir konnten uns auch mit ihnen unterhalten. Allerdings auf Distanz.
Ich glaube, dass sich die meisten haben testen lassen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Schüler, die heute in die Schule gekommen sind, negativ sind. Das Gleiche gilt für die Lehrer.Schülerin
Hattest du denn keine Angst, dich nun so knapp vor dem Examen mit dem Virus anzustecken?
In der Schule hatte ich nicht wirklich Angst, mich anzustecken. Am 1. Mai haben sich die Primaner unserer Schule testen lassen. Dort habe ich viele Mitschüler gesehen. Ich glaube, dass sich die meisten haben testen lassen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Schüler, die heute in die Schule gekommen sind, negativ sind. Das Gleiche gilt für die Lehrer. Wo ich aber nach wie vor Angst habe, ist im Zug. Da weiß man ja nicht, wer den Test gemacht hat. Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit hatten, uns testen zu lassen.
Nutzt du die Zeit in der Schule, um den Lehrern Fragen zu stellen, die sich vielleicht im Homeschooling aufgetan haben?
Ja. Es ist eine gute Möglichkeit, den Lehrern noch Fragen zu stellen. Aber in manchen Fächern konnten wir bereits in den letzten vier Wochen unsere Fragen per Videokonferenz an die Lehrer stellen. Es bestand also keine Dringlichkeit darin, den Lehrern in dieser Woche unbedingt Fragen zu stellen. Aber es ist trotzdem gut, nun wieder mit den Lehrern reden zu können. Im Klassenzimmer müssen wir zwei Meter Abstand halten. Wenn wir Fragen haben, dürfen die Lehrer nicht direkt neben uns stehen. Das ist nicht optimal. Wir hatten dennoch einige Fragen, insbesondere zum Examen selber. Da hat sich ja einiges hinsichtlich der Ursprungsplanung geändert. Wir gehen auch Examensfragen der vergangenen Jahre mit den Lehrern durch und schauen, was öfters abgefragt wurde.
Es ist also sinnvoll, dass die Schule wieder aufgemacht hat … Lehrergewerkschaften haben nämlich heute Morgen gefordert, dass Schüler, die Bedenken hätten, in die Schule zu gehen, zu Hause bleiben sollten.
Das habe ich heute Morgen auch gelesen. Einerseits verstehe ich ja, dass Schüler, die als gefährdet gelten, oder auch jene, die keine Fragen an die Lehrer haben und lieber zu Hause lernen wollen, dies so tun sollten. Ich finde, man sollte ihnen diese Möglichkeit geben. Ihre Fragen können sie ja per Videokonferenz stellen. Aber jene, die in die Schule gehen wollen, sollten das auch tun können. Wir waren alle sehr froh, unsere Lehrer wiederzusehen, mit ihnen lachen zu können und über das Examen zu sprechen.
Wir wussten also nicht, was wir lernen sollen. Auch die Lehrer wussten es nicht. Deshalb habe ich bis zu den Osterferien nicht gezielt für das Examen gelernt.Schülerin
Hattest du in den ganzen Wochen zu Hause genug Zeit, das Pensum fürs Examen zu lernen? Oder waren die „Coronaferien“ eher ein Hindernis?
Bis zu den Osterferien war Corona eher ein Nachteil, was meine Vorbereitung betrifft. Lange war nicht klar, was mit dem Examen passiert. Findet das Examen überhaupt statt? Vielleicht erst im September? Dann wurde gesagt, dass im Examen nur der Lernstoff abgefragt werde, der bis zum 13. März behandelt wurde. Aber das hat wiederum für viel Verwirrung gesorgt, da viele Lehrer den Lernstoff in einer anderen Reihenfolge behandelt hatten als eigentlich vorgesehen. In der Geschichte hat meine Klasse beispielsweise mit dem letzten Kapitel angefangen. Wir wussten also nicht, was wir lernen sollen. Auch die Lehrer wussten es nicht. Deshalb habe ich bis zu den Osterferien nicht gezielt für das Examen gelernt. Ich habe nur die Aufgaben gemacht, die wir für das Homeschooling bekamen. Erst am Ende der Osterferien hat Bildungsminister Claude Meisch das genaue Programm zum Examen mitgeteilt. Ab da war es besser. Da konnte ich anfangen, mich einzuteilen, was ich wann lerne.
Bist du jetzt wieder im Zeitplan oder hat dich das ganze Wirrwarr ins Hintertreffen gebracht?
Wenn ich den ganzen Tag zu Hause hocke, dann habe ich das Gefühl, dass ich noch viel Zeit zum Lernen habe. Man ist irgendwie nicht mehr in der Lernroutine drin. Wenn man jeden Tag zur Schule geht und vom Lehrer unterrichtet wird, dann nach Hause geht und lernt, am Tag darauf dem Lehrer Fragen dazu stellt, dann ergibt sich eine gewisse Lernroutine. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt eine Woche haben, wo wir wieder in diese Routine hineinkommen und nicht ständig zu Hause sitzen. Ich persönlich kann nicht von morgens bis abends nur lernen. Es tut gut, Abwechslung zu haben.
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„Frage: Wie geht es dir nach deinem ersten Schultag? Antwort: Es geht mir gut.“ Ist das noch Journalismus oder ist das schon DaDa…?