Distanzunterricht / Wie Eltern und Schüler das Homeschooling erleben
In dieser Woche läuft der Schulbetrieb in Luxemburg über Distanzunterricht. Die Eltern, insbesondere jene, deren Kinder in der Grundschule sind, sollten sich dementsprechend organisieren. Sie müssen nun Home-Office, Haushalt, technische Assistenz sowie Betreuung ihrer Kinder, die in verschiedenen Klassenstufen sind, unter einen Hut bringen. Nicht immer ganz einfach, wie das Tageblatt in mehreren Gesprächen herausfand.
Für die 14-jährige Claire hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr eine Menge geändert. Bestand Homeschooling damals in erster Linie aus einer kurzen Hausaufgabenverteilung, so stand in dieser Woche echter Online-Unterricht auf dem Programm. Seit Montag wurden alle Stunden online via Teams abgehalten, mit Ausnahme des Sportunterrichts und der Französisch-Kurse. Die „6e Latein“ aus dem „Lycée Hubert Clément“ machte dabei im Programm dort weiter, wo vor den Weihnachtsferien aufgehört wurde. In Mathematik sind das Gleichungen, in Deutsch Klein- und Großschreibung, im Geschichtsunterricht das Mittelalter oder in Kunst die Architektur.
Manche Lehrer halten die ganze Stunde vor der Kamera ab, genau wie wenn wir in der Klasse sitzen würden6e-Schülerin im „Lycée Hubert Clément“
Wie genau der Unterricht abläuft, hängt von den einzelnen Lehrern ab, berichtet Claire. Gleich ist, dass die Schüler von ihnen erst an den Unterricht erinnert werden und dann kurz vor Beginn eine Einladung zur Teams-Sitzung erhalten. „Manche Lehrer halten die ganze Stunde vor der Kamera ab, genau wie wenn wir in der Klasse sitzen würden“, sagt die Schülerin aus Esch. Andere geben Aufgaben, die dann wenig später gemeinsam besprochen werden. Ob die Lehrer für die Schüler zu sehen sind oder ihre Kamera ausgeschaltet lassen, ist ihnen überlassen. Melden können sich die Schüler über einen Aufzeige-Button auf Teams. Werden sie aufgerufen, schalten sie das Mikrofon an, nicht aber die Kamera.
Schüler im Lyzeum sind weitgehend autonom. Da sie für jedes Fach einen anderen Lehrer haben, ist ihr Alltag im Distanzunterricht dementsprechend getaktet. Auch lautet die Vorgabe für Sekundarschüler, dass das Schulprogramm weitergeführt werden soll. Ganz anders sieht der Alltag bei Schülern aus der Grundschule aus. Sie sollen das Erlernte des ersten Trimesters wiederholen. Auch sind Schüler bis zur sechsten Klasse weniger autonom als jene im „Lycée“. Die Eltern müssen sich dementsprechend organisieren.
Kinder müssen beim Lernen begleitet werden
Eine Mutter von zwei Schülern aus der Grundschule bleibt diese Woche zu Hause. Sie betreut ihre beiden Kinder beim Distanzunterricht. Ihr Mann hat einen Verantwortungsposten und sollte ins Büro gehen, sagt sie. Sie macht ihm den Weg dazu frei. Die Mutter ist froh darüber, dass sie zu Hause nicht noch nebenher für die Arbeit etwas schreiben muss. So kann sie sich voll und ganz ihren Kindern widmen. Normalerweise müssen beide Eltern arbeiten.
Ich finde das Homeschooling für maximal zwei Wochen in Ordnung, wenn es dazu beitragen kann, das Coronavirus einzudämmen
„Die Kinder brauchen viel Struktur in ihrem Alltag und müssen beim Lernen begleitet werden. Zudem brauchen sie viel Aufmerksamkeit“, sagt die Mutter gegenüber dem Tageblatt. Auf ihrer Arbeit werden wochenweise Gruppen gebildet, bei denen geschaut wird, wer gerade nicht unbedingt zu Hause bleiben muss, unter den aktuellen Umständen. Deshalb ist sie froh, dass sie diese Woche nun bei ihren Kindern bleiben darf. „Ich finde das Homeschooling für maximal zwei Wochen in Ordnung, wenn es dazu beitragen kann, das Coronavirus einzudämmen“, sagt sie. Distanzunterricht über einen längeren Zeitraum findet sie nicht gut.
Ihre Tochter besucht die erste Klasse und hat Arbeitsblätter im Briefkasten hinterlegt bekommen. Täglich stehen die Lehrer mit ihrer Klasse über den SMS-Dienst WhatsApp und die Funktion der Sprachmeldungen in Kontakt. Dort geben sie Erklärungen zu den Übungen. Jeden Tag verschicken die Lehrer zudem Märchen oder Bastelanleitungen, um die Kinder bei der Stange zu halten. Bei ihrem Sohn, der in der vierten Klasse eingeschult ist, läuft alles über das Microsoft-Programm Teams. Seine Klasse wurde in A- und B-Gruppen eingeteilt.
Mehrmals die Woche wird auf Teams gearbeitet
Mehrmals in der Woche trifft sich der Sohn zu festgelegten Zeiten mit seiner Klasse zum Videostream auf Teams. „Dort wird fleißig gearbeitet“, sagt die Mutter. Das Arbeitspensum wird den Kindern täglich über dieselbe Plattform zugeschickt. „Das ist weniger chaotisch“, sagt die Mutter. Über Teams nimmt der Sohn auch Kontakt zu seinen Klassenkameraden auf, wenn seine Schulaufgaben erledigt sind. Allerdings fehlt den Kindern die Bewegung, stellt die Mutter fest. Sie sind zurzeit extrem zappelig. „Ihnen fehlt das Toben mit den anderen Kindern.“
Als Mutter müsse sie sich organisieren, aber das klappt gut, sagt sie. Auch das am Dienstag vom Bildungsministerium angekündigte „schouldoheem.lu on air“ gefällt den Kindern sehr gut. Nach der Ankündigung hat es die Mutter in ihren Alltag mit den Kindern integriert. „Das Angebot dort ist gut strukturiert.“ Verwundert zeigte sich die Mutter über die Meldung am Dienstag, dass die Schulen bereits in der nächsten Woche wieder auf Präsenzunterricht umstellen werden. Trotzdem freuen sich alle darüber, dass es am Montag wieder in die Schule geht. Am Anfang der Woche war die Stimmung zu Hause noch im Keller, weil niemand wusste, wie lange das nun mit der Schulschließung andauern werde. Seit es nun bekannt ist, genießen sie die Zeit zusammen. Vor dem Coronavirus haben sie keine Angst mehr, denn dieser hatte sich bereits vor einiger Zeit bei ihnen im Haus ausgebreitet. Dennoch werden sich alle weiterhin an die sanitären Maßnahmen halten, versichert die Mutter. Hobbys und Freizeitaktivitäten, allen voran der Sport, fehlt den Kindern. Der Sohn hatte allerdings diese Woche digitalen Musikunterricht. Er musste etwas auf seinem Schlagzeug vorspielen und sich dabei filmen.
Eine andere Mutter erzählt im Tageblatt-Gespräch, wie sie es logistisch auf die Reihe bringt, ihren drei Kindern das Homeschooling zu ermöglichen. Ihr jüngster Sohn besucht die „Spillschoul“, ihre Tochter die zweite Klasse und ihr ältester Sohn die vierte. Damit die zwei Älteren in Ruhe ihre Aufgaben machen können, muss auch schon mal der Fernseher als Babysitter für den Jüngsten eingesetzt werden, beichtet die Mutter. Sie hat ein schlechtes Gewissen. „Ich finde das nicht gut, hatte aber am Montag eigentlich keine andere Wahl“, sagt sie.
Arbeitspensum von drei Stunden
So richtig Unterricht über Teams haben ihre Kinder allerdings nicht. Am Montag wurde ihr Ältester über die Video-Plattform über das anstehende Arbeitspensum der Woche gebrieft. Den Rest der Zeit soll er Aufgaben in seinen Büchern und Arbeitsblättern lösen. Die Mutter vermutet, dass keine Online-Kurse stattfinden, da es sich bei der Materie um Wiederholungen handelt. „Mich arrangiert das sehr gut. Ich schaue am Tag zuvor, was er zu tun hat und erkläre es meinem Sohn.“ Der Ältere arbeitet anschließend ziemlich autonom seine Aufgaben ab. Dennoch müsse sie ihn immer wieder kontrollieren, ob er noch dabei ist und sich nicht anderweitig beschäftigt. Die Mutter hatte sich mit anderen Eltern über das Homeschooling unterhalten. Die meisten berichteten ihr, dass ihre Kinder über Teams unterrichtet werden. „Das hat bei mir etwas Panik ausgelöst“, sagt sie.
Da ich selber alle Schulsprachen spreche und die Aufgaben meiner Kinder verstehe, brauche ich keine zusätzliche Hilfe über Videostream
Der Ältere hatte am ersten Tag eigentlich ein Arbeitspensum von drei Stunden. Er war aber viel schneller fertig. „Die Kinder sitzen also nicht von 8 bis 12 Uhr an ihrem Schreibtisch und lernen“, sagt die Mutter. In einem vorgegebenen Zeitfenster können sich die Eltern bei den Lehrern melden, wenn sie Fragen haben. „Da ich selber alle Schulsprachen spreche und die Aufgaben meiner Kinder verstehe, brauche ich keine zusätzliche Hilfe über Videostream“, sagt die Mutter.
Ihre Tochter aus der zweiten Klasse saß am Montag eine Stunde vor dem Laptop und hatte sich über Teams mit ihrer Klasse verbunden. Die Lehrerin erklärte, was in der Woche gemacht werden soll. Dazu hielt sie Arbeitsblätter in die Kamera und zeigte, wo die Kinder Kreuze machen sollen. Direkten Unterricht mit den Lehrern haben ihre Kinder allerdings nicht. „Wir würden es auch ohne die Lehrer schaffen“, sagt die Mutter. Der Stream sollte neben den Erklärungen der Lehrerin den Schülern auch als Plattform dienen, sich wiederzusehen und über das Erlebte aus ihren Ferien zu berichten. „Teams wird vielleicht auch eingesetzt, um den Kindern zu zeigen, dass die Schule zwar geschlossen ist, aber dennoch keine Ferien sind.“
Dicke Luft wegen Diskussionen übers Lernen
Auch der Jüngste in der Familie bekommt Aufgaben. „In der ‚Spillschoul‘ sind das eher Konzentrationsübungen“, sagt die Mutter. Damit jeder in Ruhe lernen kann, hat die Mutter den älteren Sohn in dessen Zimmer installiert. Bei ihrer Tochter hätte sie das nicht machen können. Sie ist weniger selbstständig, hätte wahrscheinlich nichts gearbeitet und irgendwann angefangen zu weinen. Deshalb musste die Tochter im Wohnzimmer ihre Aufgaben lösen, während die Mutter ihr über die Schulter schaute. Damit die Tochter sich auch konzentrieren kann, musste die Mutter den jüngeren Sohn samt Kopfhörer vor den Fernseher setzen. Wenn ihr Mann zu Hause ist, wie dies teilweise im ersten Lockdown der Fall war, dann übernimmt er für diese Zeit die Betreuung des jüngsten Sohnes. „Dann gehen sie raus oder spielen in der Garage Fußball.“
Es ist wichtig, in dieser Phase nicht mit den Kindern zu streiten
„Es ist wichtig, in dieser Phase nicht mit den Kindern zu streiten“, sagt die Mutter. Sie erinnert sich an den ersten Lockdown. Die Kinder haben versucht, die Aufgaben auf „später“ zu verschieben, was zu Diskussionen führte. Dadurch entstand Druck und es kam zu Spannungen. Dies wolle die Mutter nun vermeiden. „Die Situation ist, wie sie ist, und ich finde nicht, dass wir unsere Beziehung mit den Kindern aufs Spiel setzen müssen, indem wir stets zum Kleinen sagen müssen: ‚Sei ruhig, deine Schwester muss lernen.’“
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Mit überlastetem Wlan und altem Windows System bestimmt kein Vergnügen wenn alle zeitgleich ‚arbeiten‘!