Piraten-Fehde / Wie geht es jetzt weiter? Das sagen aktuelle und ehemalige Mitglieder
Die Piraten-Fehde zieht weite Kreise. Nachdem Marc Goergen am Freitagmorgen nochmal ausgeteilt hat, wehrt sich Sven Clement am Freitagnachmittag in einer Pressekonferenz. Das Tageblatt hat weitere Mitglieder der Partei nach ihrer Meinung befragt – und ein von Goergen beschuldigtes Ex-Mitglied zu Wort kommen lassen.
Der Parteiaustritt von Ben Polidori und die MALT-Affäre schlägt Wellen in der Piratenpartei. Abgeordneter Marc Goergen hat sich am Freitagmorgen erneut zu Wort gemeldet – und sein Kollege Sven Clement hat am Nachmittag mit einer Pressekonferenz reagiert.
Doch wie denken die anderen in der Partei? Aktuelle Mitglieder stellen gegenüber dem Tageblatt ihre Sicht zum Geschehen und zur Zukunft der Partei dar – und zeigen sich ungewiss, was die Zukunft der Piraten angeht. Und ein ehemaliges Mitglied wehrt sich gegen die an ihn gerichteten Vorwürfe.
Bruno Da Silva, Gemeinderat in Sanem
Die Verunsicherung ist den Parteimitgliedern anzumerken. „Die Situation ist sehr speziell“, sagt etwa Bruno Da Silva, der für die Piraten im Gemeinderat Sanem sitzt. Es sei sehr schwierig jetzt für Sachen geradezustehen, von denen man nichts wusste und Rechnungen zu bezahlen, mit denen man nichts zu tun habe. „Es ist auch schade, dass Ben Polidori weg ist“, sagt Da Silva. Dieser habe eine gute Arbeit gemacht.
Da Silva habe als Koordinator für den Süden zahlreiche Gespräche geführt. „Viele Piraten sind enttäuscht“, sagt er. Die meisten würden aber auch weiterhin an das Projekt glauben und wollten es Polidori nicht nachmachen. Ben Polidori hatte die Piratenpartei verlassen, wodurch die innerparteilichen Streitigkeiten an die Öffentlichkeit gelangt sind. „Wir versuchen hier etwas aufzubauen“, meint Da Silva weiterhin. „Unsere Gemeinderäte im Süden haben mir jedenfalls versichert, dass sie bei den Piraten bleiben wollen.“
Das Tageblatt hatte Bruno da Silva bereits am Donnerstag kontaktiert, noch vor der Ankündigung einer Pressekonferenz von Sven Clement.
Chris Bernard, Gemeinderat in Petingen
„Die Situation ist momentan nicht ganz einfach“, sagt Chris Bernard, Piraten-Gemeinderat in Petingen, dem Tageblatt. Er selbst sei seit sechs Jahren Mitglied in der Partei – und habe bis vor kurzem noch nichts über MALT gehört. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich eine App namens „Mobile Assisted Language Tool“, für deren Entwicklung die Piratenpartei 2016 rund 135.000 Euro aus einer öffentlichen Ausschreibung erhielt – und jetzt 92.000 Euro davon zurückzahlen soll.
„Die fehlende Transparenz ist äußerst schmerzhaft“, sagt Bernard. Sven Clement rede betreffend den 92.000 Euro von einem Fehler – für Bernard handle es sich dabei aber definitiv nicht nur um eine „Bagatelle“. Bis jetzt hätten die Mitglieder keine Antwort erhalten, was mit dem Geld passiert sei. Zudem würden viele wichtige Informationen vorenthalten werden.
Bernard spricht auch die 4.000 Euro an, die Marc Goergen angeblich aus dem Projekt erhalten haben soll – und worüber Goergen selbst auch überrascht gewesen sei, weil er nicht für das Projekt gearbeitet habe. Er soll das Geld für Beratungsleistungen erhalten haben. Den betreffenden Kontoauszug hätten die Auditoren von KPMG aber nicht nachverfolgen können. „Keiner weiß, wo das Geld hingekommen ist“, sagt Bernard. Es seien Auszüge gefälscht worden – und ein Mitglied habe bereits einen Anwalt eingeschaltet. „Das ist extremst kriminell“, sagt Bernard.
„Es kam zu einem Vertrauensbruch“, sagt Bernard. Die Verantwortlichen müssten die Fehler eingestehen, die passiert sind. Die neuen Parteimitglieder seien vor den Kopf gestoßen worden – und die alten würden die Affäre aufarbeiten wollen. „Wir müssen jetzt die Neuen umsorgen“, sagt Bernard. Denn es sei schwer vorherzusehen, wie es weitergehe. „Ich sehe keine große Zukunft mit Clement in der Partei“, sagt Bernard, der sich „extremst enttäuscht“ zeigt. Man müsse sich jetzt intern besprechen.
Andy Maar, Ex-Generalsekretär und Ex-Parteimitglied
„Das sind falsche Darstellungen“, sagt Andy Maar zu den Anschuldigungen von Marc Goergen. „Jerry Weyer, Andy Maar, alle, die damals im Komitee saßen“, sollen laut Goergen moralisch bedenkliches Verhalten an den Tag gelegt haben. Sie seien in die Partei eingetreten, weil sie gemerkt hätten, dass die Parteifinanzierung stehe – und jetzt Aufträge generiert werden können.
Er sei 2011 Mitglied geworden, sagt Maar dem Tageblatt. Seit 2017 sei er aber nicht mehr aktiv – und dann 2020 ausgetreten. Die Parteifinanzierung der Piraten hätte erst mit der Erfüllung der Zwei-Prozent-Hürde 2014 gestanden. Bei den Piraten seien zudem alle Posten ehrenamtlich ausgeübt worden. So auch seine Funktion als Generalsekretär, die er von 2013 bis 2017 innehatte.
Das MALT-Projekt sei damals dem Präsidium präsentiert worden und ohne Einwände angenommen wurden – auch durch den Südbezirk. In diesem war damals unter anderem Marc Goergen vertreten. Das Problem: Der Geldbetrag sei nicht hoch genug gewesen, um Dienstleister für die Entwicklung der App zu finden. „Heute würde man anders handeln“, sagt Maar. Dennoch sei das Projekt seiner Sicht nach umgesetzt worden: „Das Pflichtenheft wurde umgesetzt, die Leistungen wurden erbracht“.
Andy Maar äußert sich auch zum Aufstieg von Goergen innerhalb der Partei: „Viele sind ausgetreten, als Marc Goergen mehr Macht innerhalb der Partei erlangt hat“. Die Stimmung bei den Piraten habe sich seit 2017 immer mehr gespalten: Es gebe eine Korrelation zwischen dem Werdegang Goergens und dem negativen Klima in der Partei. Große Änderungen seien zudem mit der Ernennung Goergens zum Generalsekretär erfolgt – im negativen Sinne. Die Transparenz innerhalb der Partei habe rapide abgenommen und der Wahlkampf sei zunehmend populistischer geworden: „Die Piratenpartei ist seitdem eine andere“.
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