Deutschland / Wie geht es bei der Linken weiter, nachdem die Partei-Spitze zurückgetreten ist?
Auch wenn es sich angedeutet hatte: Der Rückzug der Linken-Spitze war in der Hauptstadt am Sonntag eine große Nachricht im Sommerloch. Am Montag begründen Janine Wissler und Martin Schirdewan ihren Schritt. Und man bekommt eine Ahnung, wie die letzten Monate so verlaufen sind innerhalb der Partei.
Als wäre nichts gewesen: Janine Wissler beginnt die Pressekonferenz am Montag im Karl-Liebknecht-Haus mit Kritik am Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition. Wissler kritisiert das „lange unwürdige Schauspiel“ der Haushaltsfindung und das Erscheinungsbild der Koalition im Allgemeinen.
Das Interesse an der Pressekonferenz ist an diesem Tag sehr hoch, eher ungewöhnlich für eine Veranstaltung der beiden Vorsitzenden der Linkspartei. Der Grund: Es geht an dem Tag nicht nur um die Ampel, sondern vor allem um ein Innenbild der Linken. Und irgendwie auch um unwürdige Abläufe. Die Linke trifft sich am 18. Oktober zum Parteitag in Halle an der Saale. Wissler und ihr Co-Chef Martin Schirdewan verkündeten am Wochenende, dort nicht wieder kandidieren zu wollen.
Wissler begründet das am Montag so: Sie habe lange mit sich gerungen, aber die dreieinhalb Jahre an der Spitze seien sehr kräftezehrend gewesen. Sie habe Brücken bauen wollen, aber feststellen müssen, dass „man nicht alles zusammenhalten kann“, sagt sie mit Blick auf das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Seit der Abspaltung der ehemals prominenten Linken Wagenknecht im vergangenen Herbst und dem damit einhergehenden Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag ging es für die Linke in der öffentlichen Wahrnehmung bergab. Bei der Europawahl kam sie auf lediglich 2,7 Prozent, in bundesweiten Umfragen liegt sie derzeit ebenfalls nur bei drei Prozent.
Wissler räumt auch ein, dass die Wortmeldungen von prominenten Parteimitgliedern, unter anderem vom Linken-Urgestein Gregor Gysi, die sich zuletzt gegen das Duo an der Parteispitze positioniert hatten, „nicht hilfreich“ gewesen seien.
Auch Schirdewan findet klare Worte, beschreibt die Schwere und die Bürde der Verantwortung an der Linken-Spitze. Er räumt ein, dass Wissler und er es nicht vermocht hätten, den Markenkern der Linken herauszustellen, obwohl die Krisen-Zeiten nach einer starken Linken verlangten. Man sei zu oft untergegangen in den eigenen internen Kämpfen und Konflikten. „Es war auch persönlich nicht leicht, wir mussten unseren Kopf in der Öffentlichkeit hinhalten für Dinge, die wir nicht zu verantworten hatten“, sagt Schirdewan.
Hektische Nachfolgersuche
Beide erwähnen Sahra Wagenknecht nicht namentlich, weisen vielmehr darauf hin, dass seit der Abspaltung des BSW 8.000 neue Mitglieder in die Linkspartei eingetreten seien. Den Zeitpunkt ihrer Verkündung, so kurz vor der Wahl am 1. September in Thüringen und Sachsen, verteidigen beide. So sei eine Neuaufstellung auch personell möglich, Spekulationen würden beendet und ein Aufbruchssignal ausgesandt. Man würde nun gemeinsam vor allem für den Erfolg von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in Erfurt kämpfen. Das sieht Umfragen zufolge jedoch eher schlecht aus, die Linke liegt in Thüringen derzeit nur auf Platz drei, in Sachsen geht es um den Verbleib im Landtag.
Nun beginnt in der Partei eine hektische Nachfolgersuche. Die verschiedenen Lager und Interessenten bringen sich bereits in Stellung. Ex-Parteichef Bernd Riexinger spricht sich laut Spiegel für den früheren Bundestagsabgeordneten Jan van Aken aus. Dieser habe die richtige Art aufzutreten und bringe „reichlich Erfahrung und politisches Gespür mit“. Van Aken äußerte sich bis Montagnachmittag nicht. Thüringens Staatskanzleichef und Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff schloss eine Kandidatur ebenfalls nicht aus. „Diese Frage würde ich mir gegebenenfalls stellen, wenn ich aus der Partei heraus gebeten werden sollte.“ Hoff gilt als versierter Stratege und enger Vertrauter von Ministerpräsident Ramelow.
Dieser fordert auch strukturelle Veränderungen in seiner Partei. „Ich habe die Erwartung an die Kreisverbände und die Landesverbände, dass sie jetzt sehr aktiv mitarbeiten, dass sie nicht nur aufs Personal gucken, sondern auch auf die strukturellen Themen.“ Es gehe auch um eine bessere formale Einbindung der Landesverbände. Im Stern betont Ramelow außerdem: „Die Ankündigung ist ein absolut notwendiger Schritt.“ Zwar mag der Zeitpunkt vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schlecht erscheinen, aber er verstehe die Entscheidung der beiden Vorsitzenden. Eine neue Führung in der Linken könne aber nur ein „Teil eines grundlegenden Neuanfangs der Partei sein“.
Der sächsische Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Stefan Hartmann warnt jedoch vor vorschnellen Entscheidungen. „Wichtig ist, dass wir jetzt gemeinsam eine gute Lösung für eine Parteiführung finden, die die gesamte Partei repräsentiert“, sagte der Linken-Politiker. Jeder, der eine Kandidatur erwäge, sollte sich der schwierigen Lage bewusst sein. Die beiden, die gehen, können davon ein Lied singen. Irgendwie wirkt das Duo am Montag ziemlich erleichtert nach der vorerst letzten Presse-Veranstaltung als Doppel-Spitze.
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